Schützen & Erhalten - page 16

von Grundstückswerten und son-
stige Wertermittlungen.
Anders – und in der Praxis weit-
aus häufiger und relevanter – ist z.B.
der Bereich der Ermittlung des Be-
leihungswertes nach § 12 Hypothe-
kenbankgesetz (HBG). Hier spricht
das Gesetz nicht von einem „Gut-
achten“; vielmehr wird hier nur von
„Wertermittlung“ und „Feststellung
des Wertes“ gesprochen. Teilweise
haben die Auftraggeber dagegen kein
Interesse an einer ausführlich und
lückenlos „aufgedröselten“ Gedan-
kenführung, sondern erwarten ein
kurzes, prägnantes und schnell ver-
wertbares Ergebnis, das nicht an Min-
destanforderungen der Bestellungs-
körperschaften oder Zertifizierungs-
stellen gebunden ist. Daher ist es
für die Sachverständigen wichtig, in
ihren Aufträgen sofort mit den Kun-
den zu klären, welches Produkt ge-
wünscht wird, so dass eine einwand-
freie Auftragserfüllung möglich ist.
4. Typische Fehler
in Wertermittlungs-
gutachten
Aus den geltenden rechtlichen
Reglungen sowie der damit einher-
gehenden Richtlinien und der Li-
teratur haben sowohl die Fachgre-
mien der Kammern wie auch die
Zertifizierer grundlegende Beurtei-
lungskriterien bei der Prüfung von
Gutachten bei Antragstellern, so-
wie der Überprüfung von Gutach-
ten im Rahmen der Überwachung
festgelegt. Die IfS-Zert konzentriert
sich dabei auf folgende Kriterien:
– Gliederung/äußere Form/For-
mulierung (Ausdruck)/Vollstän-
digkeit (Anlagen)
– Auftragsdarstellung/Auftrags-
erfüllung
– Analyse u. Wahl des Verfahrens
– Beschreibung/Nachweis wert-
bestimmender Merkmale/Be-
gründung der Wertansätze/Ver-
fahrensergebnisse
Generell lässt sich feststellen, dass
bei unzureichenden Gutachten fol-
gende Fehler festgestellt wurden:
– Verfehlen der Fragestellung des
Auftraggebers
– unzureichende Aktenauswer-
tung
– mangelhafte Nachvollziehbar-
keit
– mangelhafte Nachprüfbarkeit
der Untersuchungen und Ergeb-
nisse
– unvollständige oder wider-
sprüchliche Ausführungen
– unzureichende Überzeugungs-
kraft durch fehlende Quellen-
angaben
– fehlende Angaben der Über-
prüfungskriterien
– fehlende oder falsche Begrün-
dungen für Bewertungen oder
Schlussfolgerungen
Die folgenden Beispiele sollen diese
Fehler verdeutlichen:
– Formulierungen sind teilweise
umständlich und für Laien nicht
zu verstehen. Beispiel: „Das
Sachwertverfahren ist insbe-
sondere durch die Verwendung
des Marktanpassungsfaktors ein
Preisvergleich, bei dem vorran-
gig der Zeitwert der Substanz
(Boden + Gebäude + Außen-
anlagen) den Vergleichsmaß-
stab bildet“.
– Formulierungen sind wider-
sprüchlich. Beispiel: „Das Ob-
jekt wird vom Eigentümer ver-
waltet. Nach Angaben von Frau
S. hat dies die Bank übernom-
men“.
– Im Literaturverzeichnis wird auf
veraltete Literatur verwiesen.
– Ausführungen im Text weichen
von der Wertberechnung ab.
Beispiele:
· Im beschreibenden Teil findet
sich die Aussage, dass keine
sonstigen Wert beeinflussen-
den Umstände nach § 25 WertV
zu berücksichtigen sind. Bei der
Wertermittlung wird dann je-
doch eine Wertminderung von
10.000 EUR nach § 25 WertV
angesetzt.
· Der Sachverständige schreibt,
dass der Bodenwert grundsätz-
lich so zu ermitteln sei, wie er
sich ergeben würde, wenn das
Grundstück unbebaut wäre. Bei
der Ermittlung des Bodenwerts
wird dann jedoch eine „Dämp-
fung“ aufgrund der vorhande-
nen Bebauung vorgenommen.
– Bei vermieteten Objekten wer-
den die Mietverträge nicht ein-
gesehen bzw. nicht berücksich-
tigt. Bei Gewerbeobjekten sind
keine Aussagen zur Laufzeit der
Mietverträge vorhanden.
