Schützen & Erhalten - page 37

LESERBRIEFE
Im Rahmen der 18. Hanseati-
schen Sanierungstage, in diesem
Jahr unter der Thematik „Feuch-
teschutz“ in Heringsdorf/Usedom
stattfanden, sollte ganz großes
Kino geboten werden. Neueste Er-
kenntnisse über „Hydrophobierende
und/oder porenverschließende In-
jektionsmittel“
[1]
wurden
verspro-
chen… aber nicht gehalten!
Hauptdarsteller und gleichzeitig
Referent war das Vorstandsmitglied
des BuFAS e.V., Prof. Dr. tech. Mi-
chael Balak aus Wien, die Neben-
rolle besetzte Dr. Ing. Christian
Simlinger, Leobersdorf.
Der Vorhang öffnete sich und
es erschien die „ZMK“ Klinik für
Zahn- Mund- und Kieferheilkunde
in Wien. Prof. Balak erläuterte, dass
dieses Objekt während des kom-
pletten Drehs (Versuchsdauer) zur
Verfügung stand und „im Bereich
der gesamten Versuchsstrecke iden-
tisch“ war, also ein ideales Praxis-
objekt darstelle.
[2]
Anhand der prä-
sentierten Bilder war augenschein-
lich eine extreme Versalzung der
Gebäudeaußenwände erkennbar,
auf die aber im Rahmen des Mo-
vies (Vortrags) nicht weiter ein-
gegangen wurde. Die Ermittlung der
Feuchtigkeit infolge hygroskopi-
scher Salze wurde nicht erwähnt
und der hygroskopische Durch-
feuchtungsgrad fand keinerlei Be-
rücksichtigung in den Prüfergeb-
nissen. Die Prüfungen der Wirksam-
keit der Injektionsstoffe wurden am
Objekt dann wie folgt durchgeführt:
Zunächst wurden mit Hilfe von
Bewässern und Einsatz von Heiz-
stabtechnik die Mauerwerksbildner
auf 20%, 50% und 80% Durch-
feuchtungsgrad eingestellt. An-
schließend wurden „hydrophobie-
rende und/oder porenverschließen-
de Injektionsmittel“ drucklos oder
mit Druck in die vorbereiteten
Mauerwerkswände eingebracht. Die
Mauerwerksstärken mussten dem
Lichtbildvortrag entnommen wer-
den, da diese in der „One Man“
Vorstellung ebenfalls keine Erwäh-
nung fanden. Mit der „Gießkanne“
als drucklose Tränkung, wie auch
mit Injektionsflachen wurde das
Mauerwerk getränkt. Ebenso wur-
de neben dem Druckinjektionsver-
fahren mit Hohldocht- und Sprüh-
impulsverfahren injiziert. Abschlie-
ßend wurde oberhalb der Injekti-
onszone getrocknet, unterhalb
permanent gewässert. Die Überprü-
fung der Wirksamkeit fand mit dem
Darr-Verfahren statt, nachdem aus
der Injektionszone und unmittel-
bar oberhalb derselben acht Wo-
chen nach den Injektionen Bohr-
kerne entnommen wurden.
Die Bohrkerne wurden neben
ihres Feuchtigkeitsgehaltes auch in
Hinblick auf das Ausbreitmaß der
Injektionsstoffe überprüft. Die la-
borseitige Untersuchung der Wirk-
samkeit wurde ausschließlich an
konditionierten (DFG) und ver-
dämmten Ziegeln durchgeführt.
Dies hatte allerdings eher den An-
schein einer Impfung!
