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RECHTSBERATUNG Es schreibt für Sie: Rechtsanwalt Udo Küllertz Ricarda-Huch-Straße 1 · 41749 Viersen Telefon: (02162) 7212 Telefax: (02162) 77313 E-Mail: rechtsanwalt@kuellertz.de Internet: www.rechtsanwalt-kuellertz.de Schützen & Erhalten · März 2022 · Seite 32 Kein Arbeiter auf der Baustelle: Auftraggeber kann fristlos kündigen! OLG Celle, Urteil vom 29.09.2021 – 14 U 149/20 (nicht rechtskräftig) BGB § 648a; VOB/B § 5 Abs. 3, 4, § 6 Abs. 3, § 8 Abs. 3 E ine Fristsetzung mit Kündigungs- androhung ist dann nicht erfor- derlich, wenn sich das Verhalten des Auftragnehmers als schwere Ver- tragsverletzung darstellt. Problem/ Sachverhalt Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) unter Einbeziehung der VOB/B mit der Ausführung von Tro- ckenbauarbeiten. Die Arbeiten sollen innerhalb von 48 Werktagen nach Aus- führungsbeginn abgeschlossen sein. Kurz nach Beginn der Arbeiten zeigt der AN berechtigt Behinderung wegen fehlender Fertigstellung eines Vorgewerks an. Nach Wegfall der Behinderung setzt der AN die Arbeiten erst auf eine Mahnung des AG fort, stellt sie dann aber wieder ohne Begründung ein. Anschließend meldet der AN erneut Behinderung mit der Begründung an, der AG habe einen streitigen Nachtrag nicht beauftragt. Der AG weist den Nachtrag als nicht prüfbar zurück und fordert den AN erfolglos zur Begründung auf. Anschließend mahnt der AG den AN wiederholt, die Arbeiten zu fördern, da der AN die Baustelle zeitweise über Wochen nicht besetzt. Der AG weist darauf hin, dass Vorgewerke behindert werden und der Gesamtfertigstellungstermin in Gefahr sei. Insgesamt mahnt der AG den AN sechs Mal schriftlich. Mit seinem letzten Mahnschreiben vom 16.11.2016 setzt er Fristen für einzelne Leistungen und eine weitere Frist bis zum 21.11.2016, die Anzahl der eingesetzten Arbeiter zu erhöhen und zu erklären, die gesetzten Einzelfristen einhalten zu können. Für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Fris- ten droht der AG die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund an. Die gesetzten Fristen verstreichen fruchtlos. Am 14.12.2016 kündigt der AG außer- ordentlich aus wichtigem Grund. Der AN macht aus seiner Schlussrechnung knapp 70.000 Euro gerichtlich geltend. Der AG erhebt Zwischenfeststellungswi- derklage mit dem Antrag festzustellen, dass seine Kündigung eine berechtigte außerordentliche Kündigung aus wich- tigem Grund war. Das Landgericht gibt ihm per Teilurteil Recht. Der AN legt Berufung ein. Entscheidung Ohne Erfolg! Die außerordentliche Kündigung des AG ist gem. § 8 Abs. 3 i.V. m. § 5 Abs. 4 VOB/B begründet. Der AN befand sich in Verzug. Ferner ist ihm eine grobe Vertragsverletzung vorzuwerfen. Darüber hinaus hat er die vom AG zulässigerweise gesetzten Einzelfristen gemäß Schreiben vom 16.11.2016 fruchtlos verstreichen lassen. Die unstreitigen bauseitigen Verzögerungen zu Beginn der Arbeiten führten nicht dazu, dass die vertragliche Leistungszeitvereinbarung vollkommen wegfiel und der AN an keine Leistungs- zeit mehr gebunden war. Die vertragliche Leistungszeit hat sich vielmehr gem. § 6 Abs. 2 Nr. 1 a VOB/B verlängert (BGH, Ur- teil vom 21.10.1982 - VII ZR 51/82). Die Arbeiten hätten daher bereits bis zum 15.09.2016 abgeschlossen sein müssen. Für die außerordentliche Kündigung war im vorliegenden Fall eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung nicht einmal erforderlich, da dem AN eine besonders schwere Vertragsverletzung vorzuwerfen ist (BGH, Urteil vom 06.02.1975 - VII ZR 244/73; Urteil vom 23.05.1996 - VII ZR 140/95, IBRRS 2000, 0487). Über erheb- liche Zeiträume waren keinerlei Arbeiter des AN auf der Baustelle. Auf mehrere Mahnschreiben des AG reagierte der AN nicht einmal. Der AG war auch befugt, Einzelfristen zu setzen, auch wenn dies im Vertrag nicht vorgesehen war (OLG Stuttgart, IBR 2007, 416). Praxishinweis Aufgrund des wiederholt erheblichen vertragswidrigen Verhaltens des AN liegt die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung unabhängig von der Fristset- zung mit Kündigungsandrohung auf der Hand. Im Urteil nicht thematisiert: Der Auftraggeber sollte bei beabsichtigter außerordentlicher Kündigung unbedingt die Ausübungsfrist gem. § 648a Abs. 3 BGB i.V. m. § 314 Abs. 3 BGB im Blick behalten und sich dabei vorsorglich an der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs.2 BGB orientieren (Kniffka/Jurgeleit/ Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 15.11.2021, § 648 Rz. 21). (© id Verlag) Foto: evening_tao/Freepik,com
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