Schützen & Erhalten - page 32

So gibt es für durchaus ähnlich
gelagerte Fälle unterschiedliche
Urteile verschiedener Gerichte.
Die bei gerichtlichen Auseinan-
dersetzungen eingeschalteten
Sachverständigen sind neben
der Ursachenbeurteilung des
Schadens v.a. mit der Fragestel-
lung betraut, in wessen Verant-
wortungsbereich aufgetretene
Schäden liegen, d.h., ob die
Entstehung des Schadens auf
bauliche Fehler und/oder auf
fehlerhaftes Nutzerverhalten
(Lüftungs- und Heizverhalten,
falsche Möblierung, Wahl fal-
scher Beschichtungen, Anstri-
che und Tapeten, etc.) zurück-
zuführen ist. Grundsätzlich gilt
hierbei, dass die Beweislast auf
Seiten des Vermieters liegt. Er
muss also nachweisen, dass die
Schadensursache im unmittel-
baren Einflussbereich des Mie-
ters liegt und die Bausubstanz
nicht für den Eintritt von Feuch-
tigkeit ins Mauerwerk verant-
wortlich ist. Hat der Vermieter
diesen Beweis erbracht, kann
nachfolgend der Mieter versu-
chen, sich hinsichtlich der Ver-
ursachung und Verschuldung des
Schadens zu entlasten.
Für die Klärung der Ursachen
eines aufgetretenen Feuchte-
schadens mit daraus resultieren-
dem Schimmelbefall ist es sinn-
voll, wenn sich die beiden
Parteien (also auf der einen
Seite der Mieter und auf der an-
deren Seite der Vermieter,
Eigentümer oder Bauträger) ge-
meinsam einen Sachverständi-
gen aussuchen, um zu verhin-
dern, dass dieser von der jeweils
anderen Seite als parteiisch ab-
gelehnt wird. So lassen sich
unnötige Kosten von vornher-
ein einsparen. Grundsätzlich
wird zwischen einem Privatgut-
achten (Abschließen eines Werk-
vertrags) und einem Gerichts-
gutachten (Gutachter kann von
der beantragenden Partei dem
Gericht vorgeschlagen werden,
das Gericht ist aber nicht an den
Vorschlag gebunden) unter-
schieden.
Als problematisch erweist
sich bei der Rechtssprechung
häufig, dass sichere bauphysi-
kalische Erkenntnisse teilweise
vor Gericht nicht in die Urteils-
findung miteinbezogen werden.
Zum Thema richtiger Wand-
abstand von Einrichtungsgegen-
ständen vor Außenwänden bei-
spielsweise spricht das LG Berlin
das Urteil, „dass es dem Mie-
ter nicht zuzumuten ist, auf das
Aufstellen von Möbeln an Au-
ßenwänden zu verzichten, wenn
er einen Wandabstand von we-
nigen Zentimetern einhält.“ Zu
einem ähnlichen Ergebnis
kommt das LG Hamburg, denn
„zur Gebrauchstauglichkeit ei-
nes Wohnraums zählt, dass er
in üblicher Art und mit handels-
üblichen Möbeln eingerichtet
werden kann“.
Wie bereits oben erwähnt,
liegt bei diesen Urteilen jedoch
eine Diskrepanz zwischen der
Rechtssprechung und den bau-
physikalischen Erkenntnissen
vor, die nämlich eindeutig be-
weisen, dass insbesondere Au-
ßenwände, vor die Einrichtungs-
gegenstände mit weniger als
zumindest 10 cm Abstand ge-
stellt werden, weder genügend
erwärmt noch ausreichend be-
lüftet werden können.
Auszüge aus weiteren Urtei-
len verschiedener Gerichte sol-
len zeigen, wie unterschiedlich
und einzelfallabhängig mit der
Problematik Schimmelpilzbefall
juristisch umgegangen wird. Ein
Baumangel und kein fehlerhaf-
tes Lüftungsverhalten des Mie-
ters liegt demnach gemäß ei-
nes Urteils des LG Bochum vor,
wenn „in einem Bad Feuchtig-
keitsschäden und Schimmelpilz-
bildungen auftreten und dieses
lediglich über eine Innenlüf-
tung/Zwangsentlüftung verfügt.
Der Vermieter muss das Bad so
herrichten, dass der Mieter du-
schen kann, ohne dass sich
Schimmelpilz an den Wänden
bildet.“ In gewissem Wider-
spruch dazu kommt das LG Mün-
chen zu dem Urteil, dass „das
Auftreten von Schimmel die
typische Folge von Kondenswas-
serbildung und daher aufgrund
bauphysikalischer Gesetze der
erste Anschein dafür ist, dass
ein fehlerhaftes Heizungs- und
Lüftungsverhalten ursächlich
ist.“
Auch in der grundsätzlichen
Fragestellung, ob Schimmelpilz-
bildung im Verantwortungsbe-
reich des Mieters oder Vermie-
ters liegt, gibt es verschiedene
Meinungen, so urteilt das OLG
Celle, dass „feuchte Wände und
Schimmelflecke immer Mängel
der Mietsache sind.“ Anders
sieht dies das LG Lübeck und
urteilt, dass „oft eine Kombi-
nation von Baumangel und ei-
nes Fehlverhaltens des Mieters
vorliegt. Dann verringert das
Fehlverhalten des Mieters sei-
nen Anspruch auf Mietminde-
rung.“
Nahezu einig urteilen ver-
schiedene Gerichte darüber, dass
der Vermieter nach dem Einbau
neuer, dichterer Fenster dazu
verpflichtet ist, den Mieter auf
die Notwendigkeit eines geän-
derten Lüftungsverhaltens hin-
zuweisen. Beispielsweise kommt
das LG Gießen zu dem Urteil,
dass „selbst wenn der Mieter
nach dem Einbau neuer Isolier-
glasfenster den Anforderungen
an eine sachgerechte Lüftung
nicht gerecht wird, der Mangel
dennoch aus dem Gefahrenbe-
reich des Vermieters stammt,
wenn dieser den Mieter nicht
präzise über die nach dem
Fenstereinbau aufgrund des ver-
änderten Raumklimas notwen-
digen zusätzlichen Lüftungs-
maßnahme aufgeklärt hat.“
Auch das AG Neuss stellt
fest, dass „der Vermieter den
Mieter nach einer Fenstermoder-
nisierung sachgerecht auf das
Wohnverhalten unter geänder-
tem Raumklima hinweisen
muss“.
Mehr in der Verantwortung
steht der Mieter nach Ansicht
des AG Hannover, denn demnach
„muss sich der Mieter beim Auf-
treten von Feuchtigkeitsschä-
den nach dem Einbau von
Isolierverglasungen in einem Ge-
bäude neueren Baujahrs dahin-
gehend entlasten, dass er aus-
reichend geheizt und gelüftet
hat“, obgleich ihn „der Vermie-
ter auf die Notwendigkeit ei-
nes geänderten Verhaltens hin-
weisen muss.“
Diese wenigen Beispiele
zeigen, wie schwierig, streitbar
und komplex die Schimmelpilz-
problematik auch aus juristi-
scher Sicht ist. Allerdings wird
aber gleichzeitig deutlich, dass
durch gezielte Aufklärung der
Mieter und Vermieter sowie das
Erkennen oft einfacher (bauphy-
sikalischer) Zusammenhänge
viele Schadens- und Streitfälle
vermieden werden können.
Autoren:
Prof. Dr. Helmut Weber,
Dipl. Ing. Ralf Weber
Kompetenzzentrum Bautenschutz
und Bausanierung (KBB),
Ebersberg
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