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Schützen & Erhalten · Dezember 2008 · Seite 24
dauerelastische Fugen u. ä. als biologisch ver-
wertbaren Substraten bereits ab 75 %rF Schim-
melpilzwachstum oder Sporenkeimung einsetzt
und nur bei Temperaturen unter 10°C erst bei
80%rF. Eine Randbedingung von 80%rF birgt
in sich demnach ein gewisses (wenn auch gerin-
ges) Risiko der Schimmelpilzbildung (und zwar
insb. Wallemia sebi und ausgerechnet einige der
gefährlichen Aspergillus-Arten). Sicher wäre die
Begrenzung auf 70%rF (oder gar 65%rF)! Daraus
ergäbe sich ein Temperaturfaktor f
Rsi
von mindes-
tens 0,79 (s. Bild 11 dicke violette Linie)!
Wesentlich schlimmer ist jedoch die An-
nahme einer Raumluftfeuchte von nur 50 %rF.
In gut gelüfteten Wohnungen stellt sich in der
Praxis eine relative Luftfeuchte in der Nähe von
60 %rF ein. Daraus ergäbe sich ein Temperatur-
faktor f
Rsi
von mindestens 0,9 (s. Bild 11 dicke
rote Linien)!
Durch ausreichendes Lüften lassen sich je-
denfalls 50 %rF nur kurzzeitig unterschreiten.
Fordert hier der Normenausschuss etwa den
Einbau von Klimaanlagen ohne es offen zuge-
ben zu wollen?
Das anerkannte Behaglichkeitsfeld nach Leus-
den und Freymark für die Raumluftfeuchtigkeit
liegt zwischen 35 und 70%rF. Mit welchem Recht
engen die Verfasser dieser Norm den Raumkli-
ma-Wohlfühlbereich auf Raumluftfeuchten unter
50 %rF ein, zumal die Ärzte zur Vorsorge gegen
bronchiale Erkrankungen eine ausreichend hohe
Raumluftfeuchte (ggf. mit Hilfe von Raumluft-
befeuchtern) fordern? Dem entgegen fordert
kein Mediziner Raumluftentfeuchter! Auch in
der Rechtsprechung wird mehrheitlich eine For-
derung nach Einhaltung einer Raumluftfeuchte
unter 50%rF als inakzeptable Einschränkung der
persönlichen Freiheit der Mieter bewertet.
Bei niedrigeren Außentemperaturen (unter
-5°C) verschärft sich die Situation weiter.
Die in der DIN 4108-2 unterstellten Rand-
bedingungen bilden also eine Situation ab, die
keine typische Gebäudenutzung beschreibt, von
einer Nutzung am oberen Rand des Behaglich-
keitsfeldes ganz zu schweigen. Seit wann stellt
man Normen für günstige Ausnahmefälle und
ohne Sicherheitsfaktoren auf? Der Grenzwert von
0,70 für den Temperaturfaktor f
Rsi
büßt dadurch
seine Aussagekraft völlig ein. Die Forderungen
zur Vermeidung von Schimmelpilzbildung nach
DIN 4108-2 sind viel zu schwach. Sie sind ent-
gegen dem Versprechen der Norm eben leider
nicht ausreichend. Wen wundert es noch, dass
Schimmelpilzbefall so überaus häufig in Woh-
nungen auftaucht?
Was tun?
Ich kann nur davor warnen, sich beim Feuch-
teschutznachweis auf die DIN 4108 zu verlassen
und sie uneingeschränkt anzuwenden.
Wenn wir davon ausgehen wollen, dass das
bauphysikalische Modell der Tauwasserbildung
im Bauteilquerschnitt die real herrschenden Ver-
hältnisse ausreichend genau widerspiegelt, dann
kann ein Feuchteschutznachweis entsprechend
Fall a aus DIN 4108-3
als sicher angesehen
werden. Er entspricht
der präzisierten alten
Bauregel (s. Kasten
2). Sie ist sehr ein-
fach und handlich, für
die praktische Anwen-
dung also hervorragend
geeignet.
Eine weitere Mög-
lichkeit bietet das Si-
mulationsprogramm
WUFI, das mit den
WTA-Merkblättern 6-
1-01/D „Leitfaden für
hygrothermische Si-
mulationsberechnun-
gen“ und 6-2-01/D
„Simulation wärme-
und feuchtetechni-
scher Prozesse“ zur
anerkannten Regel der
Technik erhoben wur-
de. Aber auch hier wird
eine zeitweilige Tau-
wasserbildung und da-
mit ein Materialfeuch-
teanstieg gerade in der
kritischen Heizperiode
zugelassen. Die daraus
resultierenden höheren
Wärmeverluste bleiben
Alte Bauregel
Aus Feuchteschutzgründen sind die Bau-
stoffe (inkl. Dämmstoffe, Schutzschichten, An-
striche, Luftschichten) der einzelnen Schichten
in einem Außenbauteil eines Gebäudes so zu
wählen, dass von Schicht zu Schicht von innen
nach außen (mit Ausnahme der raumseitigen
Sorptionsschicht) sowohl die Wärmeleitfähig-
keit
λ
als auch die Wasserdampfdiffusionswi-
derstandskennzahl
µ
abnehmen.
Präzisierte alte Bauregel
Aus Feuchteschutzgründen sind die Bau-
stoffe (inkl. Dämmstoffe, Schutzschichten, An-
striche, Luftschichten) der einzelnen Schichten
in einem Außenbauteil eines Gebäudes so zu
wählen, dass von Schicht zu Schicht von innen
nach außen (mit Ausnahme der raumseitigen
Sorptionsschicht) das Produkt
λ
×
µ
aus Wärme-
leitfähigkeit und Wasserdampfdiffusionswider-
standskennzahl abnimmt.
Fachbereiche
Sachverständige
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040-611 400
Plan International Deutschland e.V.
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AZ-92X120:. 25.01.2008 13:09 Uhr Seite 1
aber in der EnEV unberücksichtigt (was auch die
Vergleichbarkeit der Wärmeschutzkonstruktio-
nen verfälscht).
Für die Vermeidung der Schimmelpilzbildung
steht mit dem h-x-Diagramm für beliebige Raum-
temperatur- und Raumluftfeuchtekonstellationen
in realen und prognostizierbaren Nutzungsver-
hältnissen eine relativ einfache und handliche
Bestimmungsmethode zur Verfügung. Es ist völ-
lig unnötig, mit steifen Temperaturfaktorgren-
zen zu arbeiten.
Die Werkzeuge für einen sicheren Feuchte-
schutz bei der Wärmeschutzplanung sind also
vorhanden, man muss sie nur anwenden.
Schlusswort
Ich hoffe, in dieser Aufsatzfolge verdeut-
licht zu haben,
– dass der Wärmeschutz mehr ist als der bloße
Einbau von Marktangeboten „von der Stan-
ge“, sondern eine durchaus anspruchsvolle
Aufgabe geblieben ist, bei der dem Feuch-
teschutz eine nicht zu vernachlässigende
Rolle zukommt,
– dass Holz- und Bautenschützer (vordergrün-
dig die Sachverständigen) gute Vorausset-
zungen für eine sachkundige Energieberatung
mitbringen,
– dass ein Gedankenaustausch in einem Lehr-
gang oder Workshop ganz nützlich wäre
und
– dass die Feuchteschutznormen dringend ei-
ner Überarbeitung bedürfen.
Dr.-Ing. Manfred Wolf
Energie-Umwelt-Bautenschutz Beratung
Zum Lindenhof 12, 09212 Limbach-Oberfrohna
Telefon und Fax (0 3722) 818998
E-Mail:
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