Schützen & Erhalten - page 25

Schützen & Erhalten · März 2010 · Seite 25
Ausbildung
Handwerker auf dem Weg zum Akademiker
Bachelor-Studiengang „Bauen im Bestand“
Was bislang als unvorstellbar galt, wird
am Berufsbildungszentrum (HBZ) der
Handwerkskammer Münster in großen
Schritten Wirklichkeit. In enger Koope-
ration mit der Fachhochschule Münster
nehmen dort 17 Handwerksmeister an
einem Bachelor-Studiengang teil. Nach 6
Semestern wollen sie ihr Studium mit dem
Titel „Bachelor of Engineering“ abschlie-
ßen. Ihnen stehen dann attraktive Wege in
ein neues Berufsleben offen: Als leitende
Mitarbeiter in Planungsbüros, als Bauleiter
in Bauunternehmen oder in der Baustoff-
Industrie. Anfragen von Arbeitgebern nach
den demnächst neu qualifizierten Kräften
liegen bereits vor.
Der Studiengang „Bauen im Bestand“ startete
am 1. Oktober 2009 und wird schon jetzt als
„Münsteraner Modell“ gepriesen. „Dieses An-
gebot ist bislang einzigartig in der deutschen
Bildungslandschaft. Eine zukunftsträchtige,
hervorragende Qualifikation für aufstrebende
Handwerker,“ erklärt Hellmut Himpe, Leiter der
Akademie „Bauhandwerk“ am Berufsbildungs-
zentrum Münster. Die Teilnehmer haben unter-
schiedliche handwerkliche Ausbildungen: Maurer,
Tischler, Dachdecker sowie Heizungs- und Sani-
tär-Installateure haben sich inzwischen an den
Studienalltag gewöhnt. Gering ist die Zahl der
Abiturienten ohne handwerkliche Ausbildung.
Lediglich einem Teilnehmer fehlte die Zugangs-
berechtigung zur Hochschule. Weil ihm der Meis-
terbrief fehlt, hat er sich per Eignungsprüfung
an der Fachhochschule qualifiziert.
Nach Ende des ersten Semesters kann eine
erste Bilanz gezogen werden: es gibt keinen ein-
zigen, der „die Flinte ins Korn“ geworfen hat,
freut sich Himpe und ist überzeugt: „Die vorle-
sungsfreie Zeit wird auch zur Weiterbildung ge-
nutzt, denn es folgen bald wieder 35 Wochen-
stunden mit einer wohl dosierten Mischung aus
Vorlesungen und praktischen Übungen.“ Beson-
derer Vorteil des nur 17köpfigen Studiengangs
sind die kleinen Gruppen, die ein intensives Stu-
dieren ermöglichen. Hinzu kommt das Angebot,
dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter ihren
Studenten auch nach den Vorlesungen zur Ver-
fügung stehen. Zumindest zweimal wöchentlich.
Besonders gefragt sind dann Unterstützungen in
den Fächern Mathematik und Statik.
Nach Auskunft von Hellmut Himpe sind die
beiden ersten Semester theorielastig. Vom drit-
ten Semester an geht es dann, so Himpe, ver-
stärkt in die Praxis. Die Studenten haben dann
die Möglichkeit, in Betrieben ihre Kenntnisse
umzusetzen und mit ihnen zusammen eine Ab-
schlussarbeit zu schreiben.
Die individuelle Betreuung der Studenten
sieht auch Exkursionen vor. Zunächst ging es
nach Köln. Auf dem Programm standen dort fach-
kundige Führungen durch den Kölner Dom, St.
Columba und dem Hotel Wasserturm. Eine ideale
Kombination, denn neben der ewigen Baustelle
Dom, zeigt sich die im Krieg gänzlich zerstörte
Kirche St. Columba als ein besonders gelungenes
Beispiel moderner Architektur unter Einbindung
alter Ruinenreste. Und wie sich aus einem denk-
malgeschützten Wasserturm ein Luxushotel ma-
chen lässt, auch dies
war ein gelungenes
Anschauungsprojekt
für die zukünftigen
Bachelor.
Doch vor den voll-
wertigen Hochschul-
abschluss haben die
Ideengeber des Ba-
chelor-Studienganges
aber den Schweiß ge-
setzt: Die Absolventen
haben ein pralles Pro-
gramm zu bewältigen.
Im Unterschied zu anderen Hochschulen wer-
den schwerpunktmäßige Akzente gesetzt auf:
Bauaufnahme, Denkmalpflege, Baugeschichte,
Baukonstruktion und Bauphysik. Auch wenn es
manchem Studenten nicht so sehr in den Kram
passt: auch Mathe und Statik gehören natürlich
dazu. Eigene Entwürfe werden ab dem dritten
Semester gefordert. Außerdem steht dann das
Projekt „Praxis der Sanierung von Wohn- und
gewerblich genutzten Immobilien“ an.
Bereits im Herbst dieses Jahres startete ein
neues Erstsemester. Hellmut Himpe: „Die Einma-
ligkeit unseres Angebotes hat sich in den Bran-
chen bereits herumgesprochen. Über mangelnde
Nachfrage können wir nicht klagen, zumal die gu-
ten beruflichen Zukunftschancen unserer Absol-
venten unumstritten sind.“ Und Gero Hebeisen,
Geschäftsführer eines großen Sanierungsbetrie-
bes fügt zustimmend hinzu: „Ich wäre glücklich
gewesen und hätte mir gewünscht, wenn es in
meinen Anfangsjahren einen solchen Studien-
gang gegeben hätte.“
Elmar Bamfaste
Deutschlands erster Bachelor Studiengang „Bauen im Bestand“
Eine Baustelle für die Ewigkeit, voller Überraschungen
und Herausforderungen – der Kölner Dom.
Für ihn eine Selbstverständlichkeit, dass die
1. Exkursion mit seinen Studenten nur in Köln statt-
finden kann. Dipl.-Ing. Architekt Klaus Grahl
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