Schützen & Erhalten - page 22

Schützen & Erhalten · September 2005 · Seite 22
BAUVERTRAGSRECHT
Wertung von Spekulationsangeboten
Beschluss des OLG Koblenz vom 10. Mai 2005
Der Vergabesenat des OLG
Koblenz hat in einem Be-
schluss vom 10. Mai 2005
(Az.: 1 Verg 3/05) festge-
stellt, dass die Annahme
einer Mischkalkulation
durch die Erklärung des
Bieters entkräftet werden
kann, dass die in den frag-
lichen Positionen abgege-
benen Preise der tatsäch-
lichen Kalkulation entspre-
chen und konkrete Anhalts-
punkte für eine gegentei-
lige Annahme nicht vorlie-
gen.
Das OLG fasst den Sachverhalt wie
folgt zusammen:
An einer europaweiten Aus-
schreibung für Rohbauleistungen
beteiligten sich zwölf Bieter, von
denen die Antragstellerin das
preisgünstigste Angebot abgab.
An zweiter Stelle lag die Betei-
ligte mit einem um ca. 16% hö-
heren Angebotspreis. Nach Wer-
tung der Angebote informierte die
Vergabestelle die Antragstellerin,
dass ihr Angebot nicht berück-
sichtigt, sondern ein Zuschlag auf
das der Beteiligten erteilt wer-
den solle. Ihre Entscheidung be-
gründete die Vergabestelle damit,
dass das Angebot der Antragstel-
lerin einen unangemessen nied-
rigen Preis aufweise. Nach erfolg-
loser Rüge der beabsichtigten Zu-
schlagsabteilung stellte die
Antragstellerin Nachprüfungsan-
trag bei der Vergabekammer, in
dessen Begründung sie die Auf-
fassung vertrat, sie habe ein nach
wirtschaftlichen Gesichtspunkten
kalkuliertes und auskömmliches
Angebot vorgelegt. Die lediglich
in pauschaler Form vorgebrach-
ten Einwände der Vergabestelle
seien nicht geeignet, einen Aus-
schluss ihres Angebotes zu be-
gründen. Eine „Mischkalkulation“
habe sie nicht vorgenommen.
Die Vergabestelle wandte hier-
gegen ein, dass die Antragstel-
lerin die Komplexität und Schwie-
rigkeit der Stahlbaukonstruktion
unterschätzt habe. Der für die-
sen zentralen Auftragsgegenstand
angegebene Preis sei offensicht-
lich unauskömmlich. Er entspre-
che nur dem reinen Materialwert
und berücksichtige nicht Bear-
beitung, Konstruktion und Mon-
tage der Bauteile. Außerdem habe
die Antragstellerin auch in den
Positionen „Baustelleneinrich-
tung“ und „Verblendmauerwerk“
den Preis der Konkurrenten er-
heblich unterboten. Dagegen las-
se die überhöhte Preisbildung im
Titel „Nachweisarbeiten“ darauf
schließen, dass sie auf Nachträ-
ge und Überstundenzuschläge
spekuliere.
Die Vergabekammer hat dem
Nachprüfungsantrag mit Be-
schluss vom 6. April 2005 (Az.:
VK 9/05) stattgegeben (vgl. An-
lage 2).
Die Vergabekammer hatte in
ihrer Entscheidung u.a. folgen-
des ausgeführt:
Insbesondere rechtfertigt der
Umstand, dass sich das Angebot
der Antragstellerin in den Posi-
tionen „Verblendmauerwerk“ und
„Stahlbauarbeiten“ 61% bzw.
42% günstiger als die Angebote
der insoweit nächstplazierten Bie-
ter darstellt, in den Titeln „Nach-
weisarbeiten“ demgegenüber
286% nach oben abweicht, nicht
die Schlussfolgerung, dass es sich
hierbei um auf- bzw. abgeprei-
ste Leistungspositionen handelt,
mit anderen Worten, dass das
Angebot der Antragstellerin ge-
gen das Gebot vollständiger Preis-
angaben verstößt.
Maßgeblich ist vielmehr, dass
die Antragstellerin ausdrücklich
erklärt hat, keine „Mischkalku-
lation“ vorgenommen, sondern
durchgängig Preise angegeben zu
haben, die die tatsächlich kal-
kulierten Kosten wiedergeben
würden. Ein durchgreifender Ge-
genbeweis wurde nicht geführt,
so die Vergabekammer.
Ausdrücklich wies die Verga-
bekammer darauf hin, dass sie
den bereits in der Rechtsprechung
zum Ausdruck kommenden Stand-
punkt, wonach Auf- und Abprei-
sungen im Einzelfall kaum nach-
weisbar seien, wenn der Bieter
sie nicht selbst zugebe, teile.
