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Schützen & Erhalten · Dezember 2016 · Seite 24

Fachbereiche

Schimmelpilze

den jedoch nur bedingt zutreffend. Zum Einen

ist die Photosynthese bei Algen pH-abhängig.

Durch einen alkalischen pH wird das Dissoziati-

onsgleichgewicht von Kohlendioxid in Richtung

Bicarbonat verschoben. Dieses kann jedoch nur

von Spezialisten für die Photosynthese genutzt

werden, daher bevorzugen Algen neutrale bis

leicht alkalische Untergründe (pH 7–8,5). Pilzen

ist der pH eigenen Studien zufolge schnurzpiepe-

gal! In eigenen Besiedlungsexperimenten konnte

ein Wachstum bis pH 11 nachgewiesen werden.

Zum Zweiten kommt es mit dem Abbinden/Aus-

härten durch die Aufnahme von Kohlendioxid

zu einem Absenken des pH-Wertes während der

Carbonatisierung. Durch den Kontakt mit Nie-

derschlags- und Kondenswasser werden die al-

kalischen Bestandteile ausgelaugt, der pH-Wert

sinkt weiter, die mineralischen Beschichtungen

werden entcarbonatisiert. Die ausgelösten Alka-

lien reagieren mit organischen Säuren zu Chela-

ten wie Whedellit. Diese schwerlöslichen Salze

fallen aus, wobei sie ihr Volumen vergrößern und

so zu Salzsprengungen und Rissbildung führen.

[6, 8, 10, 11] Schlussfolgerung: Der pH-Wert

ist ein einseitig und nur kurzfristig wirkender

Schutzmechanismus!

Organisch gebundene Beschichtungen gel-

ten in der Regel als besonders anfällig gegen

Algen- und Pilzbefall. Anders als alle anderen

hier beschriebenen Baustoffe können pastöse

Farben und Putze bereits beim Produktionspro-

zess kontaminiert und so noch vor dem Auftra-

gen durch Bakterien und Pilze zersetzt werden.

Daher wird hier immer die sogenannte Topfkon-

servierung zur Produktstabilität eingesetzt. Nach

dem Abbinden können bereits frühzeitig Befälle

auftreten, zum Einen, da der pH-Wert hier pro-

duktbedingt unter dem der mineralischen Farben

und Putze liegt (was wie oben beschrieben aber

nur kurz hilft) und weil zum Anderen der Abbin-

deprozess genügend organische Monomere und

Additive freisetzt, welche von Pilzen sehr gut

verwertet werden können. Organisch gebunde-

ne Putze verspröden, weil die Bindemittel en-

zymatisch oder durch organische Lösungsmittel

abgebaut werden. Zudem bergen organische Zu-

schläge immer die Gefahr, mikrobiell abbaubar zu

sein. Dies trifft insbesondere auf die eingesetz-

ten Bindemittel zu. Pilze nutzen die Bindemittel

und organischen Zuschläge als Kohlenstoffquelle,

weshalb organisch gebundene Putze oftmals von

intensiven Pilzbefällen betroffen sind. Als Folge

davon kann der Putz seine Festigkeit verlieren,

Farbschichten abblättern oder auch Schimmel-

pilzwachstum innerhalb der Putzschichten auf-

treten. [6, 8, 10, 11]

Gläser

Von Silikatgläsern wird Säurebeständigkeit

erwartet, da Säuren aufgrund des Dissoziations-

gleichgewichtes der Kieselsäure das Netzwerk

nicht anlösen können (Ausnahme HF). Jedoch

werden die enthaltenen basischen Alkalioxide

neutralisiert und können so in Lösung gehen. Der

Säureangriff ist somit ein reiner Ionenaustausch,

infolge dessen sich eine Gelschicht [2, 18] bil-

det, die die fortschreitende Korrosion aufgrund

der Alkaliverarmung und des geänderten Hydra­

tationszustandes der Oberfläche behindert, d. h.

