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Die Baustellensteuerung – Problemfeld Material A ußer der generellen Problematik des Faktors Zeit in der Baustellen- steuerung, kann auch der Material- und Geräteeinsatz zu nachhaltigen Schwie- rigkeiten führen. So entspricht es nach wie vor der gängigen Praxis, dass eine durchgängige korrekte Erfassung von Lagermaterial auf die Baustelle nur in den seltensten Fällen gegeben ist. Auch in Betrieben, in denen hierfür Materialentnahmescheine vorgesehen sind, zeigen bei einer differenzierten Prüfung eine eher lückenhafte Umset- zung auf. Oftmals begründet in dem zeitlichen Aufwand der Erfassung, der von einigen Mitarbeitern gescheut wird. Der so vermeintlich korrekt errechnete Materialeinsatz für die Nachkalkulation führt im Ergebnis zu einer zu niedrigen Kostenzurechnung und somit zu positivem Baustellenergebnis. Aber auch die in der Regel bevorzugten Direktlieferungen vom Händler auf die Baustelle sind in ihrer Abwicklung nicht immer unkritisch. Angefangen bei dem Umstand, dass die Baustellenlieferungen oftmals zeitlich so erfolgen, dass gerade kein verantwortlicher Mitarbeiter für die Entgegennahme und Kontrolle vor Ort ist, zum anderen, eine umfangreiche Kontrolle im direkten Baustellenprozess oftmals nicht möglich ist. Dies lässt dann einen späteren qualifizierten Abgleich der Lieferanten- rechnungen mit den Lieferscheinen nicht mehr zu. Eine Prüfung der Lieferantenrech- nungen ist auch dann kaum mehr möglich bzw. sehr aufwendig, wenn die für die einzelnen Baustellen oder Lager gelieferten Materialien am Ende in einer Gesamtrechnung zusammengefasst werden. Eine leicht umsetzbare Verbesserung lässt sich dadurch erreichen, indem bei jeder Bestellung eine Kommissionsnum- mer bzw. Auftragsnummer mit angege- ben wird und diese auch dann bei den Lieferantenrechnungen entsprechend aufgeführt ist. In der Zusammenarbeit mit dem Liefe- ranten hat es sich als sehr unterstützend herausgestellt, wenn eine im Vorfeld schriftliche Abmachung getroffen wurde, nur noch Rechnungen zu akzeptieren, die einen Hinweis auf den konkreten Auftrag tragen. Je nach eingesetzter Software im Betrieb besteht die Möglichkeit bei vor- handenem Dokumentenmanagement jede Lieferantenrechnung bereits beim Posteingang dem zugehörigen Projekt zuzuordnen. Nicht selten wird bei den Ausschrei- bungen das einzusetzende Material vom Architekten vorgeschrieben bzw. ein Material „von gleicher Qualität“. Was heißt das denn jetzt in der kon- kreten Umsetzung und welche Folgen ergeben sich juristisch? Der Auftraggeber hat die Leistung so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sin- ne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. Vergleichbare Angebote liegen bei der Ausschreibung eines Richt- und Leitfabri- kats mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ nur vor, wenn der Auftraggeber bereits in der Leistungsbeschreibung klar und deutlich angibt, was er als gleichwertig einstuft. Die pauschale Forderung nach Gleichwertigkeit genüge nicht. Deshalb müsse für den Bieter klar erkennbar sein, welche Eigenschaften die Leistung unbe- dingt aufweisen müsse und bei welchen Merkmalen Abweichungen zugelassen sind. Der Auftraggeber muss also vorge- ben, wo Abweichungen in Material und Eigenschaft akzeptabel sind. Auf der anderen Seite muss ein Auftraggeber, der ausnahmsweise Pro- duktvorgaben mit dem (zwingenden) Zusatz „oder gleichwertig“ macht, von einem Bieter, der gleichwertige Produkte anbieten möchte, verlangen, bereits in seinem Angebot den Nachweis der Gleichwertigkeit der betreffenden Erzeugnisse zu erbringen. Begründet wird dies damit, dass andernfalls die Angebote der Bieter zum Zeitpunkt ihrer Beurteilung nicht alle denselben Bedingungen unterliegen würden. In den Leistungsverzeichnissen wird oft nur der abweichende Hersteller eines Produktes von dem Bieter eingetragen. Der Her- steller sagt nichts über die Produkteigen- schaften aus, sodass solche Angebote bei öffentlichen Ausschreibungen oft ausgeschlossen werden. Allerdings ist nicht jede Produkt- beschreibung, der bei der Erstellung eines Werks zu verwendenden Materi- alien als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen. Dies ist vielmehr danach zu entscheiden, ob sich feststellen lässt, dass der Besteller erkennbar großen Wert gerade auf die genaue Einhaltung der Leistungsbeschreibung legt. Verwendet der Unternehmer bei der Ausführung von Abdichtungsarbeiten nicht das als Abdichtungsbahn vereinbarte, sondern ein anderes Produkt, begründet das je- denfalls dann keinen Mangel des Werks, wenn das verwendete mit dem verein- barten Material technisch gleichwertig und im Einkaufspreis bis auf wenige Cent gleich teuer ist. Dies ergibt sich aus ei- nem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 10.07.2014 – VII ZR 310/13. Es schreibt für Sie: RA Andreas Becker Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Nienburger Str. 14a · 30167 Hannover Telefon: (0511) 1231370 Telefax: (0511) 12313720 E-Mail: info@becker-baurecht.de Internet: www.becker-baurecht.de Es schreibt für Sie: Diplom-Betriebswirt Wolfgang Krauß Seit über 25 Jahren in der betriebswirtschaftlichen Beratung von Handwerks­ betrieben tätig Kolbing 35 · 83556 Griesstätt Telefon: (08039) 9097220 Mobil: (0172) 7499102 E-Mail: wolfgangkrauss-beratung@ t-online.de Internet: www.beratungfuershandwerk.de www.die-erfolgswerker.de BETRIEBSWIRTSCHAFT Schützen & Erhalten · September 2020 · Seite 43

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