Schützen & Erhalten - page 20

Fragen, die sich viele Unternehmer stellen,
insbesondere dann, wenn Lohnverhand-
lungen anstehen. Nur wie kann eine
solche Frage relativ gesichert beantwortet
werden. Nach welchen Kriterien kann fair
beurteilt werden.
Die Schwierigkeit dürfte hierbei im Wesentlichen
darin liegen, dass keine gesicherten Vergleichs-
werte vorliegen. Was ist eine „Normalleistung“,
was ist ein gerechter Lohn hierfür. Und auch das
Problem eine Einzelleistung messbar zu machen,
wenn im Regelfall mehrere Mitarbeiter auf der
Baustelle arbeiten und jede Arbeit anders ist.
Wie bei Schulnoten auch, spielen subjekti-
ve Einflussmomente eine entscheidende Rolle.
Nicht selten kommen dabei Mitarbeiter, die sich
gut verkaufen können, besser weg als Mitarbei-
ter, die eher im Stillen glänzen. Deren Fähig-
keiten zeigen sich häufig erst dann, wenn der
vermeintliche Prinz nicht mehr im Unternehmen
tätig ist und Gesellen aus der zweiten Reihe auf-
rücken können.
Auch ist entscheidend, wer die Beurteilung
durchführt. So wird bei einem Betrieb mit rund
5 Beschäftigten der Unternehmer selbst die Mit-
arbeiter anführen und deren Baustellenleistung
kontrollieren. Spätestens ab einer Betriebsgröße
über 10 Mitarbeiter wird er von einem techni-
schen Mitarbeiter oder Vorarbeiter unterstützt.
Da er dann nicht mehr alle Baustellen selbst
führen wird, gehen deren Bewertungen in die
Beurteilung ein. Versteht sich dieser gut mit
dem jeweiligen Mitarbeiter wird die Bewertung
erfahrungsgemäß positiver ausfallen, als wenn
deren Verhältnis nicht ganz spannungsfrei ist.
Der Grund hierfür muss aber nicht zwingend in
der Leistungsbereitschaft und Fähigkeit des Ge-
sellen liegen, sondern kann möglicherweise in
einer Antipathie begründet sein.
Des Weiteren werden einer Bewertung vor-
rangig die betrieblichen Rahmenbedingungen
zu Grunde liegen. Wer sagt aber ob eine Durch-
schnittsleistung im eigenen Betrieb der üblichen
Leistung im Gewerk entspricht. Vielleicht ist mein
bester Mann woanders nur Durchschnitt. Welches
Lohnniveau ist denn üblich? Alleine diese Frage
ist schon stark abhängig vom Sitz und Einzugs-
gebiet des Betriebes. So liegt das Lohnniveau in
Großstädten wie bspw. Frankfurt (Main) deutlich
höher als in Nordhessen, wo sich die räumliche
Nähe zu den neuen Bundesländern auch in einem
niedrigeren Lohnniveau niederschlägt.
Welche Faktoren fließen in die Bewertung
ein?
Rein quantitative Ergebnisse, wie: „was
schafft mein Mitarbeiter an Quadratmetern am
Tag?“ oder auch qualitative Merkmale. Hier spielt
die Kundenstruktur eine Rolle. So kann es für
einen Betrieb, der stark im Privatkundenbereich
tätig ist, wichtiger sein, einen Mitarbeiter zu ha-
ben, der neben einer entsprechenden technischen
Qualifikation über eine hohe Sozialkompetenz
verfügt, als einen Mitarbeiter, für den der Kunde
nur als Störung wahrgenommen wird.
Hierzu wurde bereits vor einigen Jahren in
einem anderen Gewerk, dem Malerhandwerk,
eine Untersuchung durchgeführt, welche Krite-
rien beim Privatkunden bei dessen Bewertung
der Qualität zum Tragen kommen. Bemerkens-
wertes Ergebnis hierbei, dass die rein technische
Ausführung gegenüber „weichen“ Faktoren, wie
bspw. das Auftreten und der Umgang der Mitar-
beiter auf der Baustelle, eine nachrangige Rolle
eingenommen hat. Lediglich 30% dessen, was
der Privatkunde als Qualität wahrgenommen und
bezeichnet hat, bezog sich auf die technische
Leistung der Ausführung.
Natürlich darf nicht vergessen werden, dass
die Untersuchung in einem anderen Gewerk und
in einem speziellen Kundenkreis stattgefunden
hat. Auch sollte nicht fehlinterpretiert werden,
dass eine einwandfreie technische Ausführung
aus Kundensicht keinen so hohen Stellenwert
besitzt. Sondern vielmehr, dass ein hoher Qua-
litätsstandard generell vorausgesetzt wird. Den-
noch zeigt das Ergebnis auf, dass neben quan-
titativen Merkmalen auch qualitativen Faktoren
eine nicht unerhebliche Bedeutung zugeschrie-
ben werden können.
