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Schützen & Erhalten · Dezember 2018 · Seite 92 Die Ex-Press Berufsinformation des DSV e.V. | Wissenswertes Schaben lieben Kot N atürlich erzählen wir nichts Neues, wenn wir behaupten, Schaben aggregieren. Also, sammeln sich in Ge- meinschaften und leben bevorzugt, wo bereits andere Schaben sind und kehren bei Streifzügen auf Futtersuche dorthin zurück, wo die anderen Schaben sind. Aber warum ist das so? Jetzt werden einige sagen „da gibt es doch Aggre- gationspheromone“. Okay, stimmt. Aber damit ist nicht alles erklärt. Oder vielmehr, es wäre zu einfach. Die Sache geht noch viel tiefer. Bei der Untersuchung von Mikroben werden immer mehr lebenswichtige Zu- sammenhänge erkannt. Wir etwa benöti- gen unsere Darmflora, um einen wesent- lichen Bestandteil an Vitamin B12 herzu- stellen. Ist das Gleichgewicht gestört, sind Blähungen an der Tagesordnung. Entzün- dungen, Ausschläge und Dermatosen können entstehen. Auch die Stimmung wird von den Bakterien beeinflusst. Bei Asseln spielen die kleinen Begleiter eine Rolle in der Geschlechtsausprägung. Nun wurde herausgefunden, dass die Mikro- ben im Darm von Deutschen Schaben che- mische Signalstoffe in den Kot abgeben. Das bedeutet, die vorhandene Darmflora beeinflusst die Kommunikation und da- mit das Verhalten der Schaben. Noch sind Ursache und Wirkung nicht vollständig erforscht. Aber man geht da- von aus, dass die von den Bakterien pro- duzierten Stoffe es den Schaben ermög- lichen, zunächst andere Schaben zu fin- den. Bevorzugt aber werden verwandte Schaben aufgesucht. Also die Familie. Bei Versuchen mit verdünntem Kot, wurde sogar der eigene Kot bevorzugt. Dieser hatte die höchste Attraktivität und führ- te dazu, dass Schaben im Suchverhalten aus größerer Entfernung einen Umweg zum eigenen Kot machten. Kot spielt bei Schaben in den nach- wachsenden Generationen, den Nym- phen, eine wesentliche Rolle. Die Sub- imagos fressen den Kot (Koprophagie) und nehmen dadurch wichtige Bakterien auf. Dies beschleunigt das Wachstum (im Vergleich zu sterilem Kot). Das gesellige Verhalten hilft, Sexpartner einfacher zu finden, Feinde zu vermeiden, Dehydration zu vermindern und ermöglicht auch eine einfachere Thermoregulation. Schräge Versuchsreihen mit Kot Biologen wären nicht die schrägen For- scher als die wir sie alle kennen und lieb- gewonnen haben, wenn nach diesen An- fangsergebnissen nicht ganze Testreihen mit Schaben angesetzt wurden. Soll hei- ßen, es gab Experimente mit Wahlver- suchen verschiedener Kotsorten. Darun- ter auch steriler Kot, also komplett ohne Bakterien. Für diese Variante interessier- ten sich die Schaben am wenigsten. Be- trachtet man die Bestandteile, ist steriler Kot deutlich weniger nahrhaft. Es fehlen wesentliche Fett- und Carbonsäuren. Nach mehreren Testreihen war klar, Deutsche Schaben (und sehr wahrscheinlich ande- re Arten auch) produzieren die Substan- zen die wir als Aggregationspheromone bezeichnen nicht alle selbst. Die Schaben werden zusätzlich von flüchtigen Karbon- säuren (volatile carboxylic acids = VCA) angezogen, die von Darmbakterien her- gestellt werden. Bei gesunden Schaben ließen sich im Kot etwa 40 verschiedene VCAs isolieren. Verschiedene Cocktails wurden ausprobiert und eine Mischung aus 6 VCAs war am erfolgreichsten. Na und, wo ist jetzt der Unterschied? Letztendlich kann es uns ja egal sein, wenn Lockstoffe nun von den Schaben direkt produziert werden, oder indirekt über Lebewesen im Darm. Hauptsache die Substanzen sind funktionierende At- traktantien und werden uns als Zusätze in Klebefallen angeboten. Nicht ganz. Zum Bildrechte: Baltazaren Schaben finden ihren Kot ausgesprochen attraktiv
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