– Im beschreibenden Teil des
Gutachtens wird angegeben,
dass beispielsweise der Sach-
wert zur Kontrolle des Ertrags-
werts ermittelt wird. Im Gut-
achten wird dann jedoch in
keiner Weise darauf eingegan-
gen, wie der Sachwert den Er-
tragswert kontrolliert.
– Marktanpassung im Sachwert-
verfahren:
· Die Marktanpassung im Sach-
wertverfahren ist zu allgemein;
nicht auf den speziellen Grund-
stücksmarkt bezogen. Teilweise
wird die Marktanpassung aus
pauschalen bundesweiten Da-
ten, ohne einen Bezug zum
tatsächlichen Marktgeschehen
vor Ort abgeleitet.
· Oftmals wird keine Marktanpas-
sung berücksichtigt (Verstoß
gegen § 7 Abs. 1 Satz 2 WertV).
– Konkrete Aussagen zur Ange-
bot- und Nachfragesituation für
das Bewertungsobjekt fehlen.
– Im Sachwertverfahren wird auf
die Kubuspreise aus dem Jahr
1913 bzw. auf die NHK 1995
zurückgegriffen.
– Die Flächenberechnungen wer-
den ohne weitere Überprüfung
bzw. Plausibilitätskontrolle aus
den vorhandenen Unterlagen
übernommen.
– Es werden Begriffe („Eigenkrea-
tionen“) verwandt, die nicht
mit den Fachbegriffen der
WertV übereinstimmen. Bei-
spiele für „Eigenkreationen“:
Bauwert, Gesamtherstellungs-
kosten, Bruttojahresmietertrag,
Jahresnettoeinkommen.
5. Fazit und
Lösungsvorschläge
Da im Bereich der Immobili-
enwertermittlung gesetzlich nicht
in jedem Fall ein Gutachten. im
„konventionellen“ Sinne gefordert
wird, sollte von der Bezeichnung
abgesehen werden, wenn der Auf-
traggeber nicht ausdrücklich ein
ausführlich begründetes Gutachten
zum Gegenstand seiner Beauftra-
gung macht. Es sollte vielmehr eine
Bezeichnung gewählt werden, die
dem Auftrag und dem Zweck der
sachverständigen Leistung ent-
spricht (z.B. Wertermittlung, Scha-
denkalkulation, Schadenbericht,
Kurzbericht o.a.). Der Auftrag sollte
zudem bei der Auftragsbestätigung
und/oder im Gutachtenzweck ge-
nauestens beschrieben werden.
Damit erbringt der Sachverständige
die von seinem Auftraggeber er-
wartete Leistung, entgeht aber der
Gefahr, ein wegen fehlender Nach-
vollziehbarkeit fehlerhaftes Gutach-
ten zu erstellen.
Werden dagegen – z. B. im Rah-
men von Zertifizierungsbedingun-
gen – „richtige“ Gutachten gefor-
dert, sind eventuell formulierte
Mindestanforderungen an Inhalt
und Aufbau zu beachten.
Neuauflage der Broschüre
„Öffentliche bestellte Sachver-
ständige – Wissenswertes
in 10 Tipps“
Das IfS – Institut für Sachverstän-
digenwesen hat den „Klassiker“
überarbeitet. Die aktuelle 5. Auf-
lage dieser 25-seitigen Broschüre
mit vielen wichtigen Informatio-
nen und praxisorientierten Tipps
u.a. zum neuen JVEG und zum neu-
en Haftungstatbestand des § 839
a BGB kann beim Institut für Sach-
verständigenwesen e.V., Hohenzol-
lernring 85–87, 50672 Köln bestellt
werden. Weitere Bestellmöglichkei-
ten: per Fax (02 21) 91 27 71 99
oder E-Mail:
oder
über die Webseite
/
publikationen
Preis pro Broschüre: von 0,77
bis 2,56
je nach Anzahl der ab-
zunehmenden Exemplare.
Allen Sachverständigen und
natürlich auch allen anderen Mit-
gliedern des DHBV und Ihren Fa-
milien sowie den Lesern von Schüt-
zen & Erhalten wünsche ich ein
Frohes Weihnachtsfest, erholsame
Feiertage und ein von Gesundheit,
Erfolg und Zufriedenheit gepräg-
tes Jahr 2006.
Ihr
DIE FACHBEREICHE
Sachverständige
Schützen & Erhalten · Dezember 2005 · Seite 16
1...,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15 17,18,19,20,21,22,23,24,25,26,...48
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