Zusammenfassend kann daher die provokan-
te Behauptung aufgestellt werden:
„Es gibt keinen gerechten Lohn“.
Zumindest keine Größe, die in einem mathe-
matischen Verfahren bei allen Betrachtern zum
gleichen Ergebnis führen würde.
So wird es immer ein permanentes Abwägen
bleiben zwischen den speziellen betrieblichen
Rahmenbedingungen und der Motivationslage
des Unternehmers und des Mitarbeiters.
Um dennoch wenigstens überschlägig fest-
stellen zu können, ob beim Durchschnitts-Lohn-
niveau insgesamt ein deutliches Missverhältnis
besteht, kann auf eine aussagefähige Kennziffer
zurück gegriffen werden, die da lautet:
Mit 1,– Euro direkt verrechenbaren Lohn er-
zielte Wertschöpfung.
Bei dieser Größe wird eine Relation gebildet
zwischen dem Stundenlohn der Gesellen und der
Leistung, die mit deren produktiven Tätigkeit
erreicht wurde.
Die Größe berechnet sich wie folgt:
Umsatzleistung netto
abzgl. Sondereinzelkosten (Mietwc,
Container auf der Baustelle ...)
abzgl. Nachunternehmereinsatz
abzgl. Materialeinsatz
=
Wertschöpfung
:
direkt verrechenbaren Lohnkosten
(gearbeitete Produktivstunden ×
gezahlten Stundenlohn)
=
Mit 1 Euro direkt verrechenbaren
Lohn erzielte Wertschöpfung
Um zu einem möglichst objektiven Urteil zu
kommen, werden Einflussmomente, die nicht
direkt der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter
zuzurechnen sind, abgegrenzt. So erhöht bspw.
ein teures Material die Umsatzleistung, was aber
nicht in der Leistung der Mitarbeiter begründet
ist. Häufig zu hörende Kenngrößen, wie die Um-
satzleistung je Mitarbeiter, sind deshalb für eine
Bewertung der Produktivität nicht geeignet. Die
Wertschöpfung korrigiert diese Einflussmomente
und lässt einen direkten Vergleich mit anderen
Betrieben und der Branche insgesamt zu. Auf die
geleisteten Produktivstunden der Baustelle ge-
rechnet, entspricht die Wertschöpfung je Stunde
dem Kostensatz, den der Betrieb effektiv erreicht
hat. Dies ermöglicht auch eine Bewertung, wer
denn für das Baustellenergebnis verantwortlich
ist. Vielleicht wurde das gute Ergebnis durch
den Einsatz eines Nachunternehmers erzielt und
nicht durch die eigenen Mitarbeiter. Berücksich-
tigt man noch die direkt verrechenbaren Löh-
ne, kann eine Aussage zur Angemessenheit des
Lohnniveaus getroffen werden.
Gemäß dem Grundsatz:
„nicht die Lohnhöhe
alleine ist entscheidend, sondern die Leistung,
die mit dem jeweiligen Lohn erzielt wird“.
Liegt das Ergebnis unter dem Wert von 3,
kann auf ein Ungleichgewicht geschlossen wer-
den und die Ursachenforschung beginnen.
Natürlich wird die Produktivität auch von
Faktoren beeinflusst, auf die der Mitarbeiter nur
bedingt Einfluss nehmen kann. Beispielsweise
auf den Marktpreis oder die betriebliche Organi-
sation. Aber unabhängig von gesetzlichen und
tariflichen Rahmenbedingungen wie Mindest-
und Tariflohn, am Ende entscheidet der Markt,
was sich der Betrieb erlauben kann.
Betriebswirtschaft
Kurzprofil Autor:
Wolfgang Krauß, Diplom
Betriebswirt, seit über 22 Jah-
ren in der betriebswirtschaft-
lichen Beratung von Hand-
werksbetrieben tätig. Viele
Jahre davon als Betriebsbera-
ter im Institut für Betriebsbe-
ratung des deutschen Maler-
und Lackiererhandwerk, Seligenstadt. Kontakt:
Rosenheimer Straße 27, 83543 Rott am Inn
E-Mail:
Tel: (08039) 9020579, Mobil: (0176) 43065667
Gibt es den gerechten Lohn?
Schützen & Erhalten · Dezember 2010 · Seite 20
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