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Schützen & Erhalten · Juni 2004 · Seite 27
TARIFRECHT
Bundesrahmentarifvertrag
für das Baugewerbe
Arbeitszeit. Absicherung des Ausgleichskontos. Urteil des Bundesarbeitsgerichts
–10 AZR 640/02 – vom 24. September 2003
Stellt der Arbeitgeber auf
einem besonderen Bank-
konto für die Abgeltung
von Arbeitszeitguthaben
der Arbeitnehmer Gelder
bereit, so können die Ar-
beitnehmer ihre Ansprü-
che im Falle der Insolvenz
des Betriebes nur als In-
solvenzgläubiger geltend
machen, wenn der Arbeit-
geber selbst Inhaber des
Kontos ist.
In der vorliegenden Entschei-
dung beschäftigt sich das Bun-
desarbeitsgericht erstmals mit
der Insolvenzsicherung eines
Ausgleichskontos nach § 3 Nr.
1.44 BRTV durch ein als Treu-
handkonto bezeichnetes Unter-
konto zu dem Geschäftskonto
des Arbeitgebers mit entspre-
chenden Verfügungsbeschrän-
kungen. Die auf einem solchen
Treuhandkonto liegenden Gel-
der sind nach Auffassung
des Bundesarbeitsgerichts im
Insolvenzfall dem Vermögen
des Arbeitgebers zuzuordnen
und damit Bestandteil der In-
solvenzmasse gemäß § 35 der
Insolvenzordnung (InsO). Ein
Aussonderungsrecht der Arbeit-
nehmer gemäß § 47 InsO be-
steht dagegen nicht.
Dem Urteil lag
folgender
Sachverhalt
zugrunde:
Die Kläger waren bei der
insolventen Arbeitgeberin (Bau-
GmbH) beschäftigt. Mit Be-
schluss vom 31. März 2000
wurde der Beklagte zum Insol-
venzverwalter über das Vermö-
gen dieser Bau-GmbH bestellt.
Auf die Arbeitsverhältnisse der
Kläger fand kraft Allgemeinver-
bindlichkeit der Bundesrahmen-
tarifvertrag für das Baugewer-
be (BRTV) Anwendung. Durch
Betriebsvereinbarung war in der
Bau-GmbH eine betriebliche
Arbeitszeitregelung (Arbeitszeit-
flexibilisierung) eingeführt
worden. Diese Betriebsverein-
barung sah zur Absicherung der
Arbeitszeitguthaben Folgendes
vor:
„Das gesamte Arbeitszeit-
guthaben aller Mitarbeiter wird
auf ein extra einzurichtendes
Treuhandk
onto eingezahlt. Über dieses
Treuhandkonto können bei der
Verwendung von solchen ange-
sparten Stunden für Schlecht-
wetter oder Freizeitausgleich nur
Betriebsrat und Geschäftsleitung
gemeinsam verfügen. Der Be-
triebsrat erhält infolgedessen
regelmäßig Einblick nicht nur
in die Arbeitszeitkonten der
Mitarbeiter, sondern ebenfalls
auch in die Kontounterlagen
seines Treuhandkontos.“
Nach Eröffnung des Insol-
venzverfahrens über das Vermö-
gen der Bau-GmbH streiten die
Parteien darüber, ob den Klä-
gern ein Aussonderungsrecht
gemäß § 47 InsO an diesem
Bankkonto in Höhe der ange-
sparten Arbeitszeitguthaben
zusteht. Die Kläger haben die
Auffassung vertreten, dass die
auf dem Treuhandkonto hinter-
legten Beträge nicht zur Insol-
venzmasse gehören und ihnen
deshalb ein Aussonderungsrecht
zustehe. Das Aussonderungs-
recht folge aus dem mit der Bau-
GmbH vereinbarten Treuhand-
verhältnis. Durch die Regelung,
dass Kontoverfügungen nur ge-
meinschaftlich durch die Ge-
schäftsleitung und den Betriebs-
rat möglich sein sollten, sei eine
Vermögensvermischung zwi-
schen diesem Treuhandkonto
und den sonstigen Vermögens-
werten der Bau-GmbH ausge-
schlossen. Der beklagte Insol-
venzverwalter war dagegen der
Ansicht, bei dem Treuhandkonto
habe es sich um ein Unterkon-
to zum Geschäftskonto der Bau-
GmbH gehandelt, über das diese
zwar nicht allein habe verfügen
können, das aber auch nicht aus
ihrem Vermögen aufgrund eines
Treuhandauftrages ausgegliedert
gewesen sei. Daraus folge, dass
die Ansprüche aus dem Wert-
guthaben nicht zum Vermögen
der Arbeitnehmer, sondern zum
Vermögen der Bau-GmbH gehör-
ten.
