S&E Glossary

Schützen & Erhalten · September 2002 · Seite 41 LETZTE MELDUNGEN Schäden auf Baustellen durch Hochwasser-Einwirkungen Rechtsfolgen nach VOB/B und BGB Durch Hochwasser und Überschwemmungen sind in den vergangenen Tagen auf zahlreichen Baustel- len Schäden bis hin zur vollständigen Zerstörung der Bauleistungen ent- standen bzw. es ist mit solchen Schäden zu rech- nen. Die nachfolgende Ausarbeitung gibt einen ersten Überblick über die vertragsrechtlichen Folgen dieser Naturkatastrophe, insbe- sondere im Hinblick auf die Vergütungsansprüche bereits erbrachter, aber noch nicht ab- genommener Bauleistungen, die beschädigt oder zerstört wor- den sind. Die vertragsrechtlichen Fol- gen unterscheiden sich je nach- dem, ob der Bauvertrag auf der Grundlage der VOB/B oder des BGB abgeschlossen worden ist. VOB-Vertrag: Nach §7 in Verbindung mit §6 Nr. 5 VOB/B behält der Auf- tragnehmer, wenn seine Lei- stung ganz oder teilweise vor der Abnahme durch höhere Ge- walt oder andere objektiv un- abwendbare, von ihm nicht zu vertretende Umstände zerstört wird, seinen Anspruch auf Ab- rechnung der erbrachten Lei- stungen zu den Vertragspreisen sowie Anspruch auf Ersatz der ihm bezüglich des nicht fertig- gestellten Teiles des Werkes bereits entstandenen Kosten. In dieser Regelung unter- scheidet sich der VOB-Vertrag grundsätzlich von den Bestim- mungen des BGB-Werkvertrages. §644 BGB sieht vor, dass der Unternehmer bis zur Abnahme bzw. Vollendung der Leistung die sog. Vergütungsgefahr trägt, also das Risiko, bei einem zu- fälligen Untergang der Werkes für die von ihm ausgeführte Bauleistung die vereinbarte Vergütung nicht mehr fordern zu können. Diejenigen Unternehmer, deren Bauleistung durch die Überschwemmungen der letzten Tage vor der Abnahme zerstört worden sind, stehen nunmehr, sofern es sich um VOB-Verträ- ge handelt, vor der Frage, ob sie einen Anspruch aus §7 in Verbindung mit §6 Nr. 5 VOB/ B haben. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei dem Unwetter und anschließenden Hochwas- ser um höhere Gewalt bzw. oder „andere objektiv unabwendba- re, vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände handelt“. Bei dem Unwetter und nach- folgenden Hochwasser in den Bundesländern Bayern, Branden- burg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen etc. dürfte es sich um ein unvorhersehbares und objektiv unabwendbares Ereignis im Sinne von §7 VOB/B han- deln. Dies sind nach der Recht- sprechung des BGH solche Er- eignisse, „die nach menschlicher Einsicht und Erfahrung in dem Sinne unvorhersehbar sind, dass sie oder ihre Auswirkungen trotz Aufwendung wirtschaftlich er- träglicher Mittel durch die äu- ßerste nach der Sachlage zu er- wartende Sorgfalt nicht verhütet oder in ihren Wirkungen auf ein erträgliches Maß unschädlich gemacht werden können“ (BGH BauR 1997, 1019). Zwar fallen Witterungsein- flüsse, wie Regen, Sturm, Ha- gel etc., grundsätzlich nicht unter den Begriff des für den Auftragnehmer „unabwendbaren Umstandes“. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Witterungsein- flüsse als ganz außergewöhn- lich anzusehen sind, also nach den allgemeinen, auch meteo- rologischen Erfahrungen an dem Ort der zu erbringenden Bau- leistung sowie nach der jewei- ligen Jahreszeit in den einge- tretenen Auswirkungen objektiv nicht zu erwarten waren. Nach Würdigung aller Um- stände konnte mit den in den letzten Tagen aufgetretenen Witterungseinflüssen und ihren Folgen in den betroffenen Re- gionen objektiv niemand rech- nen. Bereits die Tatsache, dass es sich nach Einschätzung vie- ler Meteorologen um ein abso- lutes Ausnahmephänomen (sog. „Jahrhunderthochwasser“) han- delt, lässt diesen Schluss zu. Soweit also Bauleistungen, die auf der Basis von VOB-Ver- trägen erbracht wurden, durch die derzeitigen Überschwem- mungen vor der Abnahme be- schädigt oder zerstört worden sind, hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf Vergütung der bereits erbrachten, aber zerstörten Leistungen gem. §7 in Verbindung mit §6 Nr. 5 VOB/ B. Darüber hinaus hat der Auf- traggeber ihm die Kosten zu erstatten, die ihm bereits ent- standen und in den Vertrags- preisen des nicht ausgeführten Teiles der Leistungen enthalten sind. Um allerdings dem Einwand von Auftraggeberseite zu ent- gehen, der Auftragnehmer sei der ihm nebenvertraglich oblie- genden Schadensminderungs- pflicht nicht nachgekommen, ist darauf zu achten, dass Betrie- be alles ihnen Mögliche unter- nehmen, um die ausgeführten Bauleistungen vor Beschädigung oder Zerstörung weitestgehend zu schützen. Wichtig ist zudem, dass der Auftragnehmer dem Auftragge- ber unverzüglich mitteilt, dass die Umstände des §7 VOB/B eingetreten sind, dass also die Bauleistung vor der Abnahme durch ein solches unabwendba- res Ereignis beschädigt oder zerstört worden ist. Die Ver- letzung dieser vertraglichen Nebenpflicht durch den Auftrag- nehmer kann Schadensersatzan- sprüche des Auftraggebers aus- lösen. Die Benachrichtigungs- pflicht des Auftragnehmers entfällt jedoch dann, wenn der Auftraggeber bereits Kenntnis hatte. Hiervon dürfte in der Regel auszugehen sein, dennoch sollte man in Zweifelsfällen vorsichtshalber seinen Auftrag- geber entsprechend informieren. Die Beschädigung oder Zer- störung des Leistung hat jedoch keinen Einfluss auf den Fortbe- stand des Vertrages, d. h., der Auftragnehmer ist verpflichtet, auf Verlangen des Auftraggebers die Bauleistung ggf. noch ein- mal zu erbringen (selbstver- ständlich gegen entsprechende Vergütung). BGB-Verträge: Sofern ein BGB-Werkvertrag geschlossen wurde, trägt, wie oben bereits erwähnt, gemäß §644 Abs. 1 BGB der Auftrag- nehmer das Risiko des zufälli- gen Untergangs der Leistung, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist. Er erhält also keine Vergütung für seine vor der Abnahme zerstörte Baulei- stung und ist sogar verpflich- tet, die Leistung noch einmal zu erbringen. Hierfür hat er al- lerdings Anspruch auf entspre- chende Vergütung. Foto: www.photocase.de

RkJQdWJsaXNoZXIy OTg3NzQ=