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Schützen & Erhalten · September 2016 · Seite 22

Fachbereiche

Schimmelpilze

Was heißt denn hier verkehrsfähig? Regelungen für

den Biozideinsatz

Biozideinsatz in der Bekämpfung von

Schimmelschäden ist und bleibt ein Dau-

erthema. Nicht zuletzt neu aufgeworfen

mit dem Entwurf des neuen Schimmel-

Leitfadens des Umweltbundesamtes. Ver-

ständlich, dass dies heftige Diskussionen

auslöste. Unverständlich, warum dabei

(übrigens schon länger) existierende

Regelungen entweder falsch zitiert oder

einfach ignoriert werden.

Da hilft es auch nichts, wenn mit heroischem

Schwung ein wagemutiger Verkäufer vor Augen

der staunenden Damenschaft todesverachtend

sein eigenes Desinfektionsmittel trinkt und er-

klärt, das ist nur Wasser. Die Disqualifikation

erfolgt sogleich mit einem sachkundigen Blick

auf das Etikett. Tja – nicht verkehrsfähig! Doch,

wird argumentiert, es gibt ja EU-Richtlinien. Ja,

die stehen auch drauf. Nur galten diese nicht

für Biozidprodukte. Und waren zudem auch noch

seit einem Jahr ungültig…

Vorkommnisse dieser Art sind an der Tages-

ordnung. Dem Anwender wird es auch aufgrund

solcher verharmlosender Darstellungen nicht

leichtgemacht, sich zwischen all den Verord-

nungen, EU-Richtlinien und Zulassungsnummern

zurechtzufinden. Dabei ist von EU-Richtlinien

über BAuA bis hin zur TRGS alles zum Biozidein-

satz geregelt, dazu bedarf es noch nicht einmal

eines Verweises im Schimmelleitfaden. Bringen

wir doch mal etwas Licht in diesen Dschungel.

Biozide sicher verwenden!

Dieser Leitsatz steht nicht zum Spaß auf der

Flasche. Er ist Pflicht. Gesetzlich vorgegeben.

Wie so einiges, was beim und insbesondere VOR

dem Einsatz von Bioziden durch den Anwender

abzuprüfen ist. Dabei wird dem Anwender reich-

lich Sachkenntnis abverlangt. Nicht nur, was die

wissenschaftlich-technischen Hintergründe be-

trifft, sondern auch rechtlich fit muss er sein, der

Anwender. Er hüpft nämlich durch verschiedene

Rechtsbereiche! Und dies soll auch Schwerpunkt

der heutigen Ausführungen sein.

Was wir heute mal nicht machen, ist zu be-

werten, ob Biozide in der Sanierung von Schim-

melschäden etwas taugen und wenn ja, welche

und wozu. Das können wir gern später erörtern.

Und so sparen wir uns auch gleich mal sämtliche

Definitionen, die finden wir nämlich im Leitfaden

oder demnächst auch in der neuen DGUV-I (10).

Regelungen auf europäischer und

nationaler Ebene

Für das Bereitstellen und Inverkehrbringen

von bioziden Wirkstoffen, deren Formulierungen

sowie gebrauchsfertiger Mischungen und mit

Bioziden behandelter Waren sind gesetzliche

Regelungen auf europäischer wie auf nationa-

ler Ebene zu berücksichtigen. Dabei ist europä-

isches Recht auch national verbindlich, erlaubt

aber durchaus auch abweichende Regelungen

auf nationaler Ebene. So sind das Bereitstellen

und Inverkehrbringen durch die Biozidprodukte-

Verordnung auf EU-Ebene geregelt, Richtlinien

zur Anwendung hingegen in der Gefahrstoff-Ver-

ordnung (GefStoffV) und den zugehörigen Tech-

nischen Regeln (TRGS) national verankert. Tiefer-

gehende anwendungs- bzw. branchenspezifische

Regelungen oder Empfehlungen sind dann bei-

spielsweise in den Desinfektionsmittellisten des

Robert Koch-Institutes oder Veröffentlichungen

der DGUV nachlesbar. Vertiefen wir das kurz:

Biozidprodukte-Verordnung

Seit 01. September 2013 gilt die

Verordnung

(EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments

und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereit-

stellung auf dem Markt und die Verwendung von

Biozidprodukten (BP-V).

Geregelt ist in dieser für

alle Mitgliedstaaten unmittelbar gültigen Verord-

nung das

Bereitstellen und Inverkehrbringen

von Bioziden und Biozidprodukten auf nationaler

Ebene zur Erfüllung der Richtlinie 98/8/EG, sie

gilt also für Hersteller und Lieferanten.

Die alte EG-Richtlinie hatte in einer Positiv-

liste die zukünftig einsetzbaren Biozide aufge-

listet, die als sog. Unionsliste in die Biozidpro-

dukte-Verordnung übernommen wurden. Die hier

aufgeführten Wirkstoffe (und nur diese) dürfen

dann durch die Mitgliedstaaten als Wirkstoffe in

den einzelnen Produktgruppen und nachfolgend

als aktive Substanzen in bzw. mit Biozidpro-

dukten zugelassen werden. Dazu sind entspre-

chende Dossiers einzureichen, und zwar für jedes

Produkt, welches eine biozide Wirkung auslobt,

was übrigens auch auf physikalische Verfahren

(Ozon) oder aber vor Ort hergestellte Biozide

(elektrochemisch aktiviertes Wasser) zutrifft.

Biozide, welche im Rahmen der EG-Richtlinie

in eine Negativliste aufgenommen wurden, dür-

fen nach einer Übergangsfrist nicht mehr ein-

gesetzt werden. Nanopartikel, z. B. Nanosilber,

sind ausdrücklich nicht durch die Biozidprodukte-

Verordnung zugelassen.

Seit September 2015 dürfen Biozidprodukte

nur noch Wirkstoffe von Herstellern enthalten,

die in einer von der ECHA (Europäische Chemika-

lienagentur) erstellten Liste aufgeführt werden.

Bereits über die EG-Richtlinie wurden sog.

Produktgruppen und Produkttypen festgelegt. Wer

einen zugelassenen Wirkstoff

für die präventive

Oberflächenbehandlung oder eine kurative (be-

kämpfende) Anwendung in der Schimmelschaden-

beseitigung sucht, findet zugelassene Wirkstoffe

zunächst in der Hauptgruppe 1 „Desinfektions-

mittel“ und weiter in der Produktgruppe 2 (PT

2), die wie folgt definiert ist:

Desinfektionsmittel

und Algenbekämpfungsmittel; Produkte zur Des-

infektion von Oberflächen, Stoffen, Einrichtungen

und Möbeln. Die Anwendungsbereiche umfassen

Klimaanlagen sowie Wände und Böden sowohl im

privaten als auch im öffentlichen und industri-

ellen Bereich und in anderen für eine berufliche

Tätigkeit genutzten Bereichen. Produkte zur Des-

infektion von Luft sowie für zur Sanierung von

Abb. 1: Was das Dossier für die Zulassung eines Biozidproduktes enthalten muss: Identität des Wirkstoffes, sei-

ne Wirksamkeit gegen die Ziel-Organismen, Einfluss auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt sowie die

Zulassung des Wirkstoffes in der Unionsliste.

Bildquelle: https://echa.europa.eu/guidance-documents/guidance-on-biocides-legislation