Schützen & Erhalten - page 3

Glosse
Entschleunigt Euch, aber zack zack ...
„De Kalli hat sich nen Börnaud zugezo-
gen“, verlautete es letztens am Stamm-
tisch auf die Frage, wo denn der Kollege
Karl abgeblieben ist, einer der letzten
verbeamteten Briefzusteller seiner Zunft.
Was mag da vorgefallen sein? Hatten wir ein
Schaltjahr mit einer unerwarteten zusätzlichen
Datumsumstellung an der Stempelmaschine?
Wurde die Zusatzbelastung durch die Flut der
E-Mails zu viel für ihn? Oder hat er tatsächlich
den Zustand emotionaler Erschöpfung erreicht,
der in der heutigen Zeit schon fast zum guten
Ton gehört, der irrsinigerweise als Zeichen des
persönlichen Erfolgs missgedeutet wird?
So kam der Unternehmer über die Frage sei-
nes Kunden im Beratungstermin um 19.00 Uhr
am Abend, ob er nicht lieber auch Feierabend
hätte, anstatt hier noch tätig zu sein, ins Sin-
nieren. „Feierabend“, war das nicht der paradie-
sische Zustand, von dem ihm sein Vater in grauer
Vorzeit vorgeschwärmt hatte, zu einer Zeit, als
„selbstständig“ noch ein eigenstän-
diges Wort war, ohne die geteilte
Bedeutung „selbst“ und „ständig“?
Was waren das für gesegnete
Zeiten, als es noch den Postweg
gab, man am Telefon noch um Zu-
sendung von Unterlagen bat oder
versprach, das Angebot heute noch
zum Schalter zu bringen, in der Ge-
wissheit, die Angelegenheit damit
erst einmal für zwei bis drei Tage
„erledigt“ zu haben.
Natürlich macht es keinen Sinn sich den
Postillion zurückzusehnen, der seine Depeschen
hoch auf dem gelben Wagen durchs Land fuhr,
zu einer Zeit, die der eine oder andere unseres
Präsidiums noch erlebt haben dürfte.
Aber muss denn tatsächlich alles in gefühl-
ter Lichtgeschwindigkeit über die Bühne gehen?
Ist es tatsächlich notwendig, drei Minuten nach
der Absendung der E-Mail bereits beim Empfän-
ger telefonisch nachzufragen, ob
die Nachricht angekommen ist und
ob das Gegenüber dazu schon ein
Statement abgeben kann?
So möchte der Unterzeichner ein
flammendes Plädoyer halten für die
Leichtigkeit des Seins, dass sie nicht
als unerträglich, sondern − in Maßen
− endlich wieder als erstrebenswert
empfunden wird. Dass der zum wie-
derholten Male verschobene Fami-
lienurlaub nun endlich auf der Prioritätenliste
obenan geschrieben wird, man sich gönnt, die
letzten Sonnenstrahlen des Tages im Biergarten
und nicht am Schreibtisch zu verbringen und ein-
sieht, dass es auch morgen noch einen Tag gibt,
der mit sinnvoller Arbeit angefüllt werden kann.
In diesem Sinne – auf zum „Powerchillen“
Ihr Ralf Hunstock
Editorial
Am Anfang waren Himmel und Erde
Es ist wieder soweit. Auf den Straßen
kurven die Autos mit der Aufschrift
„ABI 13“ und überall künden pompöse
Abiturbälle, dass es wieder einmal ein
Jahrgang geschafft hat bis zu den Pforten
des Bildungsolymps vorzustoßen.
Und wem es gelungen ist, lange 13 oder in die-
sem Jahr zum ersten Mal auch weniger lange
12 Jahre Schulalltag durchzuhalten, der hat es
auch verdient sich zu feiern, feiern zu lassen,
um dann, nach kurzer Verschnaufpause, in die
geöffneten Pforten der Hochschulen einzutreten
zusammen mit rund 275.000 Gleichgesinnten.
So viele nämlich, rund die Hälfte der Schulab-
gänger, wird in Deutschland in diesem Jahr ein
Studium aufnehmen.
