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Schützen & Erhalten · März 2019 · Seite 30 in den meisten Fällen nicht das WDVS, sondern die meist auch mit dem WDVS verbauten neuen Fenster und sich dar- aus ergebenen Schwierigkeiten, Raum- luftfeuchten wieder abzuführen (andere Ursachen hier mal ausgeschlossen). Daher kann von Algen außen grundsätzlich nicht auf Schimmel innen geschlossen werden. Auch kann man die Lebensansprüche ei- nes Fassadenbiofilms nicht mit denen ei- nes Schimmelbefalls im Innenraum gleich- schalten. Die Lebensansprüche von Pilzen sind unprätentiös. Eine Kohlenstoffquel- le, Wasser, etwas Nährstoffe und Spu- renelemente, das reicht schon. Übliche Bezugsquelle ist hierbei abgestorbene Biomasse, im Innenraum in Ermangelung einer solchen gern auch Staub und an- dere Aerosole menschlichen Ursprungs. Im Gegensatz zu Algen sind Pilze nicht auf flüssiges Wasser angewiesen. Dies wird auch ausgedrückt durch den Begriff Wasseraktivität oder a W -Wert. Mikrobielle Aktivität ist bei Pilzen möglich bei einem a W -Wert von 0,7–0,98. Algen hingegen benötigen einen a W -Wert von 1,0. Dar- unter wird die Photosynthese sofort ein- gestellt (4, 8, 12). Allein hieraus lässt sich schon ableiten, dass Pilze Oberflächen besiedeln können, die Algen verwehrt bleiben, weil die Feuchtigkeit an diesem Standort nicht ausreicht. Was typischer- weise bei einem Kondensatschaden im Innenraum der Fall wäre. Nur bei massiv und länger stark durchfeuchtete Bereichen können auch Algen als Sekundärbesiedler im Innenraum auftreten (z. B. in Kirchen, Hausfluren, Keller etc.). Wie Algen auf einem WDVS wurde auch den Pilzen mit dem menschlichen Wohnverhalten ungewollt ein neues Substrat angeboten. Nichts anderes ist ein Baustoff aus Sicht der Pilze – eine nichtvitale Kohlenstoffquelle, ob nun aufgrund der Zusammensetzung oder der Konditionierung durch die Nutzung. Auf den pH-Wert wird keine Rücksicht genommen. Pilze zeigen eigenen Studi- en zufolge keine großen Ansprüche an den pH-Wert des Substrates (Baustoff). Es gibt keine Hinweise dafür, dass hohe pH-Werte Pilzwachstum bremsen (10), im eigenen Labor konnte auf Mörteln mit einem Oberflächen-pH von 11,5 massi- ves Pilzwachstum erzeugt werden (12). Bewiesen ist lediglich, dass bestimmte Enzyme bevorzugt im sauren Bereich ge- bildet werden. Auch die Produktion von Metaboliten (mikrobielle Stoffwechselpro- dukte) ist pH-abhängig, aber derart, dass bei pH 2,5–3,5 bevorzugt Citronensäure produziert wird, während im alkalischen Milieu Oxalsäure entsteht (10). Ein klarer Unterschied zum Algenwachstum, denn hier spielt der pH eine große Rolle, näm- lich über das Dissoziationsgleichgewicht von Kohlendioxid in Wasser, da nur Hy­ drogencarbonat photosynthetisch umge- setzt werden kann. Neben dem Stoffwechsel passen sich auch die Zellmorphologien an den alka- lischen Untergrund an. Pilze wachsen dann nicht mehr filamentös sondern mi- krokolonial in kleinen Clustern ohne ty- pisches Myzel. Als Folge der Anpassung verschwindet mitunter die Pigmentierung der Pilze, man sieht sie dann schlichtweg nicht mehr. (12) Wie die Algen suchen sich auch Pil- ze gern Verbündete, allerdings sind bei Pilzbefällen im Innenraum nicht die typi- schen Biofilmstrukturen erkennbar wie an der Fassade. Das liegt daran, dass die Bedingungen im Innenraum deutlich vom Außenbereich abweichen, wie schon be- sprochen wurde. Schäden im Innenraum werden schneller erkannt (z. B. beim klassischen Wasserschaden), sodass vor allen schnell wachsende Mikroben mit von der Partie sind – Bakterien zum Bei- spiel. Dabei sind Pilze auch untereinan- der nicht zimperlich. Gern bombadiert man sich mit Substanzen, die Apoptose (Zelltod) auslösen. Damit verschafft man sich Nahrungsvorteile und sichert das Ha- bitat. Bekanntester Wirkstoff hierfür ist das Farnesol, welches z.B. besonders gut gegen Aspergillus nidulans wirkt. Damit erklärt sich auch, dass sich Befallsmuster häufig sauber separiert nach Gattungen abzeichnen (1). Auch von Algen lassen sich derartige Greueltaten berichten, sie neigen zum Kannibalismus: Mittels Exo- enzymen kann die Biomasse anderer Zel- len resorbiert werden. An dieser Stelle wäre auch noch ein kleiner Blick auf die Bakterien angemes- sen. Dies würde aber den Umfang spren- gen. Daher nur in aller Kürze: Die sind im- mer mit dabei, in vielfältiger Form. Konsequenzen einer mikrobiellen Besiedlung Außen Algen, innen Pilze? Stimmt. Und zwar, weil die Feuchtelas- ten im Bauwerk eher das Wachstum von Schimmelpilzen begünstigen, während Tau- und Niederschlagswasser für Algen- wachstum an der Fassade unabdingbar sind. Als Konsequenz entstehen mikrobi- elle Befälle, die, wenn sie ein Normalmaß an Besiedlung überschreiten, zu Schäden am Bauwerk führen können (5). Stimmt nicht, wenn man von einem außenseitigen bauphysikalisch bedingten Befall auf einen Schaden im Innenraum schließen will, der gerade durch besagten bauphysikalischen Effekt vermieden wird. Bei Algenwachstum an der Fassade steht zunächst der optische Eindruck im Vordergrund, doch mit der Zeit kön- nen Algen durch Säureproduktion und freigesetzte Enzyme die Putzstruktur aufweichen oder in tiefe Schichten ein- wachsen, was in beiden Fällen zu einer lokalen Zerstörung des Putzes führt. Man spricht hierbei auch von Biokorrosion (5, 9). Schimmelpilze haben ein vergleich- bares Schadenspotential, doch im Innen- Fachbereiche i Schimmelpilze Bild 2: Ein Algenbefall an der Fassade muss nicht zwangsläufig auf einen Schimmelbefall im Inneren schließen lassen, denn die Ursache des Algen- wachstums − eine Außen- dämmung – sorgt im Inneren für erhöhte Bauteiloberflächen­ temperaturen.

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