Schützen & Erhalten - page 14

Schützen & Erhalten · Dezember 2001 · Seite 14
und meinte, dass die erste Ein-
schätzung des Gefahrenpoten-
tials des Standorts durch die nun
abgesicherten Erkenntnisse
der Folgeuntersuchungen zu
revidieren sei. Mit Bescheid
vom 16. Dezember 1992 nahm
der Regierungspräsident die
Altlastenerklärung vom 9. April
1990 zurück. Die Klägerin, die
am 17. Juni 1993 eine Bau-
genehmigung für eine Wohn-
bebauung mit 121 Wohnungen
sowie Tiefgaragen erhielt, zahl-
te am 30. Dezember 1992
1 Mio. DM zuzüglich 143.777,78
DM an Zinsen und Nebenkosten
sowie am 21. Dezember 1993
weitere 2 Mio. DM nebst
150.000,– DM Zinsen an den ur-
sprünglichen Eigentümer der
Grundstücke. Mit ihrer Klage
vom 26. September 1995 hat
die Klägerin Zahlung von
743.548,59 DM nebst Zinsen
sowie Feststellung begehrt,
dass die Beklagte zum Ersatz
weiteren Schadens verpflichtet
ist. Diese Klage hat die Klägerin
später auf das Land H. als Be-
klagten zu 2 erweitert. Gegen-
über der Beklagten zu 1 macht
die Klägerin im Wesentlichen
geltend, der dritte und vierte
Bericht seien fehlerhaft gewe-
sen. Diese Gutachten hätten
den ursprünglichen Planungs-
ablauf für die von ihr beabsich-
tigte Bebauung erheblich ver-
zögert. Bei ordnungsgemäßer
Abwicklung hätte sie von den
Erwerbern der Wohnungen
rechtzeitig Teilzahlungen zur
Abdeckung des Kaufpreises er-
halten. Wegen der ausgefalle-
nen Vorauszahlungen seien ihr
zusätzliche Zins- und Finanzie-
rungskosten entstanden. Das
Landgericht hat die Beklagte
zu 1 zur Zahlung eines Teilbe-
trages von 345.486,11 DM zu-
züglich Zinsen verurteilt. Im
Übrigen hat das Landgericht
die Klage abgewiesen. Die ge-
gen dieses Urteil gerichtete Be-
rufung der Klägerin hat das
Oberlandesgericht zurückgewie-
sen. Auf die Berufung der Be-
klagten zu 1 hat das Oberlan-
desgericht das landgerichtliche
Urteil abgeändert und die Kla-
ge vollen Umfangs abgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Re-
vision eingelegt. So weit das
Rechtsmittel das Streitverhältnis
zum Beklagten zu 2 betrifft, hat
der Senat die Revision nicht an-
genommen. Gegenüber der Be-
klagten zu 1 verfolgt die Klä-
gerin ihr Klageziel weiter. Die
Beklagte zu 1 ist dem entge-
gengetreten.
Entscheidungsgründe:
Das zulässige Rechtsmittel
der Klägerin führt, so weit es
vom Senat angenommen wor-
den ist, zur Aufhebung und Zu-
rückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat
festgestellt, der Klägerin stün-
den gegenüber der Beklagten
zu 1 deliktsrechtliche Ansprü-
che nicht zu; in Betracht zu zie-
hen seien nur vertragsrechtli-
che Schadensersatzansprüche,
und zwar sowohl wegen Nicht-
erfüllung des von dem damali-
gen Eigentümer erteilten Gut-
achtenauftrages, auf Grund des-
sen die Beklagte zu 1 den so
genannten dritten Bericht ver-
fasst habe, als auch wegen
Nichterfüllung des von der Klä-
gerin selbst abgeschlossenen
Gutachtenvertrages, der zu dem
so genannten vierten Bericht
geführt habe. Das begegnet
keinen rechtlichen Bedenken.
Auch die Klägerin geht davon
aus, dass als haftungsbegrün-
dende Ereignisse nur die von ihr
behauptete, sich als nicht ge-
hörige Erfüllung der zu Grunde
liegenden Werkverträge darstel-
lende Fehlerhaftigkeit dieser
beiden Gutachten in Betracht
kommt.
