Schützen & Erhalten - page 17

Schützen & Erhalten · Dezember 2011 · Seite 17
Es ergeben sich zwei mögliche Wege die vor-
handene Situation zu lösen. Und beide haben
Vor- und Nachteile:
Die erste Möglichkeit besteht darin das Dach
abzureißen und neu zu erstellen. Dazu müssen
das Gründach abgeräumt sowie die Dichtung und
die Schalung entfernt werden. Die Dämmung mit
der vorhandenen Luftdichtung muss ausgebaut
werden. Nachdem dann die ungeschützte Gips-
kartondecke dem Wetter ausgesetzt wäre, scheint
ein Schutzdach über der Baustelle sinnvoll. Da-
nach kann eine feuchteadaptive Luftdichtung zur
nachträglichen Ertüchtigung über die Sparren
eingebaut werden. Dabei muss der Anschluss an
das Mauerwerk und die Sparren sehr sorgfältig er-
folgen. Die Sparrengefache sollten dann im First-
und Traufbereich winddicht verschlossen werden.
Wünschenswert wäre ein hinterlüfteter Aufbau
über den Sparren, wenn ein Gründach hergestellt
werden soll. Dabei entsteht ein deutlich höherer
Dachaufbau als der Bestand. Dieser Aufbau kann
meiner Ansicht nach gestalterisch nicht akzep-
tiert werden. Alternativ und nicht so sicher wäre
eine Überdämmung der Sparren auf der neuen
Schalung. Auf alle Fälle sollte das Sparrengefach
mit Zellulose-Einblasdämmstoff verfüllt werden,
weil dieser einerseits den Hohlraum vollständig
verfüllt und die größtmögliche Fehlertoleranz
bietet (Ergebnis eines Forschungsvorhabens von
MFPA Leipzig und TU München veröffentlicht in
Holzbau 6/2009, Seite 14).
Die zweite Möglichkeit wäre das Dach zu
belassen, technisch auszutrocknen und an-
hand der angesaugten Luft die Feuchtigkeit in
der Konstruktion zu ermitteln. Sinnvoll wird es
sein, intermittierend zu trocknen, das heißt die
Gefache im Wechsel abzusaugen, sodass tiefer
im Holz liegende Feuchtigkeit die nötige Zeit er-
hält um nach außen zu wandern und in einem
zweiten oder dritten Trockengang abgesaugt zu
werden. Nach der Trocknung müssen die Gefa-
che in den First- und Traufbereichen winddicht
verschlossen werden. Dies geschieht einmal um
die schwarzen Fahnen zu unterbinden und damit
einem Pilzwachstum entgegen zu wirken, zum
anderen auch um die Balken sicher der GK0 zu-
zuordnen, weil dann ein Zutritt von Schadin-
sekten ausgeschlossen werden kann. Es bleibt
die Ungewissheit über die Luftdichtigkeit der
inneren Folie und der damit verbundenen Men-
ge an Kondensationsfeuchte aus der Raumluft,
den Sd-Wert der Luftdichtungsfolie und ob die-
se eine ausreichende Rücktrocknung im Sommer
ermöglicht. Die Konstruktion kann noch durch
das Entfernen des Gründaches verbessert wer-
den, denn dann erwärmt sich das Dach stärker
und die Feuchtigkeit wird im Sommer nach in-
nen ausgetrocknet. Es besteht die gute Chance,
dass die vorliegende Folie den berechneten Wert
von 3 m erreicht.
Wenn man nun beide Möglichkeiten betrach-
tet, stellt man fest, dass nach dem ganzen Auf-
wand der ersten Möglichkeit das gleiche Dach
wie vorher vorliegt, bis auf die Sicherheit, dass
alles trocken ist und die Luftdichtung feuchtead-
aptiv ist. Dafür hat man das erhebliche Risiko
über bewohnten Wohnungen das Dach zu öffnen
und natürlich erheblich höhere Kosten als in der
zweiten Variante.
Der Bauherr und ich haben uns dagegen
entschieden das Dach vorsorglich zu erneuern.
Es ist zu erwarten, dass ein Schaden allmählich
beginnt und dann rasch voranschreiten wird.
Zuerst feuchtet die Konstruktion auf und wenn
die Feuchtigkeit ausreicht, wird sich nach dem
Wachstum von Schimmelpilzen ein holzzerstö-
render Pilz bilden und die Konstruktion als Trag-
werk zerstören. Die Berechnungen mit WUFI ha-
ben immer wieder gezeigt, dass sich eine Durch-
feuchtung über etliche Jahre aufschaukelt und
erst nach ca. fünf Jahren ausreichend Feuchtig-
keit angesammelt wird, dass ein nennenswertes
Pilzwachstum möglich ist. Dies hängt natürlich
stark von der Größe der Leckagen ab und kann
sehr schwer abgeschätzt werden. Es gilt also
das Dach sorgfältig zu beobachten, erforderli-
chenfalls zu trocknen (ca. alle 3–5 Jahre), um
so die Feuchtigkeit in der Konstruktion unter
dem erforderlichen Feuchtewert für Schimmel-
wachstum zu halten.
Fazit:
Natürlich wünscht man sich als Gutachter sei-
nem Kunden einen Königsweg bieten zu können
und ist immer froh wenn sich eine eindeutige
Lösung abzeichnet. Leider war diese Möglichkeit
in diesem Fall verwehrt.
Ich denke es gibt grob gesehen zwei Arten
von Bauschäden. Die einen, die auf einen gro-
ben Verstoß der anerkannten Regeln der Bau-
kunst zurückzuführen sind. Dabei findet sich
auch meist ein eindeutiger Mangel, der ganz
konkret beseitigt werden kann. Schwieriger wird
es bei Fällen wie diesem. Hier wurde im Großen
und Ganzen sorgfältig gearbeitet und die De-
tails sind eigentlich auch richtig gewählt und
ausgeführt. Aber weil die gewählte Konstruktion
nur noch eine geringe Fehlertoleranz aufweist,
entwickeln sich kleine Mängel zu nennenswerten
Bauschäden, die zu beachtlichen Kosten füh-
ren können oder aber auch nicht. Klare Aussa-
gen und Prognosen sind nur schwer zu stellen.
Deshalb empfiehlt es sich bei der Auswahl der
Details und Materialien bei der Planung nicht
nur auf den Preis und die rechnerische Zuläs-
sigkeit zu achten, sondern es ist bei der heute
üblichen Bauweise auch sehr wichtig, Details
und Baustoffe zu wählen, die die größte mög-
liche Fehlertoleranz gewährleisten. Hier ist der
Sachverstand und die Weitsicht aller am Bau
Beteiligten gefordert.
Fachbereiche
Sachverständige
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Ansicht Gebäude.
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Großer mikrobieller Befall von außen.
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Kleiner mikrobieller Befall von außen.
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Bauteilöffnung im Herbst 2006.
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Großer mikrobieller Befall; Blick nach innen.
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