Schützen & Erhalten - page 21

θ
si
θ
e
θ
i
θ
e
f
Rsi
=
umgestellt nach
θ
i
θ
si
:
θ
i
θ
si
θ
i
θ
e
f
Rsi
=
1 –
für stationären Zustand und Konvektions-
heizung am Regelquerschnitt:
R
si
R
si
+
R
+
R
se
f
Rsi
=
1 –
Definitionsgleichung:
Formeln für Temperaturfaktor
f
Rsi
Erklärung bauphysikalischer Kenngrößen und Fachbegriffe
f
Rsi
:
Temperaturfaktor (dimensionslos)
θ
si
:
Temperatur auf der Bauteiloberfläche
innen (°C)
θ
i
:
Innenlufttemperatur (°C)
θ
e
:
Außenlufttemperatur (°C)
φ
i
:
relative Luftfeuchte innen (%)
φ
si
:
Luftfeuchte auf der Bauteiloberfläche
innen (%)
c
i
:
absolute Luftfeuchte (g/kg)
R
si
:
Wärmeübergangswiderstand
innen ((m² ·K)/W)
R
se
:
Wärmeübergangswiderstand
außen ((m² ·K)/W)
Isoplethen:
Linien gleichen Zahlenwertes
einer Größe in graphischen Darstellungen,
mit denen die Abhängigkeit dieser Größe von
zwei anderen Variablen gleichzeitig erfasst
werden kann.
mesophil:
Bevorzugung mittlerer, nicht
extremer Umweltbedingungen, insbesondere
hinsichtlich Temperatur und Feuchtigkeit.
tigt oder die verallgemeinerte LIM
Bau
I-Isoplethe
nach Sedlbauer
[5]
zur Grenzziehung der „sicheren
Seite“ gegen Schimmelbildung benutzt.
Stärkeres Heizen leistet also entgegen den
Aussagen in der DIN 4108 keinesfalls einen Bei-
trag zur Vermeidung von Schimmelbildung, son-
dern das genaue Gegenteil ist der Fall!
Wie dick muss eine zusätzliche
Wärmedämmung sein?
Dass eine bessere Wärmedämmung einen
Beitrag leisten kann, um Schimmelbildung zu
vermeiden, veranschaulicht das Formelwerk für
den Temperaturfaktor
f
Rsi
. Je größer der Wärme-
durchlasswiderstand R, also die Dämmwirkung
ist, desto größer ist auch
f
Rsi
.
Man betrachte die Situation im Wohnzimmer
eines Durchschnittsdeutschen mit
θ
i
= 23°C,
φ
i
= 50% und
θ
e
= –5°C.
Der Blick ins h-x-Diagramm liefert für diese
θ
i
und
φ
i
die Werte für die absolute Luftfeuch-
te
c
i
und die noch zulässige Temperatur
θ
si
an
der Grenzisoplethe:
c
i
= 9,3g/kg und
θ
si
= 16°C
bzw. 15,5°C. Daraus kann leicht
f
Rsi
errechnet
werden:
f
Rsi
0,75 bzw. 0,73. Die Anforderung
f
Rsi
0,7 aus DIN 4108-2 Nr. 6.2 reicht demzu-
folge in der gängigen Wohnpraxis nicht aus, um
Schimmelbildung zu verhindern.
Sind die normativen Rand-
bedingungen praxisgerecht?
In DIN 4108-2 Nr. 6.2 werden Randbedin-
gungen aufgestellt. Sie betreffen die Innenluft-
temperatur
θ
i
, die relative Luftfeuchte innen
φ
i
,
die sogenannte kritische Luftfeuchte auf der
Bauteiloberfläche innen
φ
si
, die Außenlufttem-
peratur
θ
e
, den Wärmeübergangswiderstand in-
nen
R
si
und außen
R
se
. Darüber hinaus werden in
Nr. 6.1 verbal eine gleichmäßige Beheizung und
ausreichende Belüftung der Räume gefordert.
Beim Vergleich dieser normativen Randbe-
dingungen mit den in Wohnräumen tatsächlich
anzutreffenden raumklimatischen Bedingungen
fällt auf, dass vor allem
θ
i
und
φ
i
im Vergleich
zu den Normwerten häufig überschritten wer-
den. Die DIN 4108 stellt also auf ein Raumkli-
ma ab, das nur einen kleinen Teil der Praxisbe-
dingungen abdeckt.
Der Anwender einer Baunorm will jedoch da-
von ausgehen, dass ihre Anwendung in der Praxis
die Menschen vor Mängeln und Schäden bei der
erlaubten und üblichen Nutzung des Bauwerkes
bewahrt und ihn selbst vor Haftungsansprüchen
und Gewissensbissen. Wie in den obigen Beispie-
len gezeigt, ist das aber mit der DIN 4108 und
ihrem Postulat
f
Rsi
0,7 nicht der Fall! Demzu-
folge kann hier auch nicht von einer allgemein
anerkannten Regel die Rede sein.
