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Schützen & Erhalten · September 2003 · Seite 22
TARIFRECHT
Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg – 2 Ca 162/03 – vom 3. Juli 2003
Tarifvertrag 13. Monatseinkommen
mens gestritten. Der Kläger war
seit 1990 bei dem beklagen
Bauunternehmen als Baufach-
arbeiter in der Berufsgruppe VI
beschäftigt. Er erhielt einen
Gesamttarifstundenlohn in Höhe
von 12,36 Euro. Aufgrund der
Einführung neuer Lohnstruk-
turen zum 1. September 2002
wurde der Kläger in die Lohn-
gruppe 1 mit einem Gesamt-
tarifstundenlohn in Höhe von
10,12 Euro überführt. Gemäß
der Besitzstandsregelung nach
§ 3 Abs. 1 des Tarifvertrages zur
Einführung neuer Lohnstruk-
turen erhielt er seinen alten
Gesamttarifstundenlohn weiter.
Das Arbeitsverhältnis unterfiel
dem Tarifvertrag über die Ge-
währung eines 13. Monatsein-
kommen im Baugewerbe. Die
Beklagte zahlte dem Kläger für
das Jahr 2002 ein 13. Monats-
einkommen, das sie auf Grund-
lage des Lohnes der Lohngruppe
1 (10, 12 Euro) berechnet hatte.
Der Kläger war der Ansicht, sie
hätte der Berechnung den hö-
heren Besitzstandslohn zu-
grunde legen müssen.
Die Klage hatte keinen Er-
folg.
Dem Urteil sind folgende Leit-
sätze zu entnehmen:
1. § 2 Abs. 1 Tarifvertrag
über die Gewährung eines
13. Monatseinkommens für
gewerbliche Arbeitnehmer
stellt für die Berechnung
des 13. Monatseinkom-
mens nicht allein auf den
„Gesamttarifstundenlohn“
ab, sondern konkretisiert
den Begriff insoweit, als
der Gesamttarifstunden-
lohn „in der Lohntabelle
ausgewiesen“ sein muss.
2. In der Lohntabelle ausge-
wiesen ist lediglich der-
jenige Stundenlohn, der
im Lohntarifvertrag auf-
geführt ist.
3. Die in dem Tarifvertrag zur
Einführung neuer Lohn-
strukturen für gewerbliche
Arbeitnehmer vorgesehe-
nen Besitzstandslöhne
sind nicht solche, die „in
der Lohntabelle“ ausge-
wiesen sind.
Das Urteil hat folgende prak-
tische Auswirkungen:
Mit Einführung der neuen
Lohnstrukturen sind Arbeit-
nehmer, die bereits vor dem
1. September 2002 in einem
Baubetrieb beschäftigt waren,
durch Tarifvertrag in eine neue
Lohngruppe überführt worden.
Arbeitnehmer, die dadurch in
eine Lohngruppe mit geringe-
rem Lohn überführt wurden als
ihnen nach ihrer vorherigen Be-
rufsgruppe zustand, haben
trotzdem Anspruch auf ihren
bisherigen höheren Gesamtta-
rifstundenlohn, da § 3 Abs. 1
des Tarifvertrages zur Einführung
neuer Lohnstrukturen eine ent-
sprechende Besitzstandsrege-
lung enthält. Diese Besitz-
standsregelung sieht weiter vor,
dass dieser höhere Lohn an
allen künftigen Tariflohner-
höhungen teilnimmt. Der tat-
sächliche Lohn dieser Arbeit-
nehmer ergibt sich allerdings
nicht aus dem Lohntarifvertrag.
Dieser enthält lediglich die Löh-
ne der neuen Lohngruppen.
Für die Berechnung des 13.
Monatseinkommens solcher ge-
werblicher Arbeitnehmer ist
Folgendes zu beachten:
Nach dem Tarifvertrag ist auf
den „in der Lohntabelle ausge-
wiesenen“ Gesamttarifstunden-
lohn abzustellen. Aus dem Lohn-
tarifvertrag und damit aus der
Lohntabelle ergibt sich ledig-
lich der Lohn der neuen Lohn-
gruppen, die seit dem 1. Sep-
tember 2002 Anwendung finden.
Das heißt, dass der Berechnung
der Lohn der neuen Lohngrup-
pe zugrunde zu legen ist, in die
der Arbeitnehmer nach dem
Überleitungstarifvertrag über-
führt worden ist. Das gilt auch
dann, wenn dieser geringer ist
als der Lohn, den der Arbeit-
nehmer vor dem 1. September
nach seiner alten Berufsgrup-
pe beanspruchen konnte und
somit auch in den Fällen, in
denen der Arbeitnehmer auf-
grund der Besitzstandsregelung
den höheren Lohn für seine
Arbeiten beanspruchen kann.
Die Regelung zur Berech-
nung des 13. Monatseinkom-
mens von gewerblichen Arbeit-
nehmern unterscheidet sich von
der für Angestellte und Polie-
re. Für diese haben die Tarif-
vertragsparteien durch geson-
derte Regelung ausdrücklich
klargestellt, dass bei der Berech-
nung des 13. Monaseinkommens
der Besitzstand und damit das
höhere Gehalt der alten Gehalts-
gruppe zu berücksichtigen ist.
Bei der Berechnung des
13. Monatseinkommens
für gewerbliche Arbeit-
nehmer ist der Lohn maß-
geblich, der sich seit Ein-
führung der neuen Lohn-
struktur aus der jeweils
einschlägigen
neuen
Lohngruppe ergibt; ein
sich aus der Besitzstands-
klausel ergebender höhe-
rer Lohnanspruch ist da-
gegen nicht zu berück-
sichtigen.
Mit Einführung der neuen Lohn-
struktur zum 1. September 2002
sind einige gewerbliche Arbeit-
nehmer in neue Lohngruppen
überführt worden, die einen
geringeren Lohn vorsehen als
ihre bisherigen Berufsgruppen
vorsahen. Aufgrund des Über-
leitungstarifvertrages haben
diese Arbeitnehmer Anspruch
auf Zahlung ihres bisherigen hö-
heren Lohnes. Dies dient der Be-
sitzstandswahrung.
Mit dem vorliegenden
Rechtsstreit hatte – soweit er-
sichtlich – erstmals ein Arbeits-
gericht darüber zu entscheiden,
ob bei der Berechnung des 13.
Monatseinkommens für gewerb-
liche Arbeitnehmer ebenfalls auf
den höheren Lohn, der dem
Arbeitnehmer tatsächlich ge-
zahlt wird, abzustellen ist oder
ob der Lohn der neuen Lohn-
gruppe maßgeblich ist. Der Zen-
tralverband hat bisher die Auf-
fassung vertreten, dass der
Besitzstand keine Berücksich-
tigung zu finden hat und so-
mit lediglich der Lohn der neuen
Lohngruppe der Berechnung
zugrunde zu legen ist. Diese
Auffassung hat das Arbeits-
gericht Nienburg jetzt in dem
von dem Baugewerbeverband
Niedersachsen erstrittenen Ur-
teil vom 3. Juli 2003 bestätigt.
Dem Urteil lag folgender Sach-
verhalt zugrunde:
Die Parteien haben über die
Höhe des 13. Monatseinkom-
1...,12,13,14,15,16,17,18,19,20,21 23,24,25,26,27,28,29,30,31,32,...36
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