Schützen & Erhalten - page 56

Schützen & Erhalten · März 2000 · Seite 56
SERVICE
Arbeits- und Sozialrecht
Sozialversicherungspflicht für
Scheinselbstständige
Der Bundesrat hat am 17.
Dezember 1999 das vom
Bundestag beschlossene
Gesetz zur Förderung der
Selbstständigkeit gebil-
ligt; die Neuregelungen
treten rückwirkend zum
1. Januar 1999 in Kraft.
Im folgenden Beitrag
können Sie die wesentli-
chen Neuerungen nachle-
sen.
Klarstellung der Fort-
geltung des Amtser-
mittlungsgrundsatzes
Mit der Einführung der ge-
setzlichen Vermutungsregelung
(§ 7 Abs. 4 SGB IV) am 1. Ja-
nuar 1999 war streitig gewor-
den, ob die Sozialversicherungs-
träger bereits bei Vorliegen von
zwei der vier in dem Katalog
genannten Kriterien eine bei-
tragspflichtige abhängige Be-
schäftigung annehmen konn-
ten (Vermutungsregelung),
oder ob auch weiterhin der im
Sozialversicherungsrecht veran-
kerte Amtsermittlungsgrundsatz
(§ 20 SGB X) Vorrang haben
solle, wonach der Sozialversi-
cherungsträger im Einzelfall das
Bestehen einer abhängigen Be-
schäftigung nachweisen muss.
Insbesondere auf Drängen der
Bundesvereinigung der Deut-
schen Arbeitgeberverbände
hatten die Spitzenverbände der
Sozialversicherungsträger in
einer gemeinsamen Verlautba-
rung vom 16. Juni 1999 an-
erkennen müssen, dass die Ver-
mutungsregelung nur dann
Anwendung finden kann, wenn
der prüfende Sozialversiche-
rungsträger die maßgeblichen
Umstände zur Beurteilung des
Vorliegens einer abhängigen
Beschäftigung nicht aufklären
kann.
Dieser Vorrang des Amtser-
mittlungsgrundsatzes wird nun-
mehr durch die folgende Neu-
fassung des § 7 Abs. 4 Satz 1
SGB IV durch den Gesetzgeber
klargestellt:
„(4) Bei einer erwerbsmäßig
tätigen Person, die ihre Mitwir-
kungspflichten nach § 206 des
Fünften Buchs Sozialgesetzbuch
oder nach § 196 Abs. 1 des Sech-
sten Buchs Sozialgesetzbuch nicht
erfüllt, wird vermutet, dass sie
beschäftigt ist, wenn mindestens
drei der fünf folgenden Merkmale
vorliegen:“
Danach ist die Vermutungs-
regelung nur noch bei solchen
erwerbsmäßig tätigen Personen
anzuwenden, die ihre gesetz-
lichen Mitwirkungspflichten
(Auskunfts- und Mitteilungs-
pflichten) nicht erfüllt haben.
Zu beachten ist allerdings, dass
die Vermutungsregelung bereits
dann Anwendung finden kann,
wenn lediglich der Auftragneh-
mer keine Meldungen abgibt,
der Auftraggeber jedoch ord-
nungsgemäß meldet. Dies ist
insoweit bedenklich, als der
Auftraggeber die Beitragshaf-
tung für die Sozialversiche-
rungsbeiträge tragen muss,
wenn sich herausstellt, dass ein
abhängiges Beschäftigungsver-
hältnis besteht.
Werden die Meldungen da-
gegen vom Auftragnehmer ab-
gegeben, so ist von dem So-
zialversicherungsträger allein
anhand dieser Meldungen zu
entscheiden, ob ein sozialver-
sicherungspflichtiges Arbeits-
verhältnis besteht oder nicht.
Auf die Kriterien der Vermu-
tungsregelungen kommt es
dann nicht mehr an.
Neufassung des Krite-
rienkataloges
Die bisherige Fassung des
§ 7 Abs. 4 SGB IV bestand aus
vier Kriterien. Waren min-
destens zwei davon erfüllt,
wurde das Vorliegen einer so-
zialversicherungspflichtigen Be-
schäftigung vermutet. Durch
die Neufassung wurden die bis-
herigen Kriterien inhaltlich
verändert sowie ein fünftes
Kriterium hinzugefügt. Die ge-
setzliche Vermutungsregelung
soll rückwirkend nur noch dann
eingreifen, wenn drei der fünf
Kriterien vorliegen.
Die Kriterien stellen sich
nunmehr im Einzelnen wie folgt
dar:
„1. Die Person beschäftigt in
Zusammenhang mit ihrer Tätig-
keit regelmäßig keinen versiche-
rungspflichtigen Arbeitnehmer,
dessen Arbeitsentgelt aus diesem
Beschäftigungsverhältnis regel-
mäßig im Monat 630 Deutsche
Mark übersteigt;“
Nach der alten Fassung war
Kriterium Nr. 1 erfüllt, wenn der
Auftragnehmer mit Ausnahme
von Familienangehörigen keinen
versicherungspflichtigen Arbeit-
nehmer beschäftigte. Nunmehr
kommt es darauf an, ob der Auf-
tragnehmer regelmäßig keinen
versicherungspflichtigen Arbeit-
nehmer beschäftigt, dessen Ar-
beitsentgelt aus diesem Beschäf-
tigungsverhältnis regelmäßig im
Monat 630 DM übersteigt. Die
vielfach als verfassungswidrig
kritisierte Nichtberücksichtigung
von Familienangehörigen ist
damit entfallen. Allerdings tritt
das Kriterium Nr. 1 – anders als
die sonstigen Neuregelungen –
erst zum 1. April 2000 in Kraft,
sodass die bisherige Fassung
dieses Kriteriums noch zu beach-
ten ist.
Hinsichtlich der Beschäfti-
gung von Arbeitnehmern ist
nach dem Wortlaut der Neure-
gelung davon auszugehen, dass
das Arbeitsentgelt von minde-
stens 630 DM von einem ein-
zelnen Arbeitnehmer erzielt
werden muss. Die Beschäfti-
gung mehrerer geringfügig be-
schäftigter Mitarbeiter, welche
zusammen mehr als 630 DM ver-
dienen, dürfte dagegen nicht
ausreichend sein.
„2. sie ist auf Dauer und im
wesentlichen nur für einen Auf-
traggeber tätig;“
1...,46,47,48,49,50,51,52,53,54,55 57,58,59,60
Powered by FlippingBook