„Erklärungen von Bietern, dass
ihre Preisangaben wahr und ernst
gemeint sind und die Kosten der
Leistungserbringung nicht in an-
dere Positionen des Leistungsver-
zeichnisses eingeflossen sind,
werden im Regelfall – sowie vor-
liegend – kaum zu widerlegen sein.
In derartigen Fällen ist vielmehr
grundsätzlich zugunsten der je-
weils betroffenen Bieter zu ver-
muten, dass sie die tatsächlich
kalkulierten Kosten auch ausge-
preist haben; trotz mitunter er-
heblich unterpreister Positionen
scheidet dann ein Ausschluss we-
gen des Fehlens der geforderten
Angaben dem Grunde nach aus“,
so die Vergabekammer wörtlich.
Gegen diese Entscheidung der
Vergabekammer Koblenz hatte die
zweitplazierte Beteiligte sofortige
Beschwerde eingelegt, mit der sie
die Aufhebung des Beschlusses
der Vergabekammer begehrte. Sie
hatte weiter beantragt, die auf-
schiebende Wirkung ihres Rechts-
mittels bis zur abschließenden
Entscheidung im Beschwerdever-
fahren zu verlängern.
Das OLG Koblenz hielt den
Antrag auf Verlängerung der auf-
schiebenden Wirkung des Rechts-
mittels für statthaft, konnte ihm
jedoch schon deshalb nicht ent-
sprechen, weil die eingelegte
sofortige Beschwerde keine Aus-
sicht auf Erfolg hatte. Bereits die
vorläufige Prüfung habe ergeben,
dass sie aller Voraussicht nach
unbegründet sei.
Das Angebot der Antragstel-
lerin sei nicht gem. § 21 Nr. 1
Abs. 1 Satz 3, § 25 Nr. 1 Abs. 1
b VOB/A wegen unvollständiger
Preisangaben oder Fehlens von
Erklärungen von der Wertung
auszuschließen.
Eine „Mischkalkulation“ der
Antragstellerin dergestalt, dass
sie Teile des tatsächlich gefor-
derten Entgelts für die auffallend
günstig angebotenen Titel „Bau-
stellenrichtung“, „Verblendmau-
erwerk“ und „Stahlbauarbeiten“
nicht an vorgesehener Stelle er-
klärt, sondern stillschweigend in
andere Positionen eingerechnet
habe, sei nicht erkennbar.
Auftraggeber trägt sog. Vergabe-
verfahrensrisiko
Oberlandesgericht Jena, Urteil vom 22. 3. 2005
(Az:. 8 U 318/04)
BGB-Basiszinssatz – Änderung ab
dem 1. 7. 2005 auf 1,17%
Das Vergabeverfahrensrisiko
trägt grundsätzlich der Auftrag-
geber. Bei aufgrund Nachprü-
fungsverfahrens verzögerter Zu-
schlagserteilung ist die Leistungs-
zeit entsprechend § 6 Nr. 2 VOB/
B, die Vergütung entsprechend
§ 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen.
Lehnt der Auftraggeber eine sol-
che vom Auftragnehmer verlangte
Anpassung bereits dem Grunde
nach ab, hat dieser ein Leistungs-
verweigerungsrecht. Eine auf den
Nichtbeginn mit den Bauarbei-
ten gestützte Auftragsentziehung
stellt eine freie Kündigung mit
der Folge dar, dass der Auftrag-
nehmer volle Vergütung abzüg-
lich ersparter Aufwendung ver-
langen kann.
Mit Wirkung vom 1. Juli 2005
hat die Deutsche Bundesbank den
sogenannten Basiszinssatz i. S.
v. § 247 BGB auf 1,17% abge-
senkt. Damit gilt für alle Geld-
schulden aus Rechtsgeschäften,
die ab dem 1. Januar 2002 ge-
schlossen worden sind, für Ver-
zugszeiträume ab dem 1. Juli
2005 ein gesetzlicher Verzugszins-
satz von 6,17% (5% über dem
Basiszinssatz; § 288 Abs. 1 Satz
1 BGB). Für Geschäfte, an denen
ein Verbraucher nicht beteiligt
ist, gilt ein Verzugszinssatz von
9,17% (8% über dem Basiszins-
satz; § 288 Abs. 2 BGB). Für Ver-
träge auf Basis der VOB 2002 gilt
dasselbe (§ 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/
B).
1...,12,13,14,15,16,17,18,19,20,21 23,24,25,26,27,28,29,30,31,32,...36
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