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Schützen & Erhalten · Dezember 2016 · Seite 68 Die Ex-Press Berufsinformation des DSV e.V. | Branchenthema Lockstoffe in der Zulassung Was ist eigentlich ein Biozid? Diese Frage was ein Biozid ist, scheint ei- gentlich klar, sofern man das Wort in seine Be- standteile zerlegt und deren ursprüngliche Be- deutung zu Grunde legt. Bios das Leben und caedere für töten. Demnach wären Biozide nach unserem und dem umgangssprachlichen Verständ- nis solche Substanzen, die irgendetwas abtöten. Natürlich haben ein Gesetzgeber und dieje- nigen, die Rechtstexte formulieren, eine ganz eigene Wahrnehmung und Auslegung von solchen Dingen. Zunächst hat man sich in Brüssel zusam- mengesetzt um ALLE Stoffe zu registrieren und zu bewerten. Dazu wurde die REACH-Verordnung geschaffen. Hier sind die Stoffe (= eine Einzel- substanz) und je nach Gefährlichkeit reguliert. Davon abgegrenzt gibt es Biozide. Das sind Stoffe oder Gemische die dazu bestimmt sind, anders als physikalisch (= mechanisch) Schadorganis- men zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen oder zu bekämpfen. Dies ist in Artikel 3 (1)a) der EU 528/2012 (umgspr. Biozidverordnung) klar definiert. Im An- hang V der Verordnung werden die Produktarten noch mal genauer definiert. Für die Produktart 19 lesen wir dort „Repellentien und Lockmittel.“ Wer sich also bis hierher noch Hoffnung gemacht hatte, die Attraktantien seien nicht gemeint, ist im Irrtum. Also ist allen Marktteilnehmern schon relativ lange klar, dass Lockstoffe als Bi- ozide zuzulassen sind. Auch Lockmittel in Lebensmittel- qualität zulassungspflichtig ABER bisher sind alle davon ausgegangen, dass es sich bei den verwendeten Lockstoffen um Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten han- delt und deshalb diese nicht zuzulassen sind. Vom Gesetzgeber werden die lockenden Stoffe jedoch als aktive Substanz im Sinne eines Bi- ozids bezeichnet. Das ist gelinde gesagt min- destens bizarr. Lediglich für einige Mittel gibt es nach Artikel 25 im Anhang 1 der Verordnung ein vereinfachtes Zulassungsverfahren sofern die aktive Substanz (lockend oder vertreibend) dort aufgeführt ist. Aufgeführt sind z. B. Minzöl, Lavendel und Essigsäure (= Essig). Seit 2012 wurden allerdings erst 15 Produkte zugelassen, die alle denselben Wirkstoff DEET (Diethyltoluamid) enthalten. Andere Repellen- tien oder gar Lockstoffe sind bisher nicht zu- gelassen (Stand November 2016, gemäß Home- page BAuA). Seit dem Sommer wird eine Frist kommuniziert, die wir bis zum Redaktionsschluss noch nicht validieren konnten: Bis zum 01.April 2017 müssen alle Produkte der Produktart 19 zu- gelassen sein. Dann dürfen vor diesem Datum hergestellte, nicht zugelassene Produkte noch 6 Monate abverkauft werden. Also ist am 01. Oktober 2017 Schluss mit nicht zugelassenen Lockstoffen oder Repellentien. Durch Bekämpfung entsteht ein Biozid Die CA-Kommission der ECHA, die mit Vertre- tern der Mitgliedsländer regelmäßig tagt, hat in einer Sitzung im Sommer 2016 darüber entschie- den, dass eine Abgrenzung zum Biozid dadurch entsteht, ob Lockstoffe zur Überwachung (Moni- toring) verwendet werden oder zur Bekämpfung. Auch dadurch fühlte sich unsere Branche rela- tiv lange sicher, da für uns viele Arbeitsmittel klar dem Monitoring dienen und sich nicht zur Bekämpfung eignen. Das Problem entsteht al- lerdings dadurch, dass dieselben Produkte oder ähnliche Produkte mit den selben Lockstoffen/ Repellentien als Konsumerprodukte angeboten werden und dort als bekämpfend ausgelobt wer- den. D.h., irgendwo in der EU schreibt einer auf seinen Fliegenfänger oder auf seine Fruchtflie- genfalle, dass durch Aufhängen seiner Vorrich- tungen das Problem eliminiert, also bekämpft wird und schon wird daraus in der professio- nellen Anwendung, in der Nutzung durch den gewerblichen Schädlingsbekämpfer, ein Biozid. Substanzen zum Monitoring sind kein Biozid Also, wenn wir nur Monitoring machen, so sind z.B. Klebefallen kein Biozid. Wenn wir aber etwa Motten mit der Verwirrungstaktik anlocken, so ist dies bekämpfend und muss als Biozid zu- gelassen werden. Wir sind skeptisch ob sich der damit verbundene Aufwand für die bekannten Produkte lohnt. Wir gehen davon aus, dass diese Produkte im nächsten Jahr wegbrechen werden. Dies ist eine völlig dramatische und im Sinne von Innovation, im Sinne von Schutz von Um- welt und Verbrauchern völlig kontraproduktive Entwicklung. Zumindest geht der Kelch etwas an den Schädlingsbekämpfern vorbei. Wir können Schäd- linge mit Lebensmittel anlocken. Wenn wir Le- bensmittel im Handel kaufen und damit unse- re Fallen beködern, sind die Attraktantien kein Biozid. Kaufen wir jedoch dieselben Substanzen im gut sortierten Fachhandel zum Zweck der Schädlingsbekämpfung, dann wird das Lebens- mittel zum zulassungspflichtigen Biozid. Selbst wenn man seitens der Industrie eine Haselnus- screme zulassen wollte, würde die Anfrage beim Lebensmittelkonzern nach der aktiven Zutat (die Lockstoffkomponente im Sinn der Biozidverord- nung) etwas für Verwirrung sorgen. Keiner fühlt sich so richtig zuständig Unsere Gesprächspartner bei den Behörden zucken mit den Schultern und formulieren ins Unreine, am besten solle unsere Branche nicht so genau nachfragen, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Im Übrigen sei man nicht zuständig. Das ist die generelle Schwierigkeit in Deutsch- land: denjenigen zu finden, der zuständig ist. Oder sich zumindest zuständig fühlt. Bei den Lockstoffen und Vergrämungsmitteln hat unsere Branche ein unnötiges, aber leider auch völlig ungelöstes Problem, das nächstes Jahr auf uns zukommt. Dann werden wir unse- re im Supermarkt gekauften Lebensmittel und Lockstoffe wieder selber in Köderstationen aus- bringen müssen. A.B. Fliegenfänger wird durch seine bekämpfende Wirkung zum Biozid sobald er nicht nur physikalisch wirkt, sondern auch eine Lockstoffkomponente im Kleber oder Papier hat. Haselnusscreme als Lebensmittel gekauft, bleibt Lebensmittel auch in der bekämpfenden Schlagfalle. Als Lockstoff für Nager gekauft, wird die Creme zulassungspflichtig.

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