durch die Einlagerung von Wasser sinkt die Reak-

tivität der Glasoberfläche, die Korrosion kommt

zum Stillstand. Die Säurelöslichkeit nimmt mit

zunehmendem Alkalioxidgehalt zu, was insbe-

sondere bei den historischen Asch-Silikatglä-

sern der Fall ist. Der Säureangriff führt zu ei-

nem Austausch von H+ gegen die anwesenden

Alkalien, wie zum Beispiel Na+. Diese Reaktion

führt zu einer alkaliverarmten Schicht, die Gel-

charakter besitzt. In dieser Gelschicht ist SiO

2

angereichert. Bei Angriff von Laugen hingegen

erfolgt die Korrosion nicht über einen diffusions-

gesteuerten Ionenaustausch, wie das bei Säu-

ren der Fall ist, sondern hier wird das Netzwerk

direkt angegriffen. Ursache dafür ist das Disso-

ziationsgleichgewicht der Kieselsäure. Deshalb

ist der Basenangriff weitestgehend unabhängig

von der Glaszusammensetzung. Da hier Si-O-Si

Bindungen gespalten werden, kann sich keine

Schutzschicht bilden, welche die Korrosion zu-

rückhält. Zunächst erfolgt die Aufspaltung von

Si-O-Si-Ketten, dann geht der Silikatrest in Lö-

sung. Beobachtbar ist dies durch den auftre-

tenden Massenverlust [2, 17]. Wasser hingegen

benutzt beide Mechanismen: Zuerst erfolgt ein

diffusionskontrollierter Ionenaustausch und die

damit verbundene Dealkalisierung der Oberflä-

che, danach beginnt die Auflösung der Hydrat-

schicht. Bei Silikatgläsern ist die Zusammenset-

zung entscheidend für die Wirkung des Wassers.

Es ist bekannt, dass mit steigendem Anteil an

Alkali- und Erdalkalioxiden die Korrosionsbestän-

digkeit gegenüber Wasser sinkt. Dem entgegen

wirkt der Mischalkalieffekt, der dann auftritt,

wenn im Glas mehrere alkalihaltige Komponen-

ten enthalten sind. Bei wässrigen Lösungen ist

die Korrosion besonders dann wirksam, wenn

die Lösung Alkalien erhält.

Bei der Biokorrosion an Gläsern spielen

Schimmelpilze eine besondere Rolle durch die

Produktion organischer Säuren. Diese lösen die

alkalischen Netzwerkbildner heraus, wodurch ein

basisches Milieu entsteht, welches wiederum das

Silikatgerüst angreift. Auch Enzymen wird bei der

Auslaugung der Netzwerkbildner eine entschei-

dende Rolle zugesprochen. Durch die Diffusion

biogener Säuren in obere Glasschichten kommt

es zur Chelatbildung mit den eingelagerten Al-

kalien, was zu Effekten wie bei einer Salzspren-

gung führt. Nach und nach werden die oberen

Glasschichten abgetragen. In Verbindung mit

Schimmelwachstum auf Gläsern wird oftmals die

Bildung von Calciumoxalaten beobachtet. Bei der

Bildung von Oxalaten scheint bevorzugt Whedel-

lit zu entstehen [3, 4, 19, 20]. Alternativ kann

entsprechend der Glaszusammensetzung bzw.

des Phoshorgehaltes der Umgebung auch Hy-

droxylapatit entstehen. Als Folge werden Gläser

von außen nach innen abgebaut. Dabei gehen

insbesondere im Denkmalbereich wertvolle Kul-

turgüter (Kirchenfenster, Bodenfunde) verloren.

Aber auch technische Gläser wie Linsen trüben

durch Pilzbefall ein und zeigen Schleierbildung.

Zusammenfassung

Schimmelpilze fressen keine Baustoffe, aber

ihre Stoffwechselaktivitäten und ihre Neigung,

alle möglichen Oberflächen zu besiedeln, las-

sen manchmal den Anschein aufkommen. Sie

produzieren organische Säuren, verursachen

Salzsprengungen, bohren sich in Gesteine und

finden häufig einen Partner, mit dem sich eine

baustoffaufzehrende Beziehung ergeben kann.

Im Innenraum eher selten, von der Silikonfuge

mal abgesehen. Aber im Außenbereich und im

Denkmalschutz schon eine Größenordnung, die

erhebliche Schäden verursachen kann.

Dabei ist es nicht Ziel, die Baustoffe als Nah-

rungsquelle zu nutzen. Durch Aerosole, Stäube

und Niederschläge sind auch Baustoffoberflä-

chen derart gut konditioniert, dass ein Angriff

der Bausubstanz zur Nährstoffversorgung über-

haupt nicht notwendig ist. Der Schaden an der

Bausubstanz ergibt sich häufig erst dann, wenn

die Biomasse kritische Größen übersteigt. Dann

sind es die Stoffwechselprodukte oder der Bedarf

nach neuen Siedlungsräumen, die Befälle in die

Baustofftiefe gehen lassen oder zum Abbau des

Bindemittels führen.

Und so sind zwei Erkenntnisse ableitbar.

Erstens sind die Schäden dort am größten, wo

Biokorrosion an antiken Fenstergläsern, die glänzenden Schichten werden sinnigerweise als Glaspest bezeichnet

und sind amorphe Silikatschichten, die nach einem Pilzangriff übrig bleiben. Hier ist deutlich erkennbar, wie

von außen nach innen Material umgebaut wird und zu einem Masseverlust führt.