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 Schützen & Erhalten · Dezember 2021 · Seite 30 Es schreibt für Sie: Dr. rer. nat. Constanze Messal Fachbereichsleiterin Schimmelpilze Schutower Ringstraße 6 · Gebäude S29 18069 Rostock Telefon: (0381) 637-28280 Telefax: (0381) 637-28281 E-Mail:  messal@dhbv.de FACHBEREICHE I SCHIMMELPILZE Wie effektiv sind Mikroorganismen? Nutzen und Grenzen von Mikrobenreinigern in der Sanierung von Schimmelschäden S ie verbessern den Boden, reinigen die Toilette oder entkeimen Kühl- schmierstoffe. Sie bilden schützende Biofilme und vertreiben Fäkalkeime, machen Gemüse haltbar oder Jogurt. Ganz ohne Chemie. Das klingt toll, ist nachhaltig, ökologisch und gibt ein gutes Gefühl. Die Rede ist von Effek- tiven Mikroorganismen. Das ist grundsätzlich erstmal nichts Neues. Lebensmittel werden seit Jahrtau- senden entweder spontan (natürlich an- haftende Keime an der Weintraube) oder durch Zugabe spezieller Kulturen (Bierhe- fe) fermentiert: Sauerkraut, Kombucha, Jogurt, Sauerteig, natürlich Wein und Bier. Vieles, vieles mehr. Dabei werden Kohlenhydrate durch die Enzyme der Mi- kroorganismen abgebaut, es entstehen neue Verbindungen, die geschmacklich attraktiv oder auch psychoaktiv sind wie bei der alkoholischen Gärung. Nebenef- fekt der neuen Leckereien: Wasser- und Kohlenhydratgehalt sinken, Kohlendioxid oder Alkohol reichern sich an. Das führt dazu, dass die Lebensmittel von weite- ren Mikroorganismen nicht mehr oder schlechter verwertet werden können. Nicht zuletzt, weil durch Kohlendioxid, Säurebildung oder Alkoholgehalt eine gewisse biozide Behandlung (Konser- vierung) erfolgt ist. Ein weiterer Effekt ist, dass durch die Dominanz der Fer- mentierer andere (Schad)-Organismen keine Durchsetzungschance bekommen. Das Lebensmittel ist also länger haltbar. Solange das System funktioniert. Irgend- wann schimmelt auch das Sauerkraut. Der Jogurt kippt um. Die luftgetrocknete Salami wird schleimig… Die positiven Erfahrungen aus der Konservierung von Lebensmitteln will man sich auch für andere Bereiche zu Nutze machen. Das ist verständlich und scheint eine clevere Idee. Da Mikroor- ganismen als natürlicher Bestandteil unserer Umwelt sowieso an zahlreichen Prozessen beteiligt sind, nämlich als Besiedlung in Form von Biofilmen auf mehr oder weniger allen Oberflächen, macht es Sinn, schädliche Besiedlungen einfach durch schützende zu ersetzen. Wenn das bei der Darmsanierung klappt, müsste es doch bei Fäkalschäden oder der Schimmelsanierung funktionieren! Oder? Nachgewiesener Nutzen oder Humbug? Der Begriff Effektive Mikroorganismen wurde in den 80er Jahren durch Teruo Hiro (1) geprägt, der als Professor für Bo- denkunde mit diversen Mikroorganismen experimentierte, um den Ertrag zu ver- bessern. Dabei nahm er ein sog. Bokashi, eine Art Grundnährstoff (meist Melasse) und setzte die Mikrobenstammlösung (auch Urlösung genannt) hinzu. Die dabei entstehende Suspension wird als Effektive-Mikroorganismen-Aktiv (EM-a) bezeichnet und kann nun ausgebracht oder versprüht werden. Hiros Studien ergaben eine deutliche Verbesserung des Ertrags, die dabei wirksamste Mischung aus Milchsäurebakterien, der Bierhefe Saccharomyces cerevisiae und grünen Bakterien ließ er sich patentieren. Dabei wurde vermutet, dass durch die Fermen- tierung freigesetzte Nährstoffe für die Ertragserhöhung ursächlich seien. Aller- dings musste er später zugeben, dass die Ergebnisse nicht reproduzierbar waren und nachfolgend auch in internationalen Studien nicht bestätigt wurden (2, 3). Dem Siegeszug der Effektiven Mi- kroorganismen stand dieser Umstand jedoch nicht im Wege. Und mittlerweile können sie sogar mehr als nur düngen. Sie können eigentlich alles und retten nebenbei die Welt. Daher gibt es auch zahlreiche Anbieter, die ihre Produkte mit teilweise esoterisch durchgefärbten Erläuterungen bewerben. Im Wesentli- chen tauchen hierbei die folgenden drei Theorien (Zitate von Herstellern) immer wieder auf. Zitat Nr. 1: Das Antioxidationsprinzip: Die in EM vorkommenden aufbauenden und regenerativen Mikroorganismen produzieren Antioxidantien und fördern reduktive Stoffwechselprozesse. Anti- oxidantien verlangsamen und stoppen oxidative Prozesse, wie z.B. frühzeitige Alterung und Rost. In der heutigen Zeit nimmt die Oxidation überhand, so dass es umso dringlicher wird, einen Weg zu- rück zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Oxidation und Reduktion zu finden. Einseitige oxidative Prozesse füh- ren zu einer Zunahme der Entropie, die Zerstreuung von Energie in immer ener- gieärmere Formen, durch Verbrennung, Oxidation, Fäulnis und Verschmutzung. Es bedarf starker Kräfte, wenn dieser Vorgang aufgehalten bzw. umgekehrt werden soll. Die fermentativen und anti- oxidativen Eigenschaften von EM leisten dazu einen großen Betrag. Beispiele für die Umkehrung der Entropie durch EM finden sich bereits in der Landwirtschaft, der Kompostierung, der Müllentsorgung, dem Lebensmittelsektor und dem Bau- gewerbe (4). Das muss man sich wohl genauer anschauen. Zunächst die physikalische Sicht: Entropie beschreibt den Zustand der Unordnung (Durchmischung) in einem System, dabei laufen alle spontan ablaufenden Prozesse unter Entropieer- höhung ab. Das bedeutet ganz einfach, dass warmes Wasser bei Kontakt mit kaltem Wasser abkühlt und nicht das kalte noch kälter wird. Was immer auch in einem System an energetischen Pro- zessen spontan abläuft, führt dazu, dass die Entropieänderung immer größer bzw.
        
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