Schützen & Erhalten - page 22

Fachbereiche
Arbeitskreis Heißluft
A 3„frischer“ Mehlauswurf
Der klassische und allge-
mein anerkannte Nachweis
1
ei-
nes vitalen Befalls ist das Auf-
finden von „frischem“ Auswurf
von Fraßmehl bzw. Fraßkot. Ein
weiteres häufig zitiertes Merk-
mal, welches als Beweis einer
Vitalität gilt, sind die klassi-
schen „Mehlhäufchen“ oder
die an senkrechten Holzflä-
chen findbaren „Ausmehlungs-
fahnen“. Nachfolgend werden
meist diese drei Kategorien des Beweises für
eine aktuelle Aktivität angeführt:
a) Es zeigen sich an diversen Ausflugslöchern
frische Häufchen von Fraßmehl bzw. Kot der
Holzschädlinge.
b) An senkrechten Holzflächen sind unterhalb
von Ausflugslöchern deutliche Fraßmehlfah-
nen zu finden.
c) Aussagen von dritter Seite (z. B. „Die waren
vorher noch nicht da!“)
Dieses vermeintlich sichere Merkmal wird zur-
zeit durch Diskussionen innerhalb von Fach-
kreisen in seiner Absolutheit massiv in Zweifel
gezogen. Zentraler Punkt dieser Zweifel ist die
mangelnde Abgrenzung von Spuren, die von Prä-
datoren auf der Jagd oder von Insekten (Insec-
ta) und Spinnentieren (Arachnida) im Rahmen
eines sogenannten „Sekundärbefalls“ hinter-
lassen werden.
Es bleiben nach Betrachtung der erörter-
ten Tätigkeitsspuren erhebliche Zweifel, ob es
bei der Spurenfeststellung a) immer gelingt die
Spuren der Tätigkeit von Holzschädlingen von
denen seiner Jäger zu trennen.
Die Spurenfeststellung nach b) erscheint
noch kritischer, da hier neben Spuren von Prä-
datoren und „Sekundärnutzern“ auch reine Aus-
mehlungen infolge von Erschütterungen oder
sonstigen mechanischen Einflüssen ursächlich
sein können.
(Der Begriff „Sekundärnutzer“ wird hier ein-
geführt, da kein umgreifender Begriff für die In-
sekten und Spinnentiere, welche ausschließlich
der „selektiven Wahrnehmung“
sollte den Untersuchenden zu
einer äußerst vorsichtigen Be-
wertung dieser oft vermeintlich
sicheren Feststellung von Sei-
ten Dritter bewegen.
A 2 „frische“ Fraßgänge
Eine sichere Unterschei-
dung zwischen „alten“ und „fri-
schen“ Fraßgängen lässt sich
in den meisten Fällen kaum in
einer Weise finden, dass sich
daraus Aussagen über eine ak-
tuelle Vitalität treffen lassen. Sicherheiten gibt
es meist eher über ein hohes Alter der Fraßgän-
ge und dabei in der Form, dass Fraßgänge, z. B.
in Bodendielungen, bereits vor längerer Zeit
angeschliffen wurden oder das verdeckt liegen-
de Fraßmehl, z. B. bei Nadelhölzern, bereits so
deutlich ins gelbliche oxidiert ist, dass diese mit
Sicherheit als „alt“ eingestuft werden können.
Die gerade bei Befall durch die Larven des Haus-
bocks immer wieder zu findende Ableitung, dass
nach Entfernen der die Fraßgänge oberflächlich
abdeckenden, papierdünnen Holzhaut das weiß-
lich erscheinende Fraßmehl zwangsläufig frisch
sein muss, kann so nicht bestehen bleiben. Der
Prozess des „Vergilbens“ von Fraßmehl ist stark
von den Faktoren Sauerstoff und Licht abhän-
gig und deren partielle Einwirkungsintensität ist
meist so unterschiedlich, dass sich daraus keine
nachweisbaren Rückschlüsse auf das Befallsal-
ter ziehen lassen.
Auch hier treffen wir im Untersuchungsall-
tag immer wieder auf das Phänomen, dass von
dritter Seite darauf hingewiesen wird, dass die-
se Fraßgänge vor kurzer Zeit noch nicht da wa-
ren. Der Fachmann oder Sachverständige stößt
erstaunlich oft auf ein langes Beharren dieses
persönlichen Eindrucks und große Skepsis ge-
genüber den Fachaussagen. Auch der Hinweis,
dass z. B. die Fraßgänge bei Böden und Möbeln
bereits vor längerer Zeit angeschliffen wurden
oder mit alter Farbe gefüllt sind, führt nur wi-
derwillig zu einer Aufgabe dieser sehr subjekti-
ven Erinnerung.
1 siehe: GROSSER DIETGER, (1985): Pflanzliche und
tierische Bau- und Werkholzschädlinge. DRW-Ver-
lag, Leinfelden-Echterdingen S. 99, S. 107 etc. oder:
SUTTER HANS-PETER (Bern 2002): Holzschädlinge
an Kulturgütern erkennen und bekämpfen. 4. Aufl.,
Haupt Verlag, S. 145.
2 Als Kleptoparasitismus wird das Ausnutzen von Leis-
tungen anderer Lebewesen bezeichnet, beispiels-
weise das Stehlen von Nahrung oder das Ausnutzen
von Nistgelegenheiten.
3 Probiose (auch Karpose genannt) ist eine ökologische
Interaktion von artfremden Organismen (interspezifi-
sche Wechselbeziehungen), bei der einer der beiden
Partner einen Vorteil aus dem Zusammenleben zieht,
ohne dem anderen zu nutzen oder zu schaden.
4 Synökie = Nutzung der Wohnstätte eines anderen
Lebewesens, wenn zum Beispiel kleinere Tiere da-
durch Schutz finden. Der Gastgeber duldet die Ein-
mietung durch Gäste, solange die Gäste seine Nah-
rungsreserven nicht wesentlich beeinflussen.
5 Metabiose ist ein stark einseitiges Abhängigkeits-
verhältnis einer Art von der Tätigkeit einer anderen.
Das heißt die Sekundärnutzer dieser Minierungen der
Holzschädlinge sind auf das Vorhandensein dieser
Gänge angewiesen.
die Gänge und Öffnungen der Holzschädlinge
nutzen, verwendbar erscheint. Auch die aus der
Parasitologie stammenden Begriffe „Kleptopa-
rasitismus“
2
, „Probiose“
3
(hier die der „Synö-
kie“
4
) oder „Metabiose“
5
treffen diesen Vorgang
nur ungenau.)
Der Befallsnachweis nach c) ist grundsätz-
lich mit Vorsicht zu bewerten.
Die Brisanz dieser Betrachtungen ist für den
beruflichen Alltag des mit Holzschutz befass-
ten Ausführungsbetriebes und des Holzschutz-
sachverständigen außergewöhnlich hoch. Auch
erscheint es dringend notwendig, die entspre-
chenden Forschungsinstitute zu näheren Un-
tersuchungen anzuregen. Es würde den Verfas-
ser freuen, wenn es durch diesen Artikel in den
Fachkreisen zu weiterführenden Diskussionen
kommen würde.
Verfasser:
Lutz Parisek
ö.b.u.v. Sach-
verständiger
für Holzschutz
Am Schlossgarten 3
96194 Walsdorf
Telefon: (09549) 8266
Telefax: (09549) 8382
E-Mail:
Schützen & Erhalten · März 2009 · Seite 22
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