Schützen & Erhalten - page 17

Seitdem auch arbeits-
rechtliche Formularverträ-
ge der Kontrolle der All-
gemeinen Geschäftsbe-
dingungen unterliegen,
bestand Unsicherheit dar-
über, ob Vertragsstrafe-
klauseln weiterhin zuläs-
sig sind.
Das Bundesarbeitsgericht hat-
te solche Regelungen bis zur
Schuldrechtsmodernisierungsre-
form zum 1. Januar 2002 grund-
sätzlich für zulässig erachtet.
Die auf die Rechtsänderung fol-
gende Rechtsprechung war un-
einheitlich. Das Arbeitsgericht
Bochum hatte mit Urteil vom
8. Juli 2002 – 3 Ca 1287/02 –
die Zulässigkeit von Vertrags-
strafenabreden nach neuem
Recht abgelehnt. Am 14. Au-
gust 2002 hatte das Arbeitsge-
richt Duisburg – 3 Ca 1676/02
– entschieden, dass die Beson-
derheiten des Arbeitsrechts Ver-
tragsstrafen in Formulararbeits-
verträgen nach wie vor zulie-
ßen. Nunmehr hat das
Bundesarbeitsgericht erstmals
höchstrichterlich entschieden,
dass Vertragsstrafenabreden in
Formulararbeitsverträgen auf-
grund der Besonderheiten im Ar-
beitsrecht grundsätzlich nach
wie vor zulässig sind. Sie kön-
nen aber dann unwirksam sein,
wenn sie eine unangemessene
Benachteiligung für den Arbeit-
nehmer darstellen.
Dem Urteil lag folgender
Sachverhalt
zugrunde:
Die Parteien haben über die
Zahlung einer Vertragsstrafe
gestritten. Am 23. Januar 2002
schlossen die Parteien einen Ar-
beitsvertrag, wonach die Be-
klagte ab dem 1. März 2002 als
Verkäuferin bei der Klägerin
beschäftigt werden sollte. Der
Formulararbeitsvertrag enthielt
eine Klausel, wonach die Arbeit-
nehmerin an die Arbeitgeberin
eine Vertragsstrafe in Höhe von
einem
Bruttomonatsgehalt zu zah-
len hatte, wenn die Arbeitneh-
merin das Arbeitsverhältnis
nicht antrat oder durch Vertrags-
bruch löste. Des Weiteren ver-
einbarten die Parteien eine
sechsmonatige Probezeit mit
einer beidseitigen Kündigungs-
frist von zwei Wochen. Mit
Schreiben vom 27. Januar 2002
teilte die Beklagte der Kläge-
rin mit, dass sie die Arbeit nicht
antreten werde, und kündigte
das Arbeitsverhältnis. Die Klä-
gerin verlangte Zahlung der
Vertragsstrafe wegen des Nicht-
antritts zur Arbeit. Die Beklagte
war der Auffassung, sie habe das
Arbeitsverhältnis vor Aufnahme
der Beschäftigung unter Einhal-
tung der vereinbarten Frist kün-
digen können. Jedenfalls sei
aber die Höhe der Vertragsstrafe
von einem Monatsgehalt bei
einer verkürzten Kündigungsfrist
während der Probezeit nicht
angemessen.
Die Klage blieb in allen In-
stanzen erfolglos.
Dem Urteil sind folgende
Leitsätze
zu entnehmen:
1. In formularmäßigen Arbeits-
verträgen folgt aus der an-
gemessenen Berücksichti-
gung der im Arbeitsrecht
geltenden Besonderheiten
nach § 310 Abs. 4 Satz 2
BGB die grundsätzliche Zu-
lässigkeit von Vertragsstra-
fenabreden.
2. Eine Besonderheit des Ar-
beitsrechts bildet die Rege-
lung des § 888 Abs. 3 ZPO
wonach es ausgeschlossen
ist, die Verpflichtung zur
Arbeitsleistung zu vollstrek-
ken. Daneben scheitert die
Durchsetzung von möglichen
Schadensersatzansprüchen
wegen Verweigerung der
Arbeitsleistung häufig dar-
an, dass die Kausalität der
Pflichtverletzung für den
Schaden oder dessen Höhe
nicht nachgewiesen werden
kann. Daher besteht ein
Bedürfnis an Sanktionsin-
strumenten, um den Arbeit-
nehmer zur Erfüllung der
vertraglichen Hauptpflicht
anzuhalten.
