Schützen & Erhalten - page 10

Fachbereiche
Bautenschutz
die Verdunstungszone der Putzoberfläche ist es
nicht verwunderlich, dass
„bei anfänglich hoher
Feuchtigkeits- und Salzbelastung… die Mauer-
werkssalze an der Putzoberfläche kristallisieren.
Diese können von der Oberfläche abgebürstet oder
abgesaugt werden.“
Diese Art der entfeuchtenden Putze bezeich-
net Dipl.-Ing. Jürgen Gänßmantel als
„Salztrans-
porter“
und hält sie für
„vertretbar, wenn derartige
Produkteigenschaften mit dem Kunden vertraglich
vereinbart werden.“
(1)
Die Einschränkung eines
der am Markt agierenden Hersteller ist für den
Fachkundigen verständlich, dass Feuchteregulie-
rungsputze
„…nur bei geringem Feuchtigkeitsan-
fall eine Horizontalsperre und/oder Vertikalsperre
ersetzen. Sobald der Putz mit Salzen gesättigt ist,
muss er ersetzt werden.“
Anlässlich der 21. Hanseatischen Sanie-
rungstage wurden Untersuchungsergebnisse von
Feuchteregulierungsputzen vorgestellt. Prof. Dr.-
Ing. Harald Garrecht untergliederte in zwei Ar-
ten von Putzsystemen, die zurzeit dem Anwen-
der angeboten werden:
– Feuchteregulierungsputze (FRP) mit hoher
kapillarer Leitfähigkeit, die Feuchte und
Salze bis an die Putzoberfläche transpor-
tieren
– Entfeuchtungsputze (EFP), die eine sper-
rende Schicht darstellen, wobei die Salze
in gelöster Form im Mauerwerk verbleiben.
„Die Mikroporen lassen die Diffusion von
Feuchtigkeit nach außen zu, blockieren je-
doch das Eindringen von Feuchtigkeit in die
Wand“ (lt. Hersteller).
Doch zurück zur Fragestellung
Hierzu beschreibt Prof. Dr.-Ing. H. Garrecht
dass
„…die Bezeichnung „Feuchteregulierungs-
putz“ für den Anwender irreführend ist, da es
sich bei den untersuchten Putzen eher um Funk-
tionsputze handelt.“
Charakteristische Merkmale
der Feuchteregulierungsputze seien, dass diese
hohe kapillare Leitfähigkeiten aufweisen, die
den Feuchtetransport bis zur Oberfläche zulas-
sen.
„Die andere Gruppe bildet demgegenüber
eine eher dichte Putzschicht aus, deren Wirkung
ähnlich der von Sperrschichten ist.
Allen Feuchteregulierungsputzen gemeinsam
ist der Herstellerhinweis, dass eine „ausreichend“
raumseitige Lüftung sicherzustellen ist.“
(2)
„Be-
trachten wir einen typischen Ort mit hoher Feuch-
tigkeitsbelastung: einen Kellerraum 4×5 m, Keller-
höhe 2,50m mit einer (idealen) Raumtemperatur
von 15°C (in der Praxis häufig deutlich niedriger)
und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 75% r. F.
Nichts ungewöhnliches, ein idealtypischer Praxis-
fall. Die Raumluft kann dann maximal 12,8 g/m³
Wasserdampf aufnehmen, bei 50m³ Raumvolu-
men also 640 g Wasserdampf. 75% davon, also
480 g Wasserdampf, sind schon enthalten. Diese
Kellerluft kann also noch 160 g Wasserdampf bis
zur Sättigung aufnehmen. Wenn die Kellerfenster
geschlossen sind, also keine Raumlüftung erfolgt,
würde die tägliche Wasserdampfverdunstungsra-
te über die Wandflächen von (4+4+5+5) × 2,5
= 45m² etwa 2100×45 = 94500 g betragen; pro
Minute wären das also 94500 : 1440 = 65,7 g.
