Previous Page  72 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 72 / 80 Next Page
Page Background

Die Ex-Press

Berufsinformation des DSV e.V.

|

Schwerpunkt

LBV-Tipps zu Spechten

Frau Dipl.-Ing. (FH) Sylvia Weber vom Lan-

desbund für Vogelschutz (LVB) in München

kennt das Verhalten von Spechten sehr

genau und weiß um die Aspekte rund um

Spechte an Hausfassaden, auch mit Blick

auf den Artenschutz:

Frau Weber, welches Verhalten liegt einem „Klop-

fen“ zugrunde?

S.W.: Spechte gelangen meist im Zuge der

Nahrungssuche an Fassaden. Sie greifen Insek-

ten und Spinnentiere, die auf Fassaden sitzen,

ab und untersuchen dann die Fassade nach tiefer

liegenden Insektenlarven, indem sie den Putz,

aufhacken. Dies entspricht dem natürlichen

Verhalten an Bäumen und findet sowohl an ge-

dämmten als auch an nicht gedämmten Fassaden

statt. Eine gedämmte Fassade klingt aber beim

Hacken hohl und signalisiert dem Specht damit

„Totholz“, also einen schnellen Hackerfolg; so

entsteht ein Anreiz, hier nicht nur nach Nah-

rung zu suchen, sondern auch Höhlen zu bauen.

Sind die Schäden durch den Specht immer ein-

deutig als „großes“ Loch erkennbar?

S.W.: Nicht jede Hackstelle wird zur Schlaf-

oder Bruthöhle ausgebaut. Um Fassadenschäden

umfänglich zu beseitigen, sollte man das Augen-

merk auch auf kleinere Schadstellen richten, denn

auch hierkann Feuchtigkeit ins Wärmedämmver-

bundsystem eindringen und es schädigen.

Wie weit sollte eine Vergrämung Ihrer Ansicht nach

in der Fläche an der Fassade ansetzen?

S.W.: Damit ein Specht nach dem Verschluss

nicht erneut Höhlen hackt, sollte im Zuge der

Reparaturarbeiten unbedingt eine möglichst

großflächige Vergrämung angebracht werden.

Vorsorglich sollte man auch bisher unbehackte

Ecken und fensterlose Bereiche schützen. Spechte

sitzen vor dem Anflug an ein Gebäude gerne in

einem Baum oder Großstrauch und prüfen, ob

„die Luft rein ist“ oder ob Gefahren drohen. Auf

kürzestem Weg fliegen sie von diesem Ansitz an

die Fassade. Am Umfeld und an der Fassadenglie-

derung kann man also schon erkennen, welche

Bereiche behackt werden könnten.

Welche Vergrämungsmaßnahmen sind Ihrer Er-

fahrung nach erfolgreich?

S.W.: Bewegliche Abwehrmaßnahmen wie z.B.

Vorhänge aus flatternden Bändern oder CD-Ketten

haben bislang öfter Erfolg gezeigt als Attrappen

von Feinden oder Konkurrenten. Diese verhalten

sich nicht „natürlich“ und es tritt bald ein Ge-

wöhnungseffekt ein. Bei allen Abwehrmaßnah-

men ist es wichtig, dass sie großflächig ange-

bracht werden, um ein Ausweichen des Spech-

tes in nicht vergrämte Bereiche zu vermeiden.

Grundsätzlich gilt aber: Jeder Specht reagiert

anders. Deshalb sollte man bei ausbleibendem

Erfolg auch mal eine andere Methode auspro-

bieren. Da Spechte wie die meisten anderen Vo-

gelarten unter Naturschutz stehen, darf die Ver-

grämung dem Tier keinen körperlichen Schaden

zufügen. Netze aus Nylon oder Stacheln bergen

eine hohe Verletzungsgefahr für Spechte und an-

dere geschützte Wildvogelarten, als Spechtab-

wehr kommen sie daher nicht infrage.

Im Frühjahr dürfen Hecken mit Rücksicht auf brü-

tende Vögel nur bis zu einem bestimmten Zeit-

punkt geschnitten werden. Sind da Parallelen zu

möglichen Bruten in Spechtlöchern?

