Schützen & Erhalten - page 23

Es schreibt
für Sie:
Dr. rer. nat.
Constanze
Messal
Fachbereichs-
leiterin
Schimmelpilze
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Schimmelpilze
Wachstum und Aktivität von Mikroorga-
nismen sind streng an das Vorhandensein
von freiem Wasser gebunden. Nährstoffe,
wie Kohlenhydrate oder Spurenelemente
allein reichen nicht aus, um einen Befall,
d. h. ein Auskeimen von Sporen und Ver-
mehren von Zellen auszulösen. Daher tritt
eine massive Entwicklung von Pilzbefällen
erst nach Erreichen und Aufrechterhaltung
einer bestimmten Wasseraktivität a
W
(Ge-
halt an freiem Wasser) auf, obwohl eine
ausreichende Kontamination mit Sporen
und dormanten Zellen oftmals schon mit
dem Einbau der Baustoffe gegeben ist.
Masterfaktor Wasser
Über die Wasserverfügbarkeit steuern sich
sämtliche Lebensvorgänge der Mikroben. Es gilt:
ohne Wasser keine mikrobielle Aktivität. Dabei
ist Wasser nicht gleich Wasser, es muss in freier
Form vorliegen. „Freies“ Was-
ser bedeutet in diesem Fall
– es hat die gleichen physi-
kalischen Eigenschaften wie
reines Wasser. Freies Wasser
ist notwendig, damit Nähr-
stoffe und Metabolite, aber
auch Gase, die Zellmembranen
passieren können. Der Wasser-
bedarf von Mikroorganismen
ist artspezifisch. Als Maß für
diesen Wasserbedarf wird die
Wasseraktivität a
W
angegeben.
Die Wasseraktivität ist die
Messung des Energiestatus des Wassers in einem
System. Die Wasseraktivität gibt an, um wie viel
der Wasserdampfpartialdruck (im Poren- und
Kapillarraum) eines Baustoffes gegenüber dem
Sättigungsdruck von reinem Wasser bei dersel-
ben Temperatur vermindert ist. Ausgehend von
der Gibbs’schen Fundamentalgleichung (1) mit
U – innere Energie, T-Temperatur, S-Entropie,
p-Druck, V-Volumen sowie µ – chemisches Po-
tential und n-Stoffmenge
(1)
dU=TdS-pdV+
µ
i
dn
i
ergibt sich umgestellt nach dem chemischen
Potential in Gleichung (2) die Beziehung zum
Aktivitätskoeffizienten im Falle von wässrigen
Systemen der Wasseraktivität
(2)
µ
i
= µ
i
o
+R*T*ln a
W
Gibbs definierte das chemische Potential µ
als die Möglichkeit eines Stoffes mit anderen
Stoffen chemisch reagieren zu können, einen
Phasenübergang vorzunehmen und sich im Raum
verteilen zu können, was letztendlich als Diffu-
sion zu bezeichnen ist. Das chemische Potenti-
al ist demnach eine Funktion der Wasseraktivi-
tät. Dabei können die Prozesse stattfinden, die
Masterfaktor Wasser
mit einer Absenkung des chemischen Potentials
einhergehen.
Es kann als eine grobe Vereinfachung ange-
nommen werden, dass im Gleichgewichtszustand
die rel. Feuchtigkeit der Raumluft in etwa dem
a
W
-Wert des Bauteils entspricht, da ein beste-
hendes Dampfdruckgefälle durch Wasserdampf-
diffusion ausgeglichen wird. Das gilt für einen
theoretischen Baustoff ohne Porenraum, ohne
Grenzflächen und irgendeine Art von Wechsel-
wirkung mit Wassermolekülen. Bei bauphysika-
lischen Berechnungen wird von diesem Zustand
ausgegangen. Berechnungen zur Ermittlung der
Tautemperatur an der Bauteiloberfläche etc.
geben hierbei die rel. Luftfeuchtigkeit an der
Bauteiloberfläche wieder, jedoch nicht den a
w
-
Wert des Baustoffes. Von Bedeutung sind die-
se Berechnungen dennoch, da sie beschreiben,
welches Feuchtereservoir dem Baustoff zur Ver-
fügung steht. Eine mikrobielle Gefährdung lässt
sich daraus zwar ableiten, ein Zwang zur Be-
siedelung ergibt sich daraus
aber nicht.
Nun wird die Wasserakti-
vität jedoch nicht ausschließ-
lich von der Wasserdampfdif-
fusion bestimmt. Die Verfüg-
barkeit von freiem Wasser im
Baustoff ist abhängig von den
Stoffeigenschaften, wie Zu-
sammensetzung, Kapillarität
und Schichtung. Dabei kann
Wasser durch Kapillarkräfte
absorbiert, durch Adhäsion
an Moleküloberflächen, durch
Adsorption an Grenzflächen physikalisch oder
als Kristallwasser chemisch gebunden werden.
Derart fixiertes Wasser leistet zwar einen ent-
scheidenden Beitrag zur Gesamtwasseraufnahme,
steht aber nicht als freies Wasser zur Verfügung
und wird auch nicht als freies Wasser erfasst.
Zudem gibt es keinen Zusammenhang zwi-
schen dem Absolutwassergehalt an sich und der
Wasseraktivität a
W
, denn Letztere wird durch die
innere Struktur der Baustoffe bestimmt, d.h. was
an inneren Porenräumen zur Verfügung steht und
wie das Partialdruckverhältnis (Gradient) korre-
spondierender Dampfvolumina beschrieben ist.
Die Wasseraktivität ist nicht mit der Gleichge-
wichtsfeuchte identisch, nicht einmal im Gleich-
gewichtszustand. Nach Lohmeyer und anderen
ist die Ausgleichs- bzw. Gleichgewichtsfeuchte
der Wassergehalt, der sich im Baustoff bei kon-
stanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit einstellt,
wenn alle Gradienten ausgeglichen sind
[3,9]
. Die
Wasseraktivität im Gleichgewichtszustand wäre
lediglich der Anteil des freien Wassers an diesem
spezifischen Wassergehalt. Es finden sich in neu-
eren Lehrbüchern und Veröffentlichungen Aus-
sagen, in denen die Wasseraktivität und Gleich-
gewichtsfeuchte gleichgesetzt werden. Das ist
anscheinend ungeprüft aus der Lebensmittel-
technik übernommen worden. Da Lebensmittel
Schützen & Erhalten · Juni 2013 · Seite 23
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