S&E Glossary

So gibt es für durchaus ähnlich gelagerte Fälle unterschiedliche Urteile verschiedener Gerichte. Die bei gerichtlichen Auseinan- dersetzungen eingeschalteten Sachverständigen sind neben der Ursachenbeurteilung des Schadens v.a. mit der Fragestel- lung betraut, in wessen Verant- wortungsbereich aufgetretene Schäden liegen, d.h., ob die Entstehung des Schadens auf bauliche Fehler und/oder auf fehlerhaftes Nutzerverhalten (Lüftungs- und Heizverhalten, falsche Möblierung, Wahl fal- scher Beschichtungen, Anstri- che und Tapeten, etc.) zurück- zuführen ist. Grundsätzlich gilt hierbei, dass die Beweislast auf Seiten des Vermieters liegt. Er muss also nachweisen, dass die Schadensursache im unmittel- baren Einflussbereich des Mie- ters liegt und die Bausubstanz nicht für den Eintritt von Feuch- tigkeit ins Mauerwerk verant- wortlich ist. Hat der Vermieter diesen Beweis erbracht, kann nachfolgend der Mieter versu- chen, sich hinsichtlich der Ver- ursachung und Verschuldung des Schadens zu entlasten. Für die Klärung der Ursachen eines aufgetretenen Feuchte- schadens mit daraus resultieren- dem Schimmelbefall ist es sinn- voll, wenn sich die beiden Parteien (also auf der einen Seite der Mieter und auf der an- deren Seite der Vermieter, Eigentümer oder Bauträger) ge- meinsam einen Sachverständi- gen aussuchen, um zu verhin- dern, dass dieser von der jeweils anderen Seite als parteiisch ab- gelehnt wird. So lassen sich unnötige Kosten von vornher- ein einsparen. Grundsätzlich wird zwischen einem Privatgut- achten (Abschließen eines Werk- vertrags) und einem Gerichts- gutachten (Gutachter kann von der beantragenden Partei dem Gericht vorgeschlagen werden, das Gericht ist aber nicht an den Vorschlag gebunden) unter- schieden. Als problematisch erweist sich bei der Rechtssprechung häufig, dass sichere bauphysi- kalische Erkenntnisse teilweise vor Gericht nicht in die Urteils- findung miteinbezogen werden. Zum Thema richtiger Wand- abstand von Einrichtungsgegen- ständen vor Außenwänden bei- spielsweise spricht das LG Berlin das Urteil, „dass es dem Mie- ter nicht zuzumuten ist, auf das Aufstellen von Möbeln an Au- ßenwänden zu verzichten, wenn er einen Wandabstand von we- nigen Zentimetern einhält.“ Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt das LG Hamburg, denn „zur Gebrauchstauglichkeit ei- nes Wohnraums zählt, dass er in üblicher Art und mit handels- üblichen Möbeln eingerichtet werden kann“. Wie bereits oben erwähnt, liegt bei diesen Urteilen jedoch eine Diskrepanz zwischen der Rechtssprechung und den bau- physikalischen Erkenntnissen vor, die nämlich eindeutig be- weisen, dass insbesondere Au- ßenwände, vor die Einrichtungs- gegenstände mit weniger als zumindest 10 cm Abstand ge- stellt werden, weder genügend erwärmt noch ausreichend be- lüftet werden können. Auszüge aus weiteren Urtei- len verschiedener Gerichte sol- len zeigen, wie unterschiedlich und einzelfallabhängig mit der Problematik Schimmelpilzbefall juristisch umgegangen wird. Ein Baumangel und kein fehlerhaf- tes Lüftungsverhalten des Mie- ters liegt demnach gemäß ei- nes Urteils des LG Bochum vor, wenn „in einem Bad Feuchtig- keitsschäden und Schimmelpilz- bildungen auftreten und dieses lediglich über eine Innenlüf- tung/Zwangsentlüftung verfügt. Der Vermieter muss das Bad so herrichten, dass der Mieter du- schen kann, ohne dass sich Schimmelpilz an den Wänden bildet.“ In gewissem Wider- spruch dazu kommt das LG Mün- chen zu dem Urteil, dass „das Auftreten von Schimmel die typische Folge von Kondenswas- serbildung und daher aufgrund bauphysikalischer Gesetze der erste Anschein dafür ist, dass ein fehlerhaftes Heizungs- und Lüftungsverhalten ursächlich ist.“ Auch in der grundsätzlichen Fragestellung, ob Schimmelpilz- bildung im Verantwortungsbe- reich des Mieters oder Vermie- ters liegt, gibt es verschiedene Meinungen, so urteilt das OLG Celle, dass „feuchte Wände und Schimmelflecke immer Mängel der Mietsache sind.“ Anders sieht dies das LG Lübeck und urteilt, dass „oft eine Kombi- nation von Baumangel und ei- nes Fehlverhaltens des Mieters vorliegt. Dann verringert das Fehlverhalten des Mieters sei- nen Anspruch auf Mietminde- rung.“ Nahezu einig urteilen ver- schiedene Gerichte darüber, dass der Vermieter nach dem Einbau neuer, dichterer Fenster dazu verpflichtet ist, den Mieter auf die Notwendigkeit eines geän- derten Lüftungsverhaltens hin- zuweisen. Beispielsweise kommt das LG Gießen zu dem Urteil, dass „selbst wenn der Mieter nach dem Einbau neuer Isolier- glasfenster den Anforderungen an eine sachgerechte Lüftung nicht gerecht wird, der Mangel dennoch aus dem Gefahrenbe- reich des Vermieters stammt, wenn dieser den Mieter nicht präzise über die nach dem Fenstereinbau aufgrund des ver- änderten Raumklimas notwen- digen zusätzlichen Lüftungs- maßnahme aufgeklärt hat.“ Auch das AG Neuss stellt fest, dass „der Vermieter den Mieter nach einer Fenstermoder- nisierung sachgerecht auf das Wohnverhalten unter geänder- tem Raumklima hinweisen muss“. Mehr in der Verantwortung steht der Mieter nach Ansicht des AG Hannover, denn demnach „muss sich der Mieter beim Auf- treten von Feuchtigkeitsschä- den nach dem Einbau von Isolierverglasungen in einem Ge- bäude neueren Baujahrs dahin- gehend entlasten, dass er aus- reichend geheizt und gelüftet hat“, obgleich ihn „der Vermie- ter auf die Notwendigkeit ei- nes geänderten Verhaltens hin- weisen muss.“ Diese wenigen Beispiele zeigen, wie schwierig, streitbar und komplex die Schimmelpilz- problematik auch aus juristi- scher Sicht ist. Allerdings wird aber gleichzeitig deutlich, dass durch gezielte Aufklärung der Mieter und Vermieter sowie das Erkennen oft einfacher (bauphy- sikalischer) Zusammenhänge viele Schadens- und Streitfälle vermieden werden können. Autoren: Prof. Dr. Helmut Weber, Dipl. Ing. Ralf Weber Kompetenzzentrum Bautenschutz und Bausanierung (KBB), Ebersberg AUS DER PRAXIS

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