S.W.: Ja. Nicht nur Spechte brüten in Ein-

zelfällen in Fassadenhöhlen. Auch viele andere

Tierarten nutzen das Höhlenangebot, als Un-

terschlupf und Fortpflanzungsstätte, vor allem,

wenn die Schadstellen schon vor längerer Zeit

entstanden sind. Wir empfehlen darum, kleinere

Hackschäden sofort wieder zu verschließen, be-

vor sie zu einer komfortablen Höhle ausgebaut

werden. Fertige Höhlen sollten aber keinesfalls

in der Vogelschutzzeit (März mit September)

verschlossen werden. Auch außerhalb dieser

Zeit muss umsichtig gearbeitet werden, denn

z. B. Fledermäuse können ihren Winterschlaf in

Fassadenhöhlen verbringen. Vor dem Verschluss

muss also immer geprüft werden, ob sich Tiere

in den Fassadenhöhlen befinden. In diesem Fall

müssen die Arbeiten sofort eingestellt werden.

Wie kann man zweifelsfrei feststellen, ob sich kein

Gelege oder Jungvögel hinter der Fassade befin-

den, geht es hier alleinig um Spechte?

S.W.: Fassadenhöhlen können sehr umfang-

reiche Ausmaße annehmen und um eine Hause-

cke herumreichen. Nester, Gelege und Jungtiere

befinden sich immer versteckt am hinteren Ende

der Höhle. Nur manchmal gelingt es, bei einer

Sichtkontrolle mit Taschenlampe und Spiegel

den gesamten Hohlraum zu erfassen. Mit einer

Schlauch- oder Endoskopkamera erzielt man si-

chere Ergebnisse. Man kann die Putzschicht auch

vorsichtig aufschneiden und zur Seite biegen,

um das gesamte Innere einzusehen. Findet man

Tiere in der Höhle, wird der Schnitt mit einem

Textilklebeband schnell wieder verschlossen.

Organisches Material (z. B. Nistmaterial oder

Kot) muss aus den Höhlen entfernt werden, be-

vor sie fachgerecht verschlossen werden. Saugt

man dieses Material ohne vorherige Prüfung aus

dem Loch heraus, hat man keine Kontrolle, ob

man dabei Tiere schädigt.

Wann empfehlen Sie, mit der Vergrämung des

Spechtes zu warten?

S.W. Nicht nur die Tiere selbst, sondern auch

ihre Gelege sind gesetzlich geschützt! Befinden

sich Gelege oder Tiere in einer Höhle, müssen die

Arbeiten zurückgestellt werden, bis die Tiere die

Höhle von selbst verlassen haben. Bei Jungvö-

geln kann das je nach Art und Entwicklungsstand

schon nach 2 bis 3 Wochen der Fall sein. Junge

Eichhörnchen bleiben insgesamt etwa 10 bis 12

Wochen im Nest. Auch im Herbst und Winter ist

Vorsicht geboten: Winterschlafende Fledermäu-

se dürfen nicht gestört werden! Sie verlassen

die Höhlen im Frühjahr, etwa ab April. Wird eine

Fassade von Tieren „bewohnt“, empfiehlt sich die

Zusammenarbeit mit Experten der Naturschutz-

organisationen oder der Naturschutzbehörden.

Sie können auch Aussagen über Ersatzquartiere

machen, die bei einigen Arten gesetzlich vor-

geschrieben sind.

Fragen Gabriele Flingelli

Der LBV betreibt mit Unterstützung der Landes-

hauptstadt München das Projekt „Artenschutz an

Gebäuden“. Hierbei geht es um den Schutz von

Gebäudebrütern und Fledermäusen. Näheres und

ein umfassender und fachlich hilfreicher Ratgeber

zur Spechtthematik unter

www.lbv-muenchen.de/download_broschueren

Immer zu bedenken! Specht-

höhlen werden auch von

weiteren Vögeln (z. B. Staren)

genutzt. Bei Gefahr halten

die Küken still, das macht

es nicht einfacher, auch lässt

sich die tatsächliche Windung

der Höhle hinter der Fassade

von außen kaum beurteilen…

…oftmals tritt ein tief

verborgenes Nest wie hier

von Sperlingen erst mit

dem Aufschneiden der

Fassade zu Tage!

Foto: ©A_Lein – fotolia.com

Fotos: Sylvia Weber