web_S&E_03_2020_ub
Schützen & Erhalten · September 2020 · Seite 70 Informationen des Bundesverbandes Feuchte & Altbausanierung e.V. BuFAS-News Teil 3 - Baubegleitende Qualitätsüberwachung: Wie weit darf, soll oder muss „man gehen“? von Ernst-August Münkel Nachfolgende Situation hat sicherlich jeder, der sich ab und an mit baubegleitender Qualitätsüberwa- chung, also BQÜ, beschäftigt, schon einmal erlebt: Man geht mehr oder weniger „in Gedanken“ durchs Objekt und prüft die Funktion der Fenster. Alle Fenster haben seitliche Schalter, um den Rollladen elektrisch hoch- oder runterfahren zu können. Alle bis auf eines. Dieses hat einen Schalter und eine Kurbel. Und man denkt: Ach ja, das ist das „anleiterbare“ Fenster. Beim streitgegenständlichen Ob- jekt hat man es sehr gut gemeint. Alle Verglasungen aus Verbund- sicherheitsglas, alle Rollläden aus Aluminium. Die Fenster, die nicht zu Balkonen gehören, haben ein feststehendes unteres Glasele- ment, so dass man als zu rettende Person nicht „unter“ den Rollladen greifen kann, um den „Panzer“ nach oben zu drücken. Es kam, was kommen musste: Ich fragte, welches Fenster anleiterbar geplant wurde. Zunächst folgten seitens des Bauträgers ungläubige Blicke. Ich erklärte folgendes Szenario: In einer Wohnung brennt es. Das Treppenhaus ist verqualmt. Die Feuerwehr rückt an und steht vor einem Haus, an dem alle Rollläden heruntergelassen sind. Der Tech- nikraum ist bei dem nicht unter- kellerten Gebäude von außen zu- gänglich. Die Feuerwehr stellt den Strom ab oder er fällt aus. Im Trep- penhaus hat sich der Brand eben- falls entwickelt, so dass nur über die Fenster „angegriffen“ werden kann. Die sind jedoch durch die Rollläden komplett verdeckt. Die Bewohner haben somit keinerlei Möglichkeit, sich als zu rettende Personen bemerkbar zu machen. Die Feuerwehrleute müssen sich demnach eine 8 Meter lange Lei- ter aus mehreren Teilen zusam- menstecken. Anschließend wird sie „im spitzen Winkel“ an die Wand angelegt. Ein Feuerwehrmann / eine Feuerwehrfrau steigt auf die Leiter und versucht, den Alumini- um-Rollladen aufzubrechen. Dabei gibt es keinen Griff, an dem man Halt finden kann, um das Brechei- sen mit der notwendigen Kraft zu versehen. Jeder, der mal eine 8-Meter-Leiter bestiegen hat, um an einer Fassade etwas zu mon- tieren, weiß, wie schwer es ist, bei einem spitzen Neigungswinkel der Leiter das Gleichgewicht zu halten, um Druck auf die Bohrmaschine ausüben zu können. Und: Nach dem Rollladen muss auch das mit einbruchshemmender Verglasung und einbruchshemmenden Be- schlägen versehene Fenster aufge- brochen werden. Da man bei der Ankunft nicht er- kennen kann, hinter welchem ge- schlossenen Rollladen eine Person auf die Rettung durch die Feuer- wehr wartet, muss auf Verdacht von jeder Wohneinheit mindestens ein Fenster auf diese Weise aufge- brochen werden. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustel- len, wie lange das dauern würde. Ich wies darauf hin, dass die Si- tuation aus meiner Sicht nicht in Ordnung sei und forderte den Bauträger auf, die Fenster, die laut Brandschutzkonzept anleiterbar sein müssen, entsprechend umzu- rüsten. Es war wenig überraschend, dass meine Aufforderung mit der Frage „Wo steht das denn geschrieben?“ beantwortet wurde. Wie oft hört man das als Bausach- verständiger. Entweder kann man die Frage direkt beantworten. An- dernfalls kann man darauf hinwei- sen, dass nicht immer alles irgend- wo geschrieben sein muss, um als allgemein anerkannte Regel der Technik zu gelten. Das oben be- schriebene Szenario ist eigentlich selbsterklärend, so dass es keiner textlichen Ausführungen bedarf. Aber leichter ist die Argumentati- on, wenn es wirklich irgendwo ge- schrieben ist. Also fängt man an zu suchen. Das Objekt befindet sich in Nieder- sachsen. Also folgt ein Blick in die NBauO (Niedersächsische Bauord- nung). Ich meine, eine Person muss „Wo steht das denn geschrieben?“
RkJQdWJsaXNoZXIy OTg3NzQ=