Nach knapp 160 : 65,7 = 2,5 Minuten wäre diese
Kellerraumluft damit gesättigt.“
(3)
Trocknung bis zur Ausgleichsfeuchte des Bau-
stoffes, wie es von diesen Putzsystemen mit dem
Begriff
„Entfeuchtung“
beschrieben wird, kann
nur stattfinden, wenn kein Wasser mehr über das
Mauerwerk nachgeführt wird. Hierfür sind ver-
tikale Sperrschichten und Horizontalsperren im
Mauerwerksquerschnitt notwendig. Nachweislich
findet der kapillare Feuchtetransport in weitaus
größerem Umfang statt als durch natürliche Dif-
fusion verdunsten kann. Eine „Entfeuchtung“
ohne technische Trocknung und entsprechende
vorherige Beseitigung der Durchfeuchtungsur-
sache durch den Einbau zuvor erwähnter Sperr-
schichten ist nicht möglich.
Sanierputze-WTA finden oftmals als flankie-
rende Maßnahme, nie als alleinige Maßnahme
bei der Instandsetzung von feuchte- und salz-
geschädigten Mauerwerken Anwendung und wer-
den für die Wiederherstellung der Oberfläche von
geschädigten verputzten Mauerwerken genutzt.
Der Wirkmechanismus des Sanierputzes wird im
WTA-Merkblatt 2-4-04/D wie folgt beschrieben:
„Sanierputz-WTA lässt Feuchtigkeit aus dem Mau-
erwerk wenige Millimeter eindringen. Aufgenom-
menes Wasser bzw. Salzlösung verdunstet inner-
halb des Putzes. Dabei auskristallisierende Salze
werden im porigen Gefüge des Sanierputzes ein-
gelagert. Dadurch bleibt die Putzoberfläche tro-
cken und frei von Ausblühungen. Darüber hinaus
wird das Mauerwerk durch Verlagerung der Kris-
tallisationsebene in den Putz vor weiterer feuch-
tigkeits- und salzbedingter Schädigung bewahrt.
Im Gegensatz zu anderen Putzen wird trotz Sal-
zeinlagerung die Wasserdampfdurchlässigkeit des
Sanierputzsystems langfristig nicht beeinträchtigt
(keine Trocknungsblockade).“
(4)
Diese Eigenschaften nutzend, ließ sich ein
Anbieter eines Entfeuchtungsputzes (EFP) von
der WTA zertifizieren. Richtig, der EFP erfüllt
die Anforderungen nach DIN EN 998-1 „Fest-
legungen für Mörtel im Mauerwerksbau – Teil 1
„Putzmörtel“ und die eines einlagigen Sanier-
putzes nach dem WTA-Merkblatt 2-4-04/D. Dieser
EFP ist somit ein zertifizierter Sanierputz. Nach
Anfrage an den Zertifizierungsausschuss liegen
keine weiteren Prüfzeugnisse, erst recht nicht
von der WTA vor, die zusätzlich eine Wirkung wie
„Entfeuchtung“ nachweisen. Diese Art von Putz-
system ist somit nicht Stand der Technik und
Wissenschaft. Das Zertifizierungslogo, die WTA-
Buchstabenkombination, wird für den Anwender
und den Verbraucher irreführend genutzt.
Ich möchte an dieser Stelle auf die Empfeh-
lungen des Wirtschaftsjuristen Bernd Mikosch
hinweisen, die er in seinem Fachartikel
„Welche
Risiken bestehen bei einer Abweichung von den
allgemein anerkannten Regeln der Technik?“
wie
folgt erläutert: Egal aus welchen Gründen eine
Abweichung von den allgemein anerkannten Re-
geln der Technik vereinbart wird, den Auftrag-
nehmer trifft immer eine Hinweispflicht! Aus
dieser Hinweispflicht ergeben sich die folgenden
„Notwendigkeiten“:
– sich über die fortlaufenden Entwicklungen der
allgemein anerkannten Regeln der Technik zu
informieren und entsprechende Kenntnisse an
die Auftraggeber weiterzugeben.
– konkrete Bedenken zu äußern, ob zum Bei-
spiel bestehende DIN-Normen (noch) den all-
gemein anerkannten Regeln der Technik ent-
sprechen.
– den Auftraggeber darüber zu informieren, dass
es „bessere“ Baumethoden/Baustoffe gibt, die
sich am Markt durchgesetzt haben, aber von
Bild 1: Anwendungsbereich Sockel.
Bild 2: Salzausblühungen auf Putzsystem.
Schützen & Erhalten · Dezember 2010 · Seite 10
1,2,3,4,5,6,7,8,9 11,12,13,14,15,16,17,18,19,20,...32
Powered by FlippingBook