Schützen & Erhalten - page 17

Schützen & Erhalten · Juni 2003 · Seite 17
ARBEITSRECHT
Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz – L 1 AL 157/00 – vom 25. Februar 2003 (rechtskräftig)
Ganzjährige Beschäftigung in der Bau-
wirtschaft – Wintergeld für an Samstagen
geleistete Arbeitsstunden
Nach Auffassung des Lan-
dessozialgerichts Rhein-
land-Pfalz kann auch für
Samstagsarbeit, die im
Rahmen einer betriebli-
chen Arbeitszeitflexibili-
sierung geleistet wird,
Mehraufwands-Wintergeld
gewährt werden.
Arbeitszeiten am Samstag wer-
den nach derzeitiger Weisungs-
lage von der Bundesanstalt für
Arbeit nur dann als förderungs-
fähig anerkannt, wenn in dem
Betrieb ein Arbeitszeitausgleich
innerhalb von zwei Kalenderwo-
chen nach § 3 Nr. 1.3 BRTV
durchgeführt wird. Wintergeld
für Samstagsarbeit, die im Rah-
men der Arbeitszeitflexibilisie-
rung nach § 3 Nr. 1.4 BRTV ge-
leistet wurde, wird dagegen von
der Bundesanstalt für Arbeit
bisher nicht gewährt, da zwi-
schen den Tarifvertragspartei-
en des Baugewerbes streitig ist,
ob Samstage als Werktage in die
tarifliche Arbeitszeitflexibilisie-
rung einbezogen werden kön-
nen. Der ZDB ist der Auffassung,
dass nach dem Wortlaut des
§ 3 Nr. 1.4 BRTV auch Sams-
tagsarbeit im Rahmen der be-
trieblichen Arbeitszeit geleistet
werden kann. Die Industriege-
werkschaft Bauen-Agrar-Umwelt
vertritt dagegen die Auffassung,
dass es sich bei Samstagsarbeit
grundsätzlich um zuschlags-
pflichtige Mehrarbeitsstunden
handelt, für die ein Anspruch
auf Mehraufwands-Wintergeld
nicht besteht.
Mit dem Landessozialgericht
Rheinland-Pfalz hat nunmehr –
soweit ersichtlich erstmals – ein
Obergericht der Sozialgerichts-
barkeit entschieden, dass die
Gewährung von Wintergeld für
an Samstagen geleistete Ar-
beitsstunden im Falle der Fle-
xibilisierung der Arbeitszeit
nach § 3 Nr. 1.4 BRTV zulässig
ist. Der Entscheidungkönnen die
folgenden Leitsätze entnommen
werden:
1. Arbeitszeit im Sinne des
§ 69 AFG ist die regelmä-
ßige betriebsübliche wö-
chentliche Arbeitszeit, so-
weit sie die tarifliche wö-
chentliche Arbeitszeit
nicht überschreitet. Bei
Arbeitszeitschwankungen
aufgrund von flexiblen Ar-
beitszeitmodellen sind da-
bei grundsätzlich alle
Stunden als betriebsüblich
anzusehen, die innerhalb
des von dem Flexibilisie-
rungsmodell vorgesehenen
Rahmens (hier: bis zu 10
Stunden täglich) geleistet
werden, soweit der Übung
im Betrieb entnommen
werden kann, dass die
Möglichkeiten der Flexibi-
lisierung tatsächlich ge-
nutzt werden.
2. Auch an Samstagen gelei-
stete Arbeitsstunden sind
als betriebsüblich anzuse-
hen, wenn die Samstags-
arbeit nicht vertraglich
ausgeschlossen ist, in dem
Betrieb auch mit einer ge-
wissen Regelmäßigkeit an
Samstagen gearbeitet wur-
de und durch die Sams-
tagsarbeit nicht die tarif-
liche wöchentliche Ar-
beitszeit überschritten
wurde.
3. Eine durch die Samstags-
arbeit verursachte Über-
schreitung der tariflichen
wöchentlichen Arbeitszeit
in einzelnen Wochen ist
unschädlich, wenn die Ar-
beitszeit im Durchschnitt
nicht von der tariflichen
Arbeitszeit abweicht. Da-
bei ist es auch unschäd-
lich, wenn das Vor- bzw.
Nachholen der tariflichen
Arbeitszeit nicht den Vor-
gaben des Tarifvertrages
entspricht, soweit sich die
Tätigkeit in Übereinstim-
mung mit den arbeits-
schutzrechtlichen Vor-
schriften zur Arbeitszeit
befindet.
Das Urteil lässt ausdrücklich
offen, ob für die Ermittlung des
Durchschnitts der tariflichen
wöchentlichen Arbeitszeit auf
den vertraglich vorgesehenen
Ausgleichszeitraum (12 Kalen-
dermonate) oder lediglich auf
den Förderungszeitraum (15.
Dezember bis 28. Februar) ab-
zustellen ist. Weiterhin lässt das
Urteil offen, ob die Tarifvertrags-
parteien des Baugewerbes mit
der Festlegung eines zwölfmo-
natigen Ausgleichszeitraums in
§ 3 Nr. 1.4 BRTV in zulässiger
Weise von der gesetzlichen Öff-
nungsklausel des Arbeitszeitge-
setzes Gebrauch gemacht haben.
Beide Fragen waren ebenso
wenig entscheidungserheblich
wie die zwischen den Tarifver-
tragsparteien umstrittene Fra-
ge, ob Samstagsarbeit nach dem
Bundesrahmentarifvertrag als
tarifliche Arbeitszeit anzusehen
ist. Für das Landessozialgericht
Rheinland-Pfalz war es vielmehr
allein maßgeblich, dass die
Anzahl der geleisteten Arbeits-
stunden im Durchschnitt der
tariflichen wöchentlichen Ar-
beitszeit entsprach. Auf die Lage
und Verteilung der Arbeitszeit
auf die einzelnen Wochentage
einschließlich der Samstage kam
es nach Auffassung des Gerichts
letztendlich nicht an.
Das Urteil des Landessozi-
algerichts Rheinland-Pfalz be-
stätigt im Ergebnis die bishe-
rige Rechtsauffassung des ZDB
(vgl. Winterbau-Merkblatt 2002/
2003, Seite 17/18) und ist da-
her zu begrüßen. Da eine Re-
vision nicht zugelassen wurde,
ist das Urteil nunmehr rechts-
kräftig. Wir gehen davon aus,
dass die Bundesanstalt für Ar-
beit ihre Weisungen noch vor
der kommenden Schlechtwetter-
periode 2003/2004 entspre-
chend ändern wird.
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