Schützen & Erhalten - page 23

Schützen & Erhalten · März 2007 · Seite 23
Es schreibt
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RA
Albrecht W.
Omankowsky
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RECHTSBERATUNG
Die Streitverkündung
In der Praxis zeigt sich immer
wieder, dass derjenige, dem ein
Streit verkündet wird, über-
rascht ist und mit dieser Pro-
zesssituation zunächst nichts
anfangen kann.
Ausgangslage:
Der Bauunternehmer hat einen
Werkvertrag mit einem Bauherrn zur
Errichtung eines Hauses geschlos-
sen. Den Dachstuhl kann der Un-
ternehmer nicht selbst errichten,
sondern lässt ihn daher durch ei-
nen Zimmermann als Subunterneh-
mer erstellen. Nach der Fertigstel-
lung behauptet der Bauherr nun,
dass der Dachstuhl nicht stabil ge-
nug sei und verklagt den Bauun-
ternehmer auf Mängelbeseitigung.
Für den Unternehmer stellt sich
nun folgendes Problem: Wird er
verurteilt, kann er seinerseits auf-
grund des mit dem Zimmermann
geschlossenen gesonderten (Sub-
unternehmer) Werkvertrages An-
sprüche gegen ihn wegen der von
ihm zu vertretenen Mängel am
Dachstuhl geltend machen.
Interessenlage:
Zum einen will der Bauunter-
nehmer den Prozess gegen seinen
Auftragnehmer nicht verlieren. Für
den Fall, dass er den Prozess trotz-
dem verliert, will er sich zumin-
dest an seinem ehemaligen Sub-
unternehmer schadlos halten.
Eine Partei, die für den Fall des
für sie ungünstigen Ausganges ei-
nes Rechtsstreites einen Anspruch
auf Gewährleistung oder Schadlos-
haltung gegen einen Dritten erhe-
ben zu können glaubt, kann bis
zur rechtskräftigen Entscheidung
des Rechtsstreits einem Dritten ge-
richtlich den Streit verkünden.
Unter Streitverkündung versteht
man also die förmliche Benachrich-
tigung eines Dritten vom Schwe-
ben eines anhängigen Prozesses
durch eine der beiden Parteien. Die
Partei wird in diesem Fall als Streit-
verkünder, der Dritte als Streitver-
kündungsempfänger bezeichnet.
In der Praxis wird die Streit-
verkündung gewählt, wenn der Klä-
ger sich nicht sicher ist, ob er ge-
gen den Beklagten oder den Drit-
ten einen Anspruch hat, er aber
sicher ist, dass einer von beiden
schuldet. Häufig wird mit der Streit-
verkündung die Aufforderung an
den Empfänger verbunden, dem
Streitverkünder im Prozess als
Streithelfer beizutreten. Notwen-
dig ist dies aber nicht.
Zu beachten ist, dass die Streit-
verkündung als solche im Vorpro-
zess keine weiteren Wirkungen hat.
Der Streitverkündungsempfänger
wird allein durch die Streitverkün-
dung nicht Prozessbeteiligter, ihm
können keine Kosten auferlegt
werden. Der Prozess wird ohne
Rücksicht auf den Streitverkün-
dungsempfänger fortgesetzt.
Anders ist dies nur, wenn der
Streitverkündungsempfänger dem
Streitverkünder oder aber auch der
Gegenpartei als Streithelfer beitritt.
Dann wird er Prozessbeteiligter, mit
der Möglichkeit, Prozesshandlun-
gen vorzunehmen und Rechtsmit-
tel einzulegen.
Zweck der Streitverkündung...
...ist vor allem die Bindung ei-
nes Dritten im Nachfolgeprozess an
die Ergebnisse des Vorprozesses.
Die Streitverkündung soll eine wi-
dersprechende Beurteilung dessel-
ben Sachverhalts durch verschie-
dene Richter verhindern und über-
flüssige Prozesse vermeiden.
Für unser Beispiel bedeutet dies:
Wurde im Prozess nach Beweis-
aufnahme durch einen Sachverstän-
digen festgestellt, dass der Dach-
stuhl mangelhaft ist, kann dieses
Ergebnis in einem Folgeprozess
nicht in Frage gestellt werden.
Im Gegenteil: Auch das neue
Gericht ist hieran gebunden. Der
Streitverkünder wird also aufgrund
der Streitverkündungswirkung seine
Ansprüche wegen des mangelhaf-
ten Dachstuhls gegen den Zimmer-
mann durchsetzen können und
muss nicht befürchten, dass im
Folgeprozess das Gericht hinsicht-
lich des Dachstuhls aufgrund ei-
ner neuen Beweisaufnahme zu dem
Ergebnis kommen kann, dass der
Dachstuhl doch mängelfrei war.