Dass hier ein unkontrollierter
Abfluss im Wandbildner der „ZMK“
stattgefunden hat, ist auf Grund der
Mauerwerksdicken > 50 cm (da ohne
Angabe! geschätzt mit dem Auge
eines Maurermeisters) mehr als er-
klärbar. Wenn wundert es also, wenn
im Prüfergebnis festgestellt wird, dass
„aufgrund der Inhomogenität der
Wandbildner von Altobjekten in Zu-
kunft Probeinjektionen vor Durchfüh-
rung umfangreicher Abdichtungsarbei-
ten durchgeführt werden sollten.“
[3]
Bravo, Herr Prof. Balak, mit dieser
Feststellung kann ich nur sagen,
„Willkommen im Klub!“
Doch nun mal Hand auf ’s Herz:
„Hat das mit „Neuesten Erkennt-
nissen“ auch nur annähernd etwas
zu tun? Hätten unsere Darsteller
im Rahmen der Voruntersuchungen
oder spätestens während der Bohr-
arbeiten festgestellt, dass derar-
tig dicke Mauerwerke Fehlstellen
im Inneren aufweisen, hätte zur
Hohlraumverfüllung nahtlos über-
gegangen werden müssen. Späte-
stens eine Probeinjektion hätte
gezeigt, dass für die Niederdruck-
injektion der notwendige Druckauf-
bau überhaupt nicht aufgebaut
werden konnte. Der Laie staunt,
aber der Fachmann wundert sich
vor diesem Hintergrund keineswegs
über ein Prüfergebnis, das besagt,
dass
„Injektionen zur nachträglichen
Horizontalabdichtung von Mauer-
werk … bei einem Durchfeuchtungs-
grad von 80% nicht wirksam, bei
einem Durchfeuchtungsgrad von
50% bereits problematisch“
sind.
[4]
Diese vorgestellten Ergebnisse
und Erkenntnisse sind den Zuschau-
ern (anwesenden Teilnehmern) der
Hanseatischen Sanierungstage
schon langjährig aus Österreich
bekannt. Was die meisten allerdings
verwunderte ist die Tatsache, dass
derartig beschriebene nachträgliche
Injektionen von Mauerwerken ge-
gen kapillare Feuchtigkeit genau mit
denselben geprüften Injektionsstof-
fen im Rahmen eines EU Projektes
in Wismar unmittelbar vorher er-
folgreich getestet wurden. Die Prü-
fungen wurden von zahlreichen im
Verband beheimateten Ausführungs-
betrieben und Produktherstellern
durchgeführt. Die Prüfungen wur-
den vom Dahlberg Institut über-
wacht, die positiven Prüfergebnis-
se auf den vorangegangenen Sanie-
rungstagen vorgestellt. Ebenso
erfolgreich wird derzeit in den Prüf-
instituten zur Zertifizierung von In-
jektionsstoffen nach WTA Merkblatt
4-4-04/D geprüft.
Also ehrlich – hoch oben an
der Ostsee klappt‘s –, aber nicht
in Österreich?
Es wird daher niemanden ver-
wundern, dass in der anschließen-
den Pause dieser Dreh für reich-
lich Gesprächsstoff sorgte. Ich bin
zu dem Entschluss gekommen, dass
der Untertitel dieser Vorstellung
nicht „Neuste Erkenntnisse“ son-
dern
„…denn sie wissen nicht,
was sie tun“ hätte heißen müs-
sen.
[1]
Balak, M. und Simlinger, C:
Hydrophobierende und/oder porenver-
schließende Injektionsmittel – Endbe-
richt – 1. Forschungsjahr, gefördert
durch die FFG Forschungsförderungs-
gesellschaft, Wien
[2]
Balak, M. und Simlinger, C
Nachträgliche Horizontalabdichtung von
Mauerwerk mittels Injektionsverfahren
– neueste Erkenntnisse, Forum Altbau-
sanierung 1, Feuchteschutz,
ISBN 978-3-4410-16652-8
ISBN 978-3-8167-7452-5
[3]
siehe zuvor, 4 Zusammenfassung und
Ausblick
[4]
wie zuvor
[5]
siehe unter
Cetifikation
Injektionsstoffe
Bildnachweis:
siehe 2, „Injektionsmitteleinbringung
in die Mauerziegel über die Injektions-
bohrlöcher“
Schützen & Erhalten · Dezember 2007 · Seite 37
Ganz großes Kino:
Nachträgliche Horizontalabdichtung von Mauerwerk mittels
Injektionsverfahren – „Neueste Erkenntnisse“ oder
„…denn sie wissen nicht, was sie tun“
Wie immer gut besucht waren auch in diesem Jahr die Hanseatischen
Sanierungstage, die vom 8.–10. November 2007 erstmals in ihrer 18-jährigen
Geschichte auf der Insel Usedom stattfanden.
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