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Schützen & Erhalten · Juni 2015 · Seite 3

Editorial

Gutta cavat lapidem

Diese zum Sprichwort gewordene Weis-

heit – „Der Tropfen höhlt den Stein“ –

lässt sich bereits beim römischen Dich-

ter Ovid nachlesen, der den Sinnspruch

vor 2000 Jahren in seinen „Epistolae“

(Briefe) zu Papier brachte. Nun bedarf es

allerdings keines tiefgreifenden physika-

lischen Studiums oder der Erfahrung eines

versierten Bautenschützers, um zu der

Erkenntnis zu gelangen, dass ein einzelner

Wassertropfen weder einen Stein höhlt

noch auf diesem eine bleibende Wirkung

hinterlässt, vielmehr wird er aller Wahr-

scheinlichkeit nach nahezu unbeachtet

an ihm abprallen und verdunsten. Zum

besseren Verständnis erhielt Ovid‘s Er-

kenntnis deshalb später den Zusatz: „Der

Tropfen höhlt den Stein nicht durch Kraft,

sondern durch stetes Fallen“, und wurde

damit in der Verkürzung „Steter Tropfen

höhlt den Stein“ zu einer Binsenweisheit,

die selbst in einer an Sprichwörtern und

Redewendungen immer ärmer werdenden

Zeit nach wie vor zum allgemeinen Sprach-

gebrauch gehört.

Meine Besuche bei den Frühjahrstagungen in

den Landesverbänden habe ich in diesem Jahr

unter anderem dazu genutzt, zum wiederholten

Male darauf hinzuweisen, welch umfangreiches

Servicepaket der DHBV seinen Mitgliedsunter-

nehmen bietet, allesamt einseh- und abrufbar

über das Internet. Meine Befürchtungen, mit

meinen Ausführungen eher zu langweilen, da

all dies bereits zum x-ten Male an dieser oder

anderer Stelle in der S&E eingehend vorge-

stellt wurde, verflüchtigten sich schnell. Denn

anstatt des erwarteten: „Kennen wir doch al-

les und nutzen wir bereits seit Jahren“, sah

ich nicht nur in erstaunte Gesichter, sondern

mich auch mit Fragen konfrontiert wie: „Ist ja

großartig, aber warum weiß ich nichts davon

und warum macht ihr das nicht mehr und deut-

licher publik?“

Vielleicht sollte ich – um bei den Römern zu

bleiben – dem Beispiel Cato des Älteren folgen,

der laut den Überlieferungen Plutarchs jede

seiner Reden im Senat mit den Worten been-

det haben soll

„Im Übrigen bin ich der Meinung,

dass Karthago zerstört werden muss“

und damit

bereits 200 Jahre vor der Erkenntnis Ovid‘s auf

die Durchschlagskraft ständiger Wiederholungen

gesetzt hat. Auch wenn es Cato nicht mehr be-

schieden war, die Wirkung seines rhetorischen

Einsatzes honoriert zu wissen, so kam es in sei-

nem letzten Lebensjahr (149 v. Chr.) dennoch

zum Ausbruch des Dritten Punischen Krieges,

in dessen Folge Karthago tatsächlich vollstän-

dig zerstört wurde.

Also, werter Leser:

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass jeder

Holz- und Bautenschützer, der es sich leistet, die

Arbeit seines Berufsverbandes zu unterstützen,

einen Mehrwert erhalten soll, der Trittbrettfah­

rern verwehrt bleibt und der, richtig genutzt,

den Mitgliedsbeitrag in seinem Gegenwert um

ein Vielfaches übersteigt.

Der DHBV bietet Ihnen diesen Mehrwert und

zwar in einer Vielfalt, die Sie überraschen und

begeistern wird. Deshalb gönnen Sie sich die

Zeit und verschaffen sich einen Überblick über

die Vorteile und Möglichkeiten, die Ihr Berufs-

verband für Sie bereit hält.

Besuchen Sie

uns im Mit-

gliederbereich

der DHBV-

Homepage.

