Schützen & Erhalten - page 23

Schützen & Erhalten · Dezember 2003 · Seite 23
Verabschiedung des Gesetzes zu Reformen
am Arbeitsmarkt
1. Kündigungsschutz · 2. Erstattung des Arbeitslosengeldes (sog. 59er Regelung)
I.
Kündigungsschutz
1. Sozialauswahlkriterien
Die Kriterien, die bei der Sozi-
alauswahl der Arbeitnehmer vor
Ausspruch einer betriebsbeding-
ten Kündigung zu berücksich-
tigen sind, sind erweitert wor-
den. Als weiteres Kriterium ist
neben der Betriebszugehörig-
keit, dem Alter und den Unter-
haltspflichten die Schwerbehin-
derteneigenschaft aufgenommen
worden.
2. Anrufung des Arbeitsge-
richts (Klagefrist)
Die einheitliche dreiwöchige
Klagefrist für alle Kündigungen
soll erst ab Zugang der schrift-
lichen Kündigung zu laufen
beginnen.
3. Berechnung des
Schwellenwertes (Klein-
betriebsklausel)
Der Kabinettsentwurf sah vor,
dass bis zum 31. Dezember 2008
befristet eingestellte Arbeitneh-
mer bei der Berechnung des
Schwellenwertes nicht berück-
sichtigt werden. Die Zahl die-
ser nicht zu berücksichtigenden
Arbeitnehmer mit befristetem
Arbeitsvertrag wird nunmehr auf
fünf begrenzt. In Betrieben, in
denen in der Regel fünf oder
weniger Arbeitnehmer beschäf-
tigt werden, können somit zu-
künftig bis zu fünf befristete
Arbeitsverträge abgeschlossen
werden, ohne dass das Kündi-
gungsschutzgesetz Anwendung
findet.
II. Entlassung älterer
Arbeitnehmer
(sog. 59er Regelung)
Nach § 147 a SGB III ist der
Arbeitgeber bei der Entlassung
älterer Arbeitnehmer unter den
gesetzlichen Voraussetzungen
zur Erstattung des Arbeitslosen-
geldes verpflichtet. Kleinbetrie-
be mit in der Regel nicht mehr
als 20 Arbeitnehmern sind al-
lerdings von dieser Erstattungs-
pflicht ausgenommen (§ 147 a
Abs. 1 Nr. 2 SGB III).
Das Gesetz zu Reformen am
Arbeitsmarkt sieht folgende –
vorübergehende –
Verschärfung
dieser Erstattungspflicht vor:
Bisher
sah die gesetzliche Re-
gelung Folgendes vor:
– Erstattung des Arbeits-
losengeldes und der Ar-
beitslosenhilfe ab Vollen-
dung des 58. Lebensjahres
– bis zur Dauer von zwei
Jahren (24 Monate)
– bei Entlassung älterer
Arbeitnehmer nach Vollen-
dung des 56. Lebensjah-
res.
Zukünftig
wird diese Erstat-
tungsregelung wie folgt ver-
schärft:
– Erstattung des Arbeits-
losengeldes und der Ar-
beitslosenhilfe ab Vollen-
dung des 57. Lebensjahres
– bis zur Dauer von drei
Jahren (36 Monate)
– bei Entlassung älterer
Arbeitnehmer nach Voll-
endung des 55. Lebens-
jahres.
Die Erstattungspflicht kann be-
reits dann eintreten, wenn der
ausscheidende Arbeitnehmer in
den letzten zwölf Jahren min-
destens zehn Jahre bei dem
Arbeitgeber beschäftigt war.
Die Erstattungspflicht soll
entfallen, wenn der Anspruch
auf Arbeitslosengeld nach dem
31. Dezember 2005 entstanden
ist.
Übergangsvorschrift:
Nach der in dem Gesetz vor-
gesehenen Übergangsvorschrift
soll diese Verschärfung der Er-
stattungspflicht bereits dann –
rückwirkend! – eingreifen, wenn
der Zeitpunkt der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses (= letz-
ter Arbeitstag) nach dem 26.