3. Die Höhe der Arbeitnehmer-
bezüge für die Zeit bis zum
Ablauf der ordentlichen Kün-
digungsfrist liefert grund-
sätzlich einen angemesse-
nen Rahmen für die Vertrags-
strafenhöhe. Stellt eine Ver-
tragsstrafe eine unangemes-
sene Benachteiligung des
Arbeitnehmers dar, führt dies
zur Unwirksamkeit der Klau-
sel. Eine geltungserhalten-
de Reduktion kommt nicht
in Betracht.
Das Urteil hat folgende
prakti-
sche Auswirkungen:
Die Entscheidung des Bun-
desarbeitsgerichts ist zu begrü-
ßen. Bereits in der Vergangen-
heit hatte es argumentiert, dass
Vertragsstrafen das berechtig-
te Bedürfnis des Arbeitgebers
sichern, eine arbeitsvertragswid-
rige und schuldhafte Nichtauf-
nahme oder Beendigung der
Arbeitstätigkeit seitens des Ar-
beitnehmers zu vermeiden. Denn
die Darlegung und der Beweis
eines konkreten Schadens für
den Arbeitgeber ist regelmäßig
mit besonderen Schwierigkeiten
verbunden, wenn der Arbeitneh-
mer die Arbeit vertragswidrig
einstellt.
Der Nachweis des Schadens
und des Kausalzusammenhangs
zwischen der Pflichtverletzung
und dem Schaden ist in der Pra-
xis kaum zu führen. Das Inter-
esse des Arbeitgebers an einer
Vertragsstrafenregelung ist des-
halb nach Ansicht des Bundes-
arbeitsgerichts auch nach der
Schuldrechtsmodernisierung
schon angemeldet ist oder bei
wem sich später die Verhältnisse
ändern, wird immer noch nicht
von Amts wegen überprüft.
Außerdem fällt damit auch die
Möglichkeit weg, die Arbeits-
agenturen leistungsrechtlich an
Entscheidungen durch die Bei-
tragseinzugsstelle zu binden.“
Außerdem befürchten die Spe-
zialisten von Financial Networx
lange Wartezeiten. Denn: Was
jetzt noch dezentral bei allen
Krankenkassen geregelt wird,
fällt bald gehäuft bei der BfA-
Clearingstelle an.
Christina Nickel rät daher
allen Betroffenen: „Unbedingt
noch in diesem Jahr eine Über-
prüfung vornehmen, schon, um
nicht noch mehr Beiträge zu
verschenken.“ Aber Vorsicht: Die
Prüfungen werden nicht unbe-
dingt zum Vorteil der Betrof-
fenen gestaltet. Komplizierte
Formulare mit mehrdeutigen
Fragen führen oft zu Missver-
ständnissen. Ohne Hintergrund-
wissen kreuzt der Laie sich da-
mit von Kästchen zu Kästchen
„um Kopf und Kragen“. Wesent-
liche Umstände können durch
den offiziellen Feststellungsbo-
gen alleine auch nicht hinrei-
chend ermittelt werden. Doch
welcher Betroffene weiß schon,
auf welche Tatsachen es an-
kommt? Professionelle Hilfe von
Dienstleistern wie Financial
Networx wird dadurch wertvol-
ler denn je. Informationen un-
ter
oder Tel. (02 31) 555 787-0.
Ass.iur. Kathi-Gesa Klafke
ARBEITS- UND SOZIALRECHT
Urteil des Bundesarbeitsgerichts - 8 AZR 196/03 – vom 4. März 2004 – Vertragsstrafenabrede
Vertragsstrafenabreden in Formulararbeits-
verträgen sind grundsätzlich zulässig
Schützen & Erhalten · September 2004 · Seite 17
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