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Schützen & Erhalten · Dezember 2021 · Seite 28 FACHBEREICHE I SACHVERSTÄNDIGE Radon – Eine neue Herausforderung für Bauausführende, Planer und Sachverständige R adon 222, in der chemischen Schreibweise 222Rn (im Weiteren als Radon bezeichnet), ist das stabilste der natürlich auftretenden Radoni- sotope. Es entsteht durch den Zerfall des Elements Radium und hat eine Halbwertszeit von etwa 3,8 Tagen. Radon ist ein farbloses, geruchloses, unsichtbares Edelgas. Es ist somit weder sensorisch wahrnehmbar noch als Edel- gas über chemische Reaktionsanzeigen nachweisbar. Aber es ist radioaktiv: Es zerfällt unter Abgabe eines Heliumkerns – ein sog. Alpha-Zerfall – zu Polonium 218. Dieser Zerfallsmoment ist mittels entsprechender Messgeräte detektierbar und kann über Geigerzähler hörbar gemacht beziehungsweise mit entspre- chenden Messgeräten gezählt werden. Radon wurde um 1900 entdeckt. Die gesundheitlichen Folgen der Ra- donexposition wurden, ohne dass die beschreibenden Wissenschaftler der Renaissance – Nostradamus und Georgi Agricola – von diesem Element wussten, bereits im Mittelalter beschrieben. In den Schneeberger Bergwerken und in anderen Gruben des Erzgebirges litten die Bergleu- te an einer Lungenkrankheit, die sich in ihrer Symptomatik von den sonst üblichen Lungenleiden der Bergleute an anderen Standorten unterschied. Diese Krankheit erhielt die Bezeichnung „Bergsucht“. Im 19. Jahrhundert nannte man sie auch die „Schneeberger Krankheit“. Nach der Entdeckung des Elements 1900 durch den deutschen Physiker Friedrich Ernst Dorn wurde bald auch klar, dass Radon die Ursache der Schneeberger Krankheit war. Im gleichen Zeitraum wurde die Radon- therapie als Bad-, Luftbad- und Trinkkuren an diversen Orten angeboten und führte zu einem Aufschwung der Kurbetriebe und Kurstädte. Vielleicht der Grund dafür, dass die gesundheitskritischen Aspekte nur in Fachkreisen diskutiert wurden. Mit dem atomaren Wettrüsten nach dem 2. Weltkrieg und der fieberhaften Suche nach Fundstätten für waffen- fähiges Uran und dessen Gewinnung wurden die gesundheitlichen Folgen der Exposition gegenüber Radon immer deutlicher. Das führte zunächst zu Ar- beitsschutzvorgaben im Uranbergbau und der Uranverhüttung. Nach dem Ende des kalten Krieges und der deut- schen Wiedervereinigung 1989 begann die Aufarbeitung des strahlenden Erbes der Deutschen Demokratischen Republik. Im Zuge dessen wurden umfangreiche Untersuchungen und Studien zu den Gesundheitsgefährdungen durch Radon gemacht unter anderem auch Untersuchungen zu niederschwelligen Expositionen über lange Zeiträume, wie sie in Wohnräumen und an Arbeits- plätzen in Innenräumen auftreten. Zu dieser Zeit wurden die Arbeitsschutz- vorschriften für die Arbeitnehmer in der Trinkwassergewinnung im Hinblick auf Radonschutzmaßnahmen erweitert. Mit der Veröffentlichung des „Handbook of Indoor Radon“ durch die WHO 2009 und der darin enthalten Empfehlung die Radonexposition in Aufenthaltsräumen sofern möglich auf unter 100 Bq/m³ im Jahresmittel zu begrenzen, wurde Radon globalpolitisch. Mit der 2013 in Kraft getretenen EURATOM Richtlinie und dem darin enthaltenen Referenzwert (Jahresmittelwert) von 300 Bq/m³ in der Innenraumluft von Aufenthaltsräumen und an Arbeitsplätzen in Innenräumen verpflichtete die EU die Mitgliedsstaaten der EU zur Umsetzung der Inhalte in nationales Recht bis Ende 2018. Für die Bundesrepublik Deutschland erfolgte dies gerade noch rechtzeitig. Der Schutz vor einer überhöhten Radonexposition (> Referenzwert von 300 Bq/m³ im Jahresmittel) in Aufenthaltsräumen und an Arbeitsplätzen in Innenräumen wurde in die novellierten Regelungen des Strahlenschutzgesetzes und der Strahlenschutzverordnung integriert. Seit dem 01.01.2019 müssen Neubauten im gesamten Bundesgebiet radondicht erstellt werden, wobei es sich der Gesetzesgeber einfach gemacht hat und die widerlegbare Annahme getrof- fen hat, dass ein nach den Richtlinien des Feuchteschutzes errichtetes Bauwerk als ausreichend radondicht anzusehen ist. In den bis Ende 2020 durch die Bundesländer auszuweisenden Radon- vorsorgegebieten (noch nicht in allen Bundesländern erfolgt) müssen darüber hinaus Zusatzmaßnahmen getroffen werden, die das Bauen durchaus teurer machen, als es ohnehin schon ist. Für Baumaßnahmen im Bestand hat der Gesetzgeber im §123 Abs. 4 Strahlenschutzgesetz schon fast lyrisch formuliert: „Wer im Rahmen der baulichen Veränderung eines Gebäudes mit Aufenthaltsräumen oder Arbeitsplätzen Maßnahmen durchführt, die zu einer erheblichen Verminderung der Luftwech- selrate führen, soll die Durchführung von Maßnahmen zum Schutz vor Radon in Betracht ziehen, soweit diese Maßnahmen erforderlich und zumutbar sind.“ Die Regelung gilt bundesweit und trifft auf so gut wie jede energetische Sanierung zu. Diese Maßnahmen sind für Gebäude mit Arbeitsplätzen in Innenräumen in Radonvorsorgegebieten verpflichtend, hinzu kommt in diesen Gebieten für eben solche Gebäude eine Messpflicht der Ra- donexposition an den Arbeitsplätzen, die bis Ende 2022 abgeschlossen sein muss. Bei Überschreitung des Referenzwertes Es schreibt für Sie: Dipl.-Ing. (FH) Marc Ellinger Bläsiweg 2 · 79872 Bernau Telefon: 07675-929950 E-Mail: ing.ellinger@online.de

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