Ihr

Friedel

Remes

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold…

Wer hat diesen Sinnspruch nicht schon

im Hinterkopf gehabt, wenn einem die

Plaudertasche vis-á-vis mit unfassbarer

Impertinenz einen Knopf in der Größe

eines Gullydeckels an die Backe labert.

Wie kommt man aus einer solchen Nummer raus,

wenn das mitteilungsfreudige Geschöpf Ihnen

bei der Geburtstagsfeier der Schwiegermutter als

Tischdame/-herr zugeteilt worden ist?

„... der Onkel Otto aus Oebisfelde-Weferlin-

gen kennt ja hier keinen, bitte sei nett zu ihm

und unterhalte ihn ein bisschen...“

Ich – ihn? Dass ich nicht lache!

Wie glücklich kann man sich schätzen, wenn

man einbahnstraßengleich vom Gegenüber akus­

tisch nur dergestalt penetriert wird, dass man die

Schallwellen, gedanklich bei den letzten Bun-

desligaergebnissen, höflich mit gelegentlichem

„hmm“ und „ach ja“ kommentieren kann, ohne

dass auch nur ein Informationsbit die Trommel-

fellbarriere passieren muss und die eigene Fest-

platte zumüllt.

Wie ungleich dramatischer ist die Form von

Kommunikation, die ein aktives Erwidern des

Beschallten erfordert. Nicht nur, dass man die

Erkundigung nach der eigenen Meinung zur EU-

Milchquote für schwarzgescheckte weibliche

Hausrinder akustisch verstehen muss, bevor

man durch die Fragezeichen im Ge-

sicht von Onkel Otto vom Platz des

Lieblingsvereins gestellt wird – was in

aller Welt antwortet man darauf,ohne

den Eindruck zu erwecken, dass man

das Umfallen eines Behältnisses mit

Oryza sativa in den Tälern des mittle-

ren Yangtze für weitaus interessanter

erachtet?

Jede substanziell sinnvolle Ant-

wort birgt die Gefahr weiterer Nach-

fragen und schon ist man Opfer (und Akteur)

einer Diskussion, die man so sehr braucht wie

der deutsche Mittelstand die Mindestlohndoku-

mentationspflichten-Verordnung (MiLoDokV).

Aber genug mit dem Pessimismus. Vielleicht

hat man ja Glück und Onkel Otto ist fanatischer

Anhänger des eigenen Lieblingsvereins oder

wahlweise, im Gegenteil, von Bayern München.

Da weitet sich erfreut der Gehörgang und der

dröge Kaffeeklatsch bei SchwieMu Hilde vergeht

wie im Fluge.

Die größte Gefahr für Leib und Verstand geht

jedoch vom Passiv-Hören aus. Politische Talk-

shows im Fernsehen.

Von der einen oder anderen Flasche Wein

nachsichtig gestimmt, schaltet man sich, natür-

lich wider besseres Wissen, in eine illustre Runde

Provinzpolitiker, die zu allem ihre

parteipolitisch gefärbte Meinung

absondern.

Zum Verständnis: Demokratie

heißt, man darf zu jedem The-

ma eine Meinung haben − muss

aber nicht!

Bevor es gelingt, die zwischen

den Chipstüten verschütt gegan-

gene Fernbedienung zu orten

oder panisch den Stecker aus dem

Empfangsgerät zu reißen, muss man Zeuge wer-

den, wie mittels Worthülsen wie „Fokussieren“,

„Nachhaltigkeit“, „Aspekte“, „Kernkompetenz“,

„Effizienz“ und natürlich „Alternativlos“ sowie

geschickt eingeflochtenen Füllwörtern jede noch

so intelligente Frage mit semantischem Sonder-

müll zugeschüttet wird.

Da freut man sich, wenn die Sendeminuten

im Privatfernsehen vergeudet wurden und den

Hörer in der Werbepause mit literaturnobelpreis-

verdächtigen Sätzen in schwäbischer Mundart

wie „Weischt Kalle, Seitenbacher Müsli, lecker,

lecker“ versöhnlich stimmt.

In diesem Sinne –

fürs Schweigen fehlen mir die Worte

Ihr Ralf Hunstock

Glosse