Glaubt man der OECD, so ist Deutschland da-
mit auf einem guten Weg, auch wenn es nach den
ehrgeizigen Zielvorstellungen der „Bildungswei-
sen“ noch immer viel zu wenige sind. Entspre-
chend oft hatte man seitens der OECD moniert,
Deutschland habe eine zu niedrige Akademiker-
quote, beseelt von der Überzeugung, die Wett-
bewerbsfähigkeit eines Landes werde von der
Anzahl seiner „Studierten“ bestimmt. Je mehr
desto besser, wobei sich allerdings die Frage
stellt, warum ein Land wie Spanien mit wesent-
lich mehr Hochschulabsolventen als Deutschland
aktuell mit einer Jugendarbeitslosigkeit von über
50 Prozent leben muss.
Dies hindert deutsche Erfüllungspolitiker
nicht daran die Studentenzahlen in immer neue
Rekordhöhen zu schrauben. Wer will sich dem
auch entziehen. Was für die einen ein Mindestan-
spruch an den eigenen Nachwuchs ist, das ist
für die anderen der lang ersehnte gesellschaft-
liche Aufstieg eines ihrer Familienmitglieder.
So spiegelt sich in den wachsenden Studenten-
zahlen zumindest augenscheinlich eine gelun-
gene Bildungspolitik wieder, die vermittelt, dass
alle Schichten an dem wichtigen Gut Bildung in
gleicher Weise teilhaben können. Und gestützt
auf die Parole „Kein Kind darf verloren gehen“
lässt man keine Möglichkeit ungenutzt, immer
mehr Heranwachsenden mit oder auch ohne Ab-
itur den Zugang zur Hochschule zu öffnen. Als
Folge dieser Politik ist die Studentenquote in
fünfzehn Jahren von 28,1 (1996) auf 54,7 Pro-
zent (2012) angewachsen. Wenn diese Entwick-
lung so weitergeht, dann studieren in fünfzehn
Jahren drei von vier jungen Menschen – und in
dreißig Jahren so gut wie jeder.
Fragt sich nur, ist dies wirklich die Lösung
für die technologischen und sozialen Anforde-
rungen der künftigen Arbeitswelt?
Was dies jetzt schon für die Universitäten,
die Wirtschaft und die Gesellschaft bedeutet,
wenn mehr als die Hälfte eines Jahrgangs stu-
diert, ist unübersehbar und wird sich in Zukunft
noch dramatisch verschärfen. Die Hochschulen
platzen aus allen Nähten, um Akademiker aus-
zubilden, die der Arbeitsmarkt weder braucht
noch verkraften kann. Und dort, wo man drin-
gend intelligente und engagierte Arbeitskräfte
benötigt, geht die Zahl der Bewerber drastisch
zurück. Dem Handwerk, der Wirtschaftsmacht
von nebenan, gehen die Lehrlinge aus.
Umso erfreulicher war es mitzuerleben, wie
1.110 Handwerkerinnen und Handwerkern am
21. April 2013 im feierlichen Rahmen in der
Düsseldorfer Stadthalle die Meisterbriefe aus-
gehändigt wurden. Vor rund 3000 Gästen wür-
digte Kammerpräsident Prof. Dr. h. c. Wolfgang
Schulhoff die Leistung der frischgebackenen
Meisterinnen und Meister und warb eindringlich
dafür, nicht die Augen vor den Gefahren der zu-
nehmenden Akademisierung unserer Gesellschaft
zu verschließen.
Ob der pfiffige Werbespruch des Handwerks,
„Am Anfang waren Himmel und Erde. Den ganzen
Rest haben wir gemacht.“, wirklich dazu beitra-
gen kann, die Attraktivität handwerklicher Be-
rufe zu steigern, sei einmal dahingestellt. Den-
noch sollte er zum Nachdenken anregen. Denn
was passiert mit einer Gesellschaft, die nur
noch Planer und Verwalter ausbildet oder um im
Bild zu bleiben: Wer macht den Rest? Wer baut
z. B. all den Studenten die dringend benötigten
Wohnheime oder saniert ausgediente Kasernen,
um diese als Wohnstätten für den akademischen
Nachwuchs nutzen zu können?
Wenn auf der übernächsten Meisterfeier der
HWK Düsseldorf im Jahr 2015 die ersten Holz-
und Bautenschutzmeister geehrt werden, bleibt
zu hoffen, dass neben all den Planern und Ver-
waltern noch genügend engagierte und ausbil-
dungsfähige „Macher“ zur Verfügung stehen, die
bereit sind, sich ausbilden zu lassen, um mit ih-
rem Können dem akademischen Nachwuchs ein
freudloses Dasein in Zelten, Abstellräumen oder
Kellerlöchern zu ersparen.
Ihr Friedel Remes
AmAnfang
waren Himmel
und Erde.
Den ganzen
Rest haben
wir gemacht.
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22.04.2010 13:01:22Uhr
AmAnfang
waren Himmel
und Erde.
Den ganzen
Rest haben
wir gemacht.
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