Schützen & Erhalten - page 19

Schützen & Erhalten · Dezember 2005 · Seite 19
die Betroffenen vor Ort (Sachver-
ständiger, Baubiologe, Sanierer,
Bauherr, Mieter) mit einem sero-
logischen Schnelltest bereichert
worden (QuickTox
TM
). Innerhalb
weniger Minuten kann ohne Labor-
ausrüstung oder Mikroskop vor Ort
festgestellt werden, ob Stachy-
botrys am Befall beteiligt ist. La-
boranalysen werden trotzdem emp-
fohlen, da man die Bedeutung
anderer Schimmelpilze nicht ver-
nachlässigen darf.
Der „Schimmelpilz-Leitfaden“
(2002) und der „Schimmelpilz-Sa-
nierungs-Leitfaden“ (2005) des
Umweltbundesamtes fordern pau-
schal eine höhere Sicherheitsstu-
fe für Sanierungen beim Vorkom-
men von Stachybotrys, da die Au-
toren immer von einer Toxinbildung
ausgehen. Aus Laboruntersuchun-
gen ist jedoch bekannt, dass nicht
jeder Stachybotrys-Befall tatsäch-
lich auch mit einer Toxinbildung
einhergeht. Nach Nielsen (2001)
produzierten nur etwa 35% der im
Labor getesteten Stachybotrys
chartarum-Stämme hochtoxische
makrozyklische Trichothecene (Sa-
tratoxine). Eigene Untersuchungen
von Probenmaterial aus Stachy-
botrys-Schadensfällen mit einem
hochempfindlichen ELISA-Test
(QuantiTox
TM
) ergaben ebenfalls
extrem große Schwankungen in der
gebildeten Toxinmenge. Teilweise
konnten gar keine Toxine nachge-
wiesen werden, teilweise traten
sehr hohe Toxinmengen auf.
Zum Nachweis von Stachy-
botrys-Toxinen aus Baumateriali-
en waren bisher nur aufwendige
Laborverfahren in Speziallabors
möglich, wie z.B:
– HPLC: hoher apparativer Auf-
wand und spezielles Know-how
erforderlich, hohe Kosten, nur
Speziallabors, individuelle Me-
thodenerarbeitung erforderlich.
– Zytotoxizitätstests: aufwendig,
nur von Speziallabors möglich,
aufwendige Zelllinienkulturen
nötig, individuelle Methoden-
erarbeitung erforderlich.
Der neue ELISA-Test QuantiTox
TM
ist
zum standardisierten Nachweis von
Stachybotrys-Toxinen vorgesehen,
wie z.B. aus Material- und Staub-
Literatur:
– Dearborn, D.G, I. Yike, W.G. Sorenson, M.J. Mil-
ler, R.A. Etzel: Overview of Investigations Into
Pulmonary Hemorrhage Among Infants in Cle-
veland, Ohio. In: EHP (Environmental Health Per-
spectives) Supplements. Wachington D.C.. 107
(1999), (3), S. 495–499
– Brasel, T.L., J.M. Martin, C.G. Carriker, S.C. Wil-
son, D.C. Straus: Detection of Airborne
Stachy-
botrys chartarum
Macrocyclic Trichothecene My-
cotoxins in the Indoor Environment. Applied and
Environmental Microbiology. American Society
for Microbiology. Nov. 2005, p. 7376–7388
– BG Bau (Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft,
Prävention Tiefbau) (Hrsg.): Gesundheitsgefähr-
dungen durch biologische Arbeitsstoffre bei der
Gebäudesanierung. Handlungsanleitung zur Ge-
fährdungsbeurteilung nach Biostoffverordnung
(BioStoffV). München (2005)
– Umweltbundesamt (Hrsg): Leitfaden zur Vorbeu-
gung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung
von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen.
Berlin (2002)
– Umweltbundesamt (Hrsg): Leitfaden zur Ursa-
chensuche und Sanierung von Schimmelpilzwachs-
tum in Innenräumen. Berlin (2005)
– Gravesen, S., J.C. Frisvad, R.A. Samson: Micro-
fungi. Munksgaard, Copenhagen (1994)
– Nielsen, K.F.: Mycotoxins produced in damp and
water damaged buildings – ecology, analytical
techniques and exposure. In: Gesundheitliche
Aspekte toxinogener Schimmelpilze in Gebäu-
den. Vorträge der 5. Lübecker Fachtagung für
Umwelthygiene, Heft 4 (2001), S. 271–282
ARBEITSKREISE
Schimmelschadenbeseitigung
proben sowie von kontaminierten
Oberflächen. Sogar ein Toxinnach-
weis aus der Luft ist möglich (Bra-
sel et. al. 2005).
Das bedeutet, dass in die Ge-
fährdungsbeurteilung für die Sa-
nierung oder in die Abschätzung
gesundheitlicher Gefahren für die
Bewohner auch der quantitative
Nachweis makrozyklischer Tricho-
thecene mit einfließen kann. Das
bedeutet ebenfalls, dass auch in
vielen Streitfällen mit der Versi-
cherung die Beurteilung einer
möglichen Kontamination des In-
ventars mit Stachybotrys-Toxinen
kostengünstig möglich wird. Eine
Verunreinigung von Inventar in
Schadensbereichen durch Tricho-
thecene kann quantitativ erfasst
oder gegebenenfalls auch ausge-
schlossen werden.
Eine differenziertere Betrach-
tung der Toxinproblematik von
Schimmelpilzbefall unter Beteili-
gung von Stachybotrys ist somit
möglich und dürfte in vielen Fäl-
len zu einer entspannteren Sanie-
rung beitragen. Eine pauschale
Betrachtung des Befalls als toxisch
ist somit nicht mehr zwingend er-
forderlich. Fazit: Stachybotrys im
Innenraum – nicht in jedem Fall
eine toxische Gefahr!
Martin Strohmeyer und
Bettina Wüstenhöfer
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