Schützen & Erhalten - page 12

„La Habana Vieja“
Das Zentrum Havannas, die historische Alt-
stadt mit dem wohl flächenmäßig größten
Kolonialarchitekturbestand in Lateinamerika,
wurde 1982 von der UNESCO zum Weltkultur-
erbe erklärt. Der Verfall der Altstadt begann al-
lerdings schon ca. 100 Jahre zuvor, als die Zuk-
kerpreise fielen und zahlreiche Ländereien und
Immobilien an reiche Nordamerikaner veräußert
werden mussten. Die von den neuen Eigentü-
mern gemachten Gewinne flossen nun nicht mehr
in die Hauptstadt, sondern direkt in die Verei-
nigten Staaten. Diese Entwicklung ging einher
mit einer „Altstadtflucht“ der „Reichen und
Schönen“, die jetzt zweigeschossige Villen im
Luxusviertel „Miramar“ mit Meerblick bevorzug-
ten. Die Prachtbauten wurden umfunktioniert
zu Lagerstätten oder einfach zu Massenquar-
tieren für das städtische Proletariat.
Wie wir im Nationalen Zentrum für Restau-
rierung und Stadtentwicklung erfahren, war der
Verfall der Altstadt den Herrschenden ein der-
artiger Dorn im Auge, dass man beabsichtigte
die Altstadt dem Erdboden gleichzumachen, um
luxuriösen Spielbanken und Hotelanlagen Platz
zu schaffen. Erst die Revolution Castros von 1959
vereitelte diese Pläne. Und es dauerte noch einmal
20 Jahre bis Ende der Siebziger den Verantwort-
lichen bewusst wurde, dass der historische Stadt-
kern Havannas ein einzigartiges Kulturgut dar-
stellt, dessen Verfall man nicht tatenlos zuse-
hen kann. Diese langjährige Untätigkeit hatte
allerdings auch ihr Gutes, denn die historische
Altstadt Havannas blieb somit vom Bauboom der
sechziger Jahre weitgehend verschont. Alters-
schwache Blöcke wurden nicht niedergerissen und
durch funktionale Gebäude ersetzt.
1981 folgte der erste Schritt seitens der
Regierung, um zumindest Repräsentationsbauten
zu retten. Damals konzentrierte man sich auf
die Residenzen der ehemaligen Kolonialherren,
die allesamt rund um die fünf zentralen Plätze
der Altstadt liegen. Auch die vier Forts, die
vormals den Hafen der Stadt schützten, gehörten
ebenso zu den ausgewählten Sanierungsobjek-
ten, wie das wohl bekannteste Bauwerk im Art-
déco-Stil Havannas, das Bacardi-Haus. Für die
weniger prächtigen Bürgerhäuser dagegen, die
neoklassizistischen Bauten aus den ersten Jahren
des 20. Jahrhunderts oder die zahlreichen Miets-
kasernen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts
entstanden, fehlte allerdings das Geld.
Dem ständigen Verfall von Gebäuden bei
gleichzeitig hoher Nachfrage nach innerstäd-
tischen Wohnraum versuchte man Herr zu wer-
den, in dem man der Bevölkerung in „Habana
Vieja“ Baumaterialien zur Verfügung stellte, um
in Eigenregie Zwischendecken in die oftmals
mehr als 4 Meter hohen Räume der Altbauten
einzuziehen. So entstanden zahlreiche neue
Kleinstwohnungen, wobei das Einsetzen zusätz-
licher Eingänge und Fenster genauso wie die
Errichtung kleiner Wohnverschläge auf den Dach-
terrassen den historischen Gebäuden alles an-
dere als gut getan haben.
Von Dr.
„Fidel“
Remes als der schönste Platz
Havannas angepriesen, begann unsere Exkur-
sion am ersten Abend auf dem
„Plaza de la Ca-
tedral“
mit einem Begrüßungs- und Kennen-
lern-
„Mochito“
, schließlich
kamen unsere Holz- und
Bautenschutz-Studienrei-
senden aus ganz Deutsch-
land.
Dominant im abendli-
chen Strahlerlicht erschien
die barocke Muschelkalk-
fassade der Kathedrale, in
der bis 1898 die Gebeine
Christoph Kolumbus ruh-
ten. Am Morgen darauf er-
fuhren wir beim ersten
Stadtrundgang, dass man mit der sorgfältigen
Restaurierung 1977 begonnen hatte und die
Kathedrale auf der Liste der historisch kultu-
rellen und touristisch interessanten Gebäude
ganz oben gestanden hat.
Unser eigentliches Zuhause für die kommen-
den Tage war allerdings das
„Convento de San-
ta Clara“,
Havannas ältestes Nonnenkloster,
direkt angrenzend an das jüngste Schmuckstück
der Stadtrestauratoren, dem
„Plaza Vieja“
.
Das Nonnenkloster, gegründet 1644, hatte
vormals die Aufgabe unverheirateten Mädchen
und Frauen eine Heimat zu bieten, heute ist
es der Sitz des „Nationalen Zentrums für städ-
tische Sanierung, Restaurierung, Konservierung
und Museumswissenschaften“. Diese
„Residen-
cia Academica
“ ist dem kubanischen Ministeri-
um für Bildung – Restaurierung und Sanierung
unterstellt und die größte Akademie für Sanie-
rungen (Denkmalschutz) in der Karibik und La-
teinamerika. Die Akademie arbeitet eng mit der
Uni Havannas zusammen und betreibt Fachla-
bore für Baustoff- und Werkstoffkunde. Darüber
hinaus bildet sie Fachleute aus ganz Latein-
amerika für Restaurationen und Sanierungen aus.
Nach der offiziellen Begrüßung unser Gruppe
durch die Direktorin des Institutes, Frau Han-
na Sepero, wurden wir von ihrem Stellvertre-
ter und technischem Leiter des Convento, Ing.
Schützen & Erhalten · März 2007 · Seite 12
FACHBEREICHE
Bautenschutz
Heute beherbergt es
Büros und eine kleine
„Havanna Club“ Bar –
die ehemalige
Zentrale des
US-Konzerns
Bacardi.
Die imposante Muschelkalkfassade
der Kathedrale von Havanna.
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