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Abb. 22: „Fulgurite“ – röhrenartige Strukturen, die durch kurzzeitige hohe Temperatur beanspruchung entstehen und typisch für Blitzeinschläge sind. immer zielführend – manchmal ist die Anwendung des „handwerklichen Sachverstandes“ erfolgreicher, wie nachstehendes Beispiel zeigt. Im Jahr 1999 wurde ein öffentliches Gebäude überwiegend in Ortbetonbau- weise errichtet. Im März 2000 wurden die Innenputzarbeiten durchgeführt, wo- bei an den Wänden ein Kalk-Gips-Putz und die vom Putzhersteller empfohlene Putzhaftgrundierung aufgetragen wurde. Während der Grundierungsarbeiten wurde das BVH vom Außendienstmit- arbeiter des Putzherstellers besichtigt. Dieser fand, dass die Grundierung nicht ausreichend „satt“ aufgetragen war und empfahl einen nochmaligen Grun- dierungsauftrag, der auch ausgeführt wurde. Im Jahr 2007/2008 wurden großflä- chige Putzabplatzungen festgestellt. Das Schadensbild ließ vermuten, dass die Putzhohllagen schon länger bestanden, jedoch zuvor aufgrund vorgestellter Schränke und Regale nicht bemerkt worden waren. Charakteristischerweise wiesen sowohl die Rückseiten der abgelösten Putzteile als auch die Wände an der Trennfläche Reste der roten Betongrun- dierung auf. Dieser Tatsache wurde jedoch anfänglich nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt! Die Saugfähigkeit des Ortbetons wurde durch Beaufschlagung mit Wassertropfen qualitativ überprüft und war gut. Die Putzscherben erschienen fest und wiesen augenscheinlich keine Abweichungen vom „Normalzustand“ auf, allerdings war der Putz relativ dick aufgetragen worden (ca. 20–25 mm). Die Materialzusammensetzung des Gipsputzes und des Betons wurde zu- nächst mit RFA untersucht und ergab keine Abweichungen von üblicherweise für derartige Baustoffe zu erwartenden Zusammensetzungen (Tab.1). Um einen Materialfehler oder Ver- arbeitungsfehler am Innenputz oder am Ortbeton zu verifizieren, wurden zunächst Schliffe des Putzes und des Betons hergestellt und mittels Polarisati- onsmikroskopie untersucht. Nunmehr wurde zunächst ein Man- gel am Ortbeton vermutet, der evtl. zu einer „Treibsalzbildung“ aufgrund der Anreicherung von chemischen Elemen- ten (wie z. B. Kalium) im Kontaktbereich Beton-Gipsputz geführt haben könnte. Abb. 23: Gips-Wandputzabsturz von Ortbetonwand, rote Grun- dierung sowohl an der Wand als auch an der Rückseite der abge- stürzten Putzteile. Probe CaO [M%] MgO [M%] Al 2 O 3 [M%] SiO 2 [M%] Fe 2 O 3 [M%] SO 3 [M%] Gipsputz 33,3±0,3 1,9±0,1 4,1±0,06 1,1±0,004 0,24±0,002 21,8±0,36 Beton 26,5±0,5 1,3±0,1 16,6±4,9 11,6±1 1,26±0,44 0,63±0,175 Tab.1: Zusammensetzung von Gipsputz und Beton, Durchschnitt aus 5 Proben Schützen & Erhalten · Juni 2020 · Seite 52 AUS DER PRAXIS
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