Schützen & Erhalten - page 31

Schützen & Erhalten · Juni 2005 · Seite 31
AUS DER WISSENSCHAFT
Mit Mikrowellen dem Schimmelpilz einheizen?
Die Mikrowellenstrahlung
ist ein in der Industrie be-
reits häufig angewendetes
Verfahren, wenn es um die
Erwärmung und Trocknung
von Materialien geht. Auch
im Bereich der Bautrock-
nung und Wasserschaden-
beseitigung gibt es einen
zunehmenden Trend mit
stetig neuen Anbietern.
Zu den Vorteilen der Mikrowel-
lenanwendung gehören nicht nur
Effizienz und Wirtschaftlichkeit,
sondern auch ökologische Aspek-
te. In diesem Zusammenhang wird
immer wieder von der giftfreien
Bekämpfung biologischer Schäd-
linge gesprochen, die mit der
Trocknung einhergeht. Was die
Behandlung von Insekten und
holzzerstörenden Pilzen, ins-
besondere des Echten Haus-
schwamms (
Serpula lacrymans
) als
dem bekanntesten Vertreter be-
trifft, so erscheint die thermi-
sche Abtötung durch Erwärmung
mit Mikrowellenstrahlung bereits
als nachgewiesen. Aber wie sieht
es mit der Desinfektion von
Schimmelpilzen aus?
In der Praxis erfolgt eine
Beurteilung der mikrobiell befal-
lenen und mit Mikrowellen be-
strahlten Flächen oft allein über
eine weitere Beobachtung.
Kommt es zu keinem erneuten
Wachstum von Schimmelpilzen,
so geht man von einer Abtötung
aus. Genau genommen ist hier
jedoch eine Ursachenbekämpfung
vorgenommen worden. Ver-
schlechtert man die Bedingun-
gen für den Schimmelpilz durch
Ausschaltung der Feuchtigkeits-
quelle, so wird es natürlich nicht
mehr zu einem erneuten Aufkei-
men des Befalls kommen. Ob aber
eine Abtötung der Mikroben er-
folgt ist, ist damit nicht geklärt.
Mangelnde Grundkenntnisse,
wenig Erfahrungen über Poten-
tial und Risiken des Verfahrens
und nicht vorhandene öffentlich
zugängliche und nachvollziehbare
wissenschaftliche Untersuchun-
gen über die tatsächliche des-
infizierende Wirkung gaben da-
her den Anlass, ein Forschungs-
vorhaben an der Hochschule für
Wissenschaft und Kunst (HAWK),
FH Hildesheim, im Fachbereich
Restaurierung ins Leben zu ru-
fen. Der thematisch weit gefas-
ste Titel des Projekts „Mikrowellen
zur Desinfektion kontaminierter
Kunstobjekte – Grenzen und Mög-
lichkeiten“ geht dabei nicht al-
lein der Frage einer grundsätz-
lichen Abtötung nach, sondern
beschäftigt sich speziell mit
teile des Verfahrens gegeneinan-
der abzuwägen. Die insgesamt
27monatige Projektlaufzeit en-
det Dezember 2005.
Versuchsaufbau
Aufgrund der Vielzahl an
Schimmelpilzen wurden die Un-
tersuchungen auf wenige relevan-
te Pilzarten begrenzt, die in un-
seren Breiten auf hölzernen Ober-
flächen anzutreffen sind. Die
Auswahl erfolgte an Hand der
biologischen Labor an der FH
Hildesheim kultiviert, dann die
angewachsenen Pilze isoliert und
bestimmt. Aus diesem Pool von
insgesamt 20 identifizierten Pilz-
arten wurden vier Vertreter un-
terschiedlicher Gattungen ausge-
wählt, die zudem erst spät Spo-
ren ausbilden und damit Versuche
mit reinem Myzel zulassen. Aus-
gesucht wurden die Arten
Chae-
tomium globosum
,
Alternaria al-
ternata
,
Botrytis cinera
und
Botryotrichum piluliferum
.
Für die Untersuchungen wur-
den im Rahmen von Vorversuchen
zunächst Haushaltsmikrowellen
verwendet, die mit einem Vor-
schaltgerät zur eigenständigen
Taktung der Leistung modifiziert
waren. Spätere Versuchsreihen
wurden vorwiegend mit dem of-
fenen Mikrowellensystem der Fir-
ma Service Partner durchgeführt
(Arbeitsfrequenz 2,45 GHz). Dabei
handelt es sich um Mikrowellen-
generatoren mit 1000 W Aus-
gangsleistung, die über eine
Schlitzantenne ausgekoppelt
werden. Der hier geforderte An-
spruch an eine langsame und
nahezu homogene Erwärmung
entspricht dem restauratorischen
Gedanken an eine schonende
Behandlung, bei der das histo-
rische Objekt im Vordergrund
steht.
Um die erreichten Oberflä-
chentemperaturen und die Tem-
peraturverteilung nicht nur an
Einzelpunkten zu messen, son-
dern eine gleichmäßige Übersicht
zu erhalten, wurden mehrere Ver-
suchsreihen mit einer IR-Kame-
ra begleitet, die von den Koope-
rationspartnern des Wilhelm-Klau-
ditz-Instituts (WKI) und dem
Fachbereich Bauwesen der FH
Hildesheim zur Verfügung gestellt
wurden.
Als Erfolgskontrolle von
beimpften und bestrahlten Pro-
bekörpern diente die Anzucht
noch lebensfähiger Zellen auf
Malz-Extrakt-Agar. Eine optische
Kontrolle des Wachstums der zu-
vor angeimpften Organismen fand
jeweils nach 3, 5 und 7 Tagen
Schimmelpilzen auf hölzernen
Oberflächen. Das finanziell vom
Ministerium für Wissenschaft und
Kultur des Landes Niedersachsen
geförderte AGIP- Projekt versteht
sich damit als Grundlagenfor-
schung, um gerade aus Sicht des
Restaurators die Vor- und Nach-
gängigen Literatur und eigener
Erfahrungen. So wurde der Kon-
takt zu mehreren Museen herge-
stellt, deren Depots besucht und
an mikrobiell besiedelten Holz-
objekten Proben entnommen. Die
vor Ort beimpften Nährböden
wurden anschließend im mikro-
Aufgebaute
Probekörper
unter dem
fahrbaren
Flächen-
strahler
der Firma
Service-
Partner.
Versuchsaufbau mit Mikrowellengerät, Probekörpern und IR-Kamera.
1...,21,22,23,24,25,26,27,28,29,30 32,33,34,35,36,37,38,39,40,41,...44
Powered by FlippingBook