Arbeitsgericht und Landes-
arbeitsgericht haben die Klage
abgewiesen. Die Revision der
Kläger blieb erfolglos. Nach
Auffassung des Bundesarbeits-
gerichts stellt die gewählte Form
des Treuhandkontos zwar die
Verfügbarkeit des Wertgutha-
bens bei Liquiditätsengpässen
sicher, insolvenzfest sei dieses
Konto jedoch nicht.
Dem Urteil sind
folgende
Leitsätze
zu entnehmen:
1. Ein insolvenzgesichertes, zur
Aussonderung berechtigen-
des Treuhandverhältnis setzt
grundsätzlich voraus, dass
Vermögensgegenstände des
Treugebers in das Vermögen
des Treuhänders gelangen,
also eine unmittelbare Ver-
mögensübertragung erfolgt.
2. Eine Separierung von Ver-
mögensgegenständen des
Arbeitgebers zur zukünfti-
gen Befriedigung von For-
derungen der Arbeitnehmer
genügt hierfür nicht, wenn
diese Vermögensgegenstän-
de trotz der Separierung im
Vermögen des Arbeitgebers
verbleiben.
3. Deshalb fällt ein auf den
Arbeitgeber als Inhaber lau-
tendes Bankkonto im Fall der
Insolvenz des Arbeitgebers
grundsätzlich auch dann
ohne Aussonderungsmög-
lichkeit in die Insolvenz-
masse, wenn auf ihm
ausschließlich Gelder zur
Abgeltung bestimmter Ar-
beitszeitguthaben der Ar-
beitnehmer bereit gestellt
wurden.
4. Die Bezeichnung als „Treu-
handkonto“ ändert daran
ebenso wenig wie eine
schuldrechtliche Einschrän-
kung der Verfügungsbefug-
nis des Arbeitgebers durch
das Erfordernis einer ge-
meinschaftlichen Verfügung
mit einem Betriebsratsmit-
glied.
Das Bundesarbeitsgericht stellt
in der vorliegenden Entschei-
dung zunächst klar, dass
ein Arbeitszeitkonto nur in
anderer Form den Vergütungs-
anspruch des betreffenden Ar-
beitnehmers ausdrückt. Eine
Aussonderung dieser Arbeits-
zeitguthaben aus dem Vermö-
gen des Arbeitgebers durch
Bereitstellung der entsprechen-
den Gelder auf einem „Treuhand-
konto“ ist dadurch jedoch nicht
erfolgt. Die getroffene Regelung
zur Verfügungsbefugnis ändert
nichts daran, dass der Arbeit-
geber weiterhin Inhaber des
fraglichen Kontos ist. Allein
nach der Konteninhaberschaft
bestimmt sich jedoch grundsätz-
lich, zu wessen Haftungsmas-
se dieses Guthaben gehört. Trotz
der Bezeichnung dieses Unter-
kontos als „Treuhandkonto“
gehört das Guthaben auf dem
Konto auch wirtschaftlich zum
Vermögen des Arbeitgebers.
Voraussetzung einer insol-
venzsicheren uneigennützigen
Treuhand ist es nach Auffassung
des Bundesarbeitsgerichts, dass
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