Erstaunlich ist auch das Festhalten an der
starren 80-Prozent-Grenze für die maximal zu-
lässige Luftfeuchte zur Vermeidung von Schim-
melbildung. Die von Sedlbauer 2001 der breiten
Fachwelt vorgestellten Grenzisoplethen LIM
Bau
für das Schimmelpilzwachstum in Innenräu-
men
[5]
machen es längst überfällig, den „auf der
sicheren Seite liegenden“ Luftfeuchtebereich
einzuengen. Wenn die Anwender der Norm diese
Anpassung selbst vornehmen sollen, brauchen
sie diese Norm nicht.
Beeinflusst die Art der Raum-
erwärmung das Befallsrisiko?
Führt man an der Formel für
f
Rsi
am Regelquer-
schnitt eine Grenzwertbetrachtung durch, wird
erkennbar, dass der Temperaturfaktor
f
Rsi
gegen
den Grenzwert 1 strebt, wenn der Wärmeüber-
gangswiderstand innen
R
si
gegen 0 beziehungs-
weise der Wärmeübergangswiderstand außen
R
se
oder der Wärmedurchlasswiderstand R des Bau-
teils gegen unendlich tendieren. Demzufolge
scheint die theoretische Grenze der zulässigen
relativen Raumluftfeuchte
φ
i
an der Grenzisople-
the LIM
Bau
für das Schimmelwachstum zu liegen.
Diese Grenzwertbetrachtung deckt sich mit
der Annahme, dass die Bauteiloberflächentem-
peratur innen
θ
si
die Raumlufttemperatur
θ
i
nicht
überschreiten kann. Das ist für Konvektionshei-
zungen zweifellos der Fall. Doch wie stellt sich
die Situation bei einer Wandflächenheizung dar
(oder anderen Strahlungsheizungen)?
Hier gilt
θ
si
>
θ
i
! Setzt man nun diese nicht
unbekannte Relation in die Definitionsgleichung
für den Temperaturfaktor
f
Rsi
ein, nimmt dieser
Werte über 1 an. Das wiederum bedeutet, dass
sich das Risiko für Schimmelbildung auf solchen
Bauteiloberflächen drastisch reduziert und für
Werte
f
Rsi
>1,18 völlig verschwindet.
Das sollte doch Grund genug sein, die Be-
schränkungen der konventionellen Schimmelprä-
vention zu verlassen und die Oberflächentem-
perierung in einer Schimmelnorm wenigstens
zu erwähnen.
Die Aussagen zur Vermeidung von Schimmel-
bildung beziehen sich in den Normen DIN 4108
offensichtlich stillschweigend auf die Verwendung
konventioneller Konvektionsheizungen. Witzbolde
könnten jetzt meinen,
f
Rsi
0,7 schließen ja den
Fall
f
Rsi
>1 ein. Das ist zwar mathematisch rich-
tig, ignoriert aber den technischen Hintergrund
und die oben angeführten technischen Konse-
quenzen. Diese müssten dann auch in den Lüf-
tungs- und Heizungsempfehlungen im DIN-Fach-
bericht 4108-8 angemessene Beachtung finden.
B+B BAUEN IM BESTAND stellt die Thesen von
Dr.-Ing. Manfred Wolf in seinem neuen
Online-Forum zur Diskussion. Beteiligen
auch Sie sich unter
an der Fachdiskussion.
Literatur:
[2] DIN 4108-2:2003-07 „Wärmeschutz und Energieein-
sparung in Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen
an den Wärmeschutz“. Beuth-Verlag: Berlin, 2003.
[3] DIN-Fachbericht 4108-8:2010-10 Wärmeschutz und
Energieeinsparung in Gebäuden – Teil 8: Vermeidung
von Schimmelwachstum in Wohngebäuden. Beuth-
Verlag: Berlin, 2010.
[4] Spitzner, M. H.: Dem Schimmel keine Chance. Bau-
Planer Special, 6/2011, S. 4–6.
[5] Sedlbauer, K.: Vorhersage von Schimmelpilzbildung
auf und in Bauteilen. Dissertation, Universität Stutt-
gart, 2001.
Fachbereiche
Sachverständige
Wird die Ursache für einen Schimmel-
pilzbefall nicht richtig erkannt und
bewertet, kann dieser Irrtum
zum Ausgangspunkt eines
erneuten
Befalls
werden.
1...,11,12,13,14,15,16,17,18,19,20 22,23,24,25,26,27,28,29,30,31,...52
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