Zu beachten ist, dass die Streit-
verkündung zum einen zur Verjäh-
rungshemmung und zum anderen
zum Erhalt von Gewährleistungs-
recht führt.
Praxistipp:
In der Praxis macht eine Streit-
verkündung dann Sinn, wenn der
Kläger sich nicht ganz sicher sein
kann, ob er gegen den Beklagten
oder gegen einen Dritten einen
Anspruch hat, sich aber sicher ist,
zumindest gegen einen der beiden
den Anspruch durchzusetzen.
Nicht verwendetes Material – Ersparte
Aufwendungen beim Werkunternehmer?
Die Kosten für das Material, das
der Werkunternehmer speziell für
das Werk des Bestellers beschafft
hat und das nicht in absehbarer
und zumutbarer Zeit anderweitig
verwendet werden kann, muss sich
der Unternehmer nicht als erspar-
te Aufwendungen anrechnen las-
sen.
Der Unternehmer ist allerdings
verpflichtet dem Besteller auf dessen
Verlangen hin das Material heraus-
zugeben und zu übereignen (Ent-
scheidung LG Köln, 7 O 247/99)
Konsequenzen für die Praxis:
Der Fall betrifft den gar nicht
so seltenen Fall, dass speziell an-
gefertigte und so anderweitig nicht
zu verwendende Materialien zum
Einbau beim Bauherrn vom Unter-
nehmer zur Erfüllung einer Werk-
leistung angeschafft wurden.
Sie lassen sich nach einer Kün-
digung des Bauherrn nicht mehr
anderweitig verwenden.
Abgezogen werden können nur
die Kosten, die angefallen wären,
um die Materialien einzubauen.
Der Bauunternehmer kann nicht
darauf verwiesen werden zu prü-
fen, ob der Hersteller eventuell das
Material zurücknimmt. Der Auftrag-
nehmer ist kein Bittsteller, der dafür
zu sorgen hat, dass der Auftrag-
geber von den Kosten freigestellt
wird.
Aussergerichtliche Streitbeilegung
im englischen Baurecht
Während hierzulande die aus-
sergerichtliche Konfliktbeilegung
(Mediation) immer noch im Dorn-
röschenschlaf liegt, tut sich in vie-
len westeuropäischen Ländern der
EU eine ganz andere Richtung auf.
In Großbritannien gab es in
den 80er und 90er Jahren im pri-
vaten Baurecht ähnliche Probleme
wie wir sie auch seit vielen Jah-
ren in Deutschland haben: Zu viele
Bauprozesse vor den Gerichten, die
viel zu lange dauern, die viel zu
viel kosten und die viel zu viel Kräf-
te binden.
Leidtragende dieses Problems
sind in erster Linie Bauunterneh-
mer und Subunternehmer, die wäh-
rend eines überlangen Bauprozesses
in Insolvenzgefahr geraten, insbe-
sondere in wirtschaftlich schwie-
rigen Zeiten.
Die britische Regierung erkann-
te allerdings den Handlungsbedarf
und ließ eine Situationsanalyse und
ein Reformmodell erstellen. Der
Abschluß dieser Analyse war das
im Jahre 1996 verabschiedete so
genannte
Adjudication Verfahren
.
Im privaten Baurecht war die-
ses nicht nur eine Reform, sondern
eine Revolution.
Für eine große Anzahl von Bau-
und Architektenverträgen wird bei
Entstehen von vertraglichen Strei-
tigkeiten zwingend ein so genann-
tes
Adjudication Verfahren
vorge-
schrieben.
Dies endet mit einer vorläufig
bindenden Entscheidung des
Schlichters und zwar innerhalb
kürzester Fristen, regelmässig je-
doch innerhalb von 28 Tagen.
Der jeweils unterliegenden Par-
tei bleibt es jedoch unbenommen,
vor einem staatlichen Gericht oder
vor einem Schiedsgericht die Ent-
scheidung des Schlichters anzugrei-
fen und den Fall neu entscheiden
zu lassen. In der Praxis hat die Er-
fahrung jedoch gezeigt, dass die
Entscheidungen des Schlichters nur
selten angegriffen werden.
Die Erfahrung in Großbritan-
nien hat ferner gezeigt, dass die
Zufriedenheit der Baubeteiligten
mit diesem Verfahren nicht zu ver-
kennen ist. Die Zahlungsvorgänge
sind erheblich beschleunigt wor-
den, die Zahl der Bauprozesse ist
drastisch gesunken.
Es bleibt abzuwarten, ob die-
ses Modell in gleicher oder abge-
änderter Form auch in Deutschland
Zukunftsaussichten hat.
Allen, die an einer schnellen
Lösung von Konflikten interessiert
sind, wäre dies zu wünschen.
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