September 2003 (Tag der Ver-
abschiedung des Gesetzes) liegt.
III. Inkrafttreten
des Gesetzes
Das Artikelgesetz insgesamt
bedarf nicht der Zustimmung des
Bundesrates. Nach Einschätzung
der Arbeitgeber-Bundesvereini-
gung (BDA) ist daher mit ei-
nem Inkrafttreten des Gesetzes
in der vom Deutschen Bundes-
tag verabschiedeten Fassung zu
rechnen. Das geänderte Kündi-
gungsschutzgesetz soll am 1.
Januar 2004 in Kraft treten.
3. Die einvernehmliche Wei-
terbeschäftigung während
der Dauer des Kündigungs-
rechtsstreits wird als Fall
einer zulässigen Verein-
barung einer auflösenden
Bedingung angesehen.
Der Vertragswille der Par-
teien geht regelmäßig da-
hin, das Arbeitsverhältnis,
das der Arbeitgeber been-
den möchte, fortzusetzen,
bis endgültig geklärt ist,
ob die Kündigung wirksam
geworden ist. Das Arbeits-
verhältnis steht damit un-
ter der auflösenden Bedin-
gung der rechtskräftigen
Abweisung der Kündi-
gungsschutzklage.
4. Die Vereinbarung einer
auflösenden Bedingung
bedarf zu ihrer Wirksam-
keit der Schriftform
(§§21, 14 Abs. 4 TzBfG).
Wird diese nicht beachtet,
ist die Bedingung nichtig
mit der Folge, dass ein un-
bedingtes Arbeitsverhältnis
als geschlossen gilt.
5. Es ist nicht treuwidrig,
wenn sich der Arbeitneh-
mer auf die Unwirksamkeit
der auflösenden Bedin-
gung wegen Formversto-
ßes beruft. Ein treuwidri-
ges Verhalten läge nur
dann vor, wenn die Nicht-
beachtung der gesetzli-
chen Form durch sein Ver-
halten veranlasst wurde.
Das Urteil hat folgende
prak-
tische Auswirkungen:
Das Landesarbeitsgericht
Hamm hat klargestellt, dass es
sich bei der Beschäftigung des
Arbeitnehmers während eines
Kündigungsschutzprozesses zwar
nicht um einen befristeten Ar-
beitsvertrag handelt. Nach Auf-
fassung des Gerichts liegt aber
ein Arbeitsvertrag vor, der un-
ter einer auflösenden Bedingung
geschlossen wird. Denn der Ver-
tragswille der Parteien geht re-
gelmäßig dahin, das Arbeitsver-
hältnis, das der Arbeitgeber
beenden möchte, fortzusetzen,
bis endgültig geklärt ist, ob die
Kündigung wirksam geworden
ist. In einem solchen Fall ist
nach §§ 21, 14 Abs. 4 TzBfG die
Schriftform einzuhalten. Uner-
heblich ist dabei, ob sich die
Parteien bewusst sind, dass sie
durch die Vereinbarung, den
Arbeitnehmer weiterzubeschäf-
tigen, einen weiteren Arbeits-
vertrag schließen. Unerheblich
ist auch, ob ihnen die Notwen-
digkeit der Schriftform für die
Bedingung bekannt ist. Wird die
Schriftform nicht eingehalten,
ist die Bedingungsabrede nich-
tig, der Arbeitsvertrag gilt da-
gegen als auf unbestimmte Zeit
abgeschlossen. Dies kann wie
im vorliegenden Fall zu dem
Ergebnis führen, dass das Ar-
beitsverhältnis trotz Wirksam-
keit der Kündigung fortbesteht.
Bei Vereinbarungen über die
Weiterbeschäftigung des Arbeit-
nehmers während eines Kündi-
gungsschutzprozesses hat der
Arbeitgeber
unbedingt auf die
Einhaltung der Schriftform
zu
achten. Anderenfalls geht er das
Risiko ein, einen unbefristeten
Arbeitsvertrag mit dem von ihm
zuvor gekündigten Arbeitneh-
mer einzugehen.
ARBEITS- UND TARIFRECHT
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