Schützen & Erhalten - page 6

Schützen & Erhalten · September 2009 · Seite 6
und der daraus resultierenden
Zuordnung zu den Schnittklas-
sen. Im Punkt 6.1 der o.g. DIN
4074 heißt es: „Schnittholz
nach dieser Norm darf nur von
einer dafür geschulten Fach-
kraft visuell sortiert werden.
Die Schulung ist auf Nachfrage
gegenüber der Bauaufsichtsbe-
hörde nachzuweisen.“
Dieses geschulte Personal
muss also die 11 Sortierkrite-
rien kennen und in der Lage
sein, neben beispielsweise
Ästen, Jahrringbreiten, Rissen auch Insekten-
fraßgänge durch Frischholzinsekten zu erkennen.
Zugegebenermaßen sind die Fraßgänge der Holz-
wespe schwer zu entdecken; dies ist aber nicht
unmöglich (Bild 6).
Die vom Gericht gestellte Frage nach der
Ursache des Mangels wird vom Gutachter teil-
weise mit Beschreibungen der Lebensweise un-
termauert. Fachlich richtig schreibt er:
„Die
Larven entwickeln sich im austrocknenden Holz
zum fertigen Insekt. Durch das Trocknen des Hol-
zes kann sich die Entwicklung der Larven verzö-
gern…. Holzwespen gehen nicht in luftgetrock-
netes Holz. Sie sind, wie oben beschrieben, an
feuchtes Holz gebunden.“
Durch die teilweise missverständlichen bzw.
falschen Beantwortungen einiger Fragen, wur-
de durch den Richter eine Urteilsbegründung
erstellt, die den (Holzschutz-)Fachmann in Er-
staunen versetzt. Darin heißt es:
„Trockenes Holz wird indes von den Insek-
ten nicht befallen. Getrocknetes, mit Larven der
Holzwespe befallenes Holz ist darüber hinaus un-
bedenklich. Der Trocknungsprozess führt, wie der
Sachverständige erläuterte, zu einem Absterben
dingungen für die Larven dadurch ungünstiger
werden. Allein durch natürliche Abtrocknung
der Hölzer ist eine Abtötung der Larven nicht
möglich. Die ausgewachsenen Larven verpup-
pen sich vor dem Schlupf meist unmittelbar
unter der Holzoberfläche. Die fertigen Insek-
ten schlüpfen in den warmen Sommermonaten
(etwa Juni bis September), indem sie sich bis
an die Holzoberfläche durchnagen. Treffen die
Imagines (erwachsenes, geschlechtsreifes Insekt
nach der Verpuppung) der Holzwespe dabei auf
andere dünnwandige Baustoffe (z. B. Kunststof-
fe, Furniere, Bitumenbahnen) so können auch
diese durchnagt werden. Auch dort entstehen
kreisrunde Löcher mit bis zu 10mm Durchmes-
ser. Die dadurch hervorgerufenen Sekundärschä-
den können, insbesondere an Flachdächern, ein
erhebliches Ausmaß annehmen.
2. Fallbeispiel
Ende 2005 wurde ein Hallengebäude mit einer
Flachdachkonstruktion errichtet. Die Dachkonst-
ruktion besteht aus Nagelbrettbindern mit einer
sägerauen Holzschalung (Fichte). Die Dachhaut
wird aus einer Lage Flies, einer Kunststoff-Ab-
dichtungsbahn, Dränageplatten und einer Zie-
gelbruchschüttung gebildet (Bild 3).
An insgesamt 16 Stellen der ca.1500m² gro-
ßen Dachfläche konnten etwa ein Jahr später
Leckagen festgestellt werden. In einer ersten
Begutachtung (Parteigutachten) wurden an min-
destens 6 Stellen Schlupflöcher bzw. Fraßgänge
einer Holzwespenart nachgewiesen. Eine genaue
Diagnose zeigte, dass es sich hierbei um durch-
schnittlich 5mm große Schlupflöcher der Gemei-
nen oder Stahlblauen Holzwespe handelt (Bilder
4 und 5), die auch die Dichtungsbahn durchfres-
sen haben. Der Bauunternehmer (Kläger) forderte
vom Zimmermann (Beklagter)
einen Kostenvorschuss, um die
Mängel zu beseitigen. Zwischen
den Parteien ist streitig, ob
überhaupt Mängel vorhanden
sind, die zu den Undichtigkei-
ten führten. An dieser Stelle
müssen wir uns einmal im Re-
gelwerk, insbesondere in der
DIN 4074-1 (Sortierung von
Holz nach der Tragfähigkeit,
Nadelschnittholz) umschauen,
was dort zu einem Insekten-
befall gesagt wird. Alle Sor-
tierklassen (S7, S10 und S13) gestatten einen
Insektenfraß von Frischholzinsekten bis max.
2mm Durchmesser. Dieses wird durch die Holz-
wespe (ein Frischholzinsekt) weit überschritten
und stellt deshalb einen Mangel dar.
3. Juristische Bewertung
Im nachfolgenden Gerichtsverfahren wurden
im Rahmen des Beweisbeschlusses verschiedene
Fragen formuliert. Hier sind von den insgesamt
17 Fragen nur zwei dargestellt:
Hätten diese Schädlinge bei der Lieferung des
Materials bereits festgestellt werden können?
Die
Antwort des vom Gericht beauftragten Gutach-
ters lautet:
„Die Fachliteratur beschreibt, dass die
Fraßgänge (Bohrlöcher) durch Feuchtigkeit und
Temperatur mit holzfarbenen Nagsel sich verstop-
fen, so dass selbst an eingeschnittenem Holz we-
der Befall noch Schaden erkennbar sind.“
Neben
der nicht ganz nachvollziehbaren Formulierung
sollte man sich für den zweiten Teil der Antwort
die Frage stellen: Ist dem wirklich so?
Irgendwann in der Kette zwischen Holzbe-
und -verarbeitung erfolgt eine visuelle Sortierung
Es schreibt
für Sie:
Dipl.-Ing.
Ekkehard Flohr
Fachbereichs-
leiter Holz-
schutz
An der Hohen Lache 6
06846 Dessau
Telefon: (0340) 6611884
Telefax: (0340) 6611885
E-Mail:
Fachbereiche
Holzschutz
Bild 2: Angeschnittene Fraßgänge
(2 × quer und 1 × längs zur
Fraßgangachse) in einem Holzbrett.
Links: Bild 3 –
freigelegter Flach-
dachaufbau zur
Ermittlung der
Durchfeuchtungs-
ursache.
Rechts: Bild 4 –
herausgeschnittene
Abdichtungsbahn
und Schutzflies
mit Schlupflöchern.
Darunter ist
die Schalung
zu erkennen.
Bild 5: Fragmente der
Gemeinen Holzwespe, die in
einem Fraßgang steckten.
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