2. Bezüglich des so genann-
ten dritten Berichts hat das
Berufungsgericht dahinstehen
lassen, ob es sachlich unange-
messen gewesen sei, nur die
Analysemethode GC-FID anzu-
wenden, und es der Beklagten
zu 1 deshalb als von ihr zu ver-
tretendes Fehlverhalten vorzu-
werfen sei, das Vorhandensein
gefährlich hoher Werte an Ben-
zidin und Mercaptan festgestellt
zu haben. Außerdem hat das
Berufungsgericht letztlich offen
gelassen, ob die Klägerin in den
Schutzbereich des dem so ge-
nannten dritten Bericht zu Grun-
de liegenden, ausschließlich
zwischen dem damaligen Eigen-
tümer und der Beklagten zu 1
abgeschlossenen Gutachtenver-
trages einbezogen sei. Das Vor-
liegen beider Voraussetzungen
eines Schadensersatzanspruchs
der Klägerin wegen Fehlerhaf-
tigkeit des Gutachtens vom 31.
August 1989 ist deshalb in der
Revisionsinstanz zu unterstel-
len.
3. Das Berufungsgericht hat
diese Voraussetzungen dahin-
stehen lassen, weil es gemeint
hat, ein ersatzfähiger Schaden
der Klägerin lasse sich nicht
feststellen. Die Haftung des
Gutachters für die Richtigkeit
des von ihm erstellten Gutach-
tens beschränke sich darauf,
dem Auftraggeber bzw. dem in
den Schutzbereich des Vertra-
ges einbezogenen Dritten den
Schaden zu ersetzen, der ihm
im Vertrauen auf die Richtig-
keit des Gutachtens erwachsen
sei. ’Die Klägerin habe jedoch
nicht darauf vertraut, dass die
Grundstücke mit Benzidin und
Mercaptanen verunreinigt sei-
en; sie habe die Grundstücke
gerade nicht wegen ihrer vor-
geblichen Umweltbelastungen
erworben, sondern auf- grund
ihrer Bereitschaft, das hiermit
verbundene hohe Risiko zu
übernehmen. Die Klägerin habe
damit auf Grund eines neuen,
selbstständigen Entschlusses,
der durch den so genannten
dritten Bericht nicht heraus-
gefordert worden sei, die Ge-
fahr geschaffen, die den Scha-
den hervorgerufen habe. Die-
se Begründung der Abweisung
der Klage gegen die Beklagte
zu 1 bekämpft die Revision zu
Recht.
a) Schon der Ausgangs-
punkt des Berufungsgerichts,
eine Haftung eines Gutachters
bestehe nur, so weit ein schüt-
zenswertes Vertrauen in die
Richtigkeit des Gutachtens
enttäuscht worden sei, ist nicht
frei von Rechtsirrtum. Ein Gut-
achten, das Fehler aufweist, die
der Gutachter zu vertreten hat,
verpflichtet nach §635 BGB
oder wegen positiver Vertrags-
verletzung zu Schadensersatz
wegen Nichterfüllung. An-
spruchsberechtigt sind der
Besteller des Gutachtens, wenn
und so weit er geschädigt ist,
und jeder in den Schutzbereich
des Gutachtenvertrages einbe-
zogene geschädigte Dritte. Der
Anspruch bemisst sich im Ver-
hältnis zu jedem Anspruchsbe-
rechtigten nach §§249 ff. BGB.
Grundsätzlich ist jeweils der
Zustand herzustellen, der be-
stehen würde, wenn der zum
Ersatz verpflichtende Umstand,
also die fehlerhafte gutachter-
liche Aussage, nicht eingetre-
ten wäre. Ob überhaupt und
inwieweit ein Vertrauenstatbe-
stand gegeben war und Vertrau-
en eines Anspruchsberech-
tigten enttäuscht wurde, ist
danach im Bereich der Scha-
densfeststellung kein tragfähi-
ger Gesichtspunkt. Ein Scha-
densersatzanspruch kommt viel-
mehr in Betracht, wenn ein
Vergleich der tatsächlichen Ver-
mögenslage mit derjenigen,
die sich bei fehlerfreier Begut-
achtung ergeben hätte, zum
Nachteil des klagenden An-
spruchstellers ausgeht.
b) Der Senat hat allerdings
bei seiner rechtlichen Überprü-
fung des angefochtenen Urteils
von der danach erforderlichen
Kausalität zwischen – der Aus-
sage des so genannten dritten
Berichts, die Grundstücke sei-
en mit Benzidin und Mercaptan
DIE FACHBEREICHE
Sachverständige
1...,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13 15,16,17,18,19,20